Die Rendite der zehnjährigen Anleihe, die oft als wichtigster Referenzpunkt für Anleger in Europa gilt, rast seit dem Beginn des Anleihekaufprogramms der Europäischen Zentralbank am 9. März ebenfalls auf null zu. Im frühen Handel am Montag rentierten zehnjährige Bundesanleihen mit 0,07 Prozent, nach 0,4 Prozent Anfang März. Wenn die Renditen von Anleihen fallen, steigen im Gegenzug die Kurse.
Andrew Bosomworth, Leiter des Portfoliomanagements bei Pimco in Deutschland, sagt, dass die 30-jährigen Renditen bald ebenso tief fallen könnten.
"Auch die 30-jährige Anleihe könnte auf null fallen. Ich halte das nicht für extrem wahrscheinlich, aber es gibt zwei Faktoren: Das Nettoangebot an deutschen Anleihen liegt bei null, und die Bundesbank muss etwa 190 Milliarden Euro an Bundesanleihen kaufen", sagt er.
Negative Renditen bedeuten, dass Investoren, die Anleihen kaufen und bis zu ihrer Fälligkeit halten, garantiert Geld verlieren, wenn die Inflation durchweg oberhalb von null bleibt. Für zehnjährige Papiere ist das ein Problem, und für 30-jährige umso mehr. Neuste Daten zeigen, dass die Inflation in der Eurozone im März bei minus 0,1 Prozent lag. Die EZB zielt mittelfristig auf einen Wert von knapp unter zwei Prozent.
Viele Analysten erwarteten ursprünglich, dass die EZB bei ihrer quantitativen Lockerung keine längerfristigen Anleihen kaufen würde, um Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen nicht in die Quere zu kommen. Diese müssen solche Anleihen kaufen, um ihren langfristigen Verpflichtungen nachzukommen.
Trotzdem hat sich die quantitative Lockerung deutlich am Markt bemerkbar gemacht, vor allem, da es für die EZB so wenige deutsche Anleihen zu kaufen sind. Die Rendite der 30-jährigen Anleihe fiel in den ersten drei Tagen der quantitativen Lockerung von 0,96 auf 0,63 Prozent und sinkt seitdem weiter.
Bis Ende März hatte die EZB gut elf Milliarden Euro an Bundesanleihen mit einer durchschnittlichen Laufzeit von acht Jahren gekauft.
Bosomworth glaubt, dass sich die 30-jährige Anleihe im Vergleich zu anderen Papieren wie Zins-Swaps und kurzfristigen Anleihen weiterhin gut entwickeln wird. "Ich rate aber nicht zu diesen Papieren als alleiniges Investment", sagt er.
Genauso wenig fürchtet er das sogenannte Laufzeitrisiko - die Anfälligkeit eines Portfolios für Veränderungen des Zinsniveaus - da Renditen in der Eurozone wegen des EZB-Anleihekaufprogramms so schnell kaum steigen würden. Andere Analysten warnen davor, dass Investoren zu hohe Laufzeitrisiken auf sich nehmen, indem sie zu viele langfristige Papiere kaufen. Je länger die Laufzeit einer Anleihe, desto größer die Anfälligkeit für Zinsveränderungen.
"Anleger machen sich offensichtlich Sorgen über irgendetwas und verleihen dem Ausdruck, indem sie Bundesanleihen kaufen. Doch es gibt da ein asymmetrisches Risiko. Man kann damit keinesfalls eine gute Rendite erzielen, man kann aber viel Geld verlieren", sagt Mark Haefele, Investmentchef bei UBS Wealth Management. "So mancher spricht inzwischen von den Grenzen negativer Zinsen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem es besser sein wird, Schweizer Franken in einem Tresor zu deponieren."
Andrew Millward von Morgan Stanley glaubt, dass eine Rendite nahe 2,5 Prozent bei 30-jährigen Bundesanleihen eher angemessen wäre angesichts der mittelfristigen Inflation von zwei Prozent plus dem realen Wachstum in Deutschland. Wenn die Rendite je wieder dieses Niveau erreichen sollte, wäre das aber ein riesiger Schritt.
"Wenn man glaubt, dass die EZB die Inflation tatsächlich steigern kann, will man keine 30-jährigen Anleihen zu diesem Zinssatz besitzen", sagt er.
Doch da die EZB noch bis September 2016 Anleihen kaufen will, sollte man so schnell nicht mit höheren Renditen rechnen.
Es sei schwer, die langfristigen deutschen Renditen fundamental zu erklären, sagt Cagdas Aksu, Zinsstratege bei Barclays. Es gebe keinen Grund, auf diesem Niveau 30-jährige Bundesanleihen zu kaufen, doch solange Angebot und Nachfrage durch die EZB verzerrt würden und im Hintergrund weiterhin das Griechenland-Problem lauere, gebe es auch keinen Grund, sie zu verkaufen.
(Mitarbeit: Tommy Stubbington)
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April 20, 2015 12:00 ET (16:00 GMT)
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