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14.02.2013 16:30:32
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UPDATE: EU ebnet Weg für Transaktionssteuer
--EU-Kommission legt Gesetzesvorschlag vor
--Verbände warnen vor "Insellösung"
--Verwendung der Einnahmen umstritten
Von Angelika Busch-Steinfort
(NEU: Reaktionen der Verbände und des BMF, Debatte über die Verwendung der Einnahmen)
BRÜSSEL--Nachdem elf EU-Staaten beschlossen haben, im Alleingang eine Abgabe auf Bank- und Börsengeschäfte einzuführen, hat die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS) vorgelegt. Dieser sieht Mindeststeuersätze auf den Aktien- und Anleihenhandel von 0,1 Prozent und für den Derivatehandel von 0,01 Prozent vor. Deutschland und Frankreich waren die treibende Kraft hinter dem Vorhaben gewesen.
Die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland warnten erneut, eine "Insellösung" bringe Belastungen für die gesamte deutsche Wirtschaft mit sich. Das Bundesfinanzministerium (BMF) erklärte, der Vorschlag sei eine "gute Grundlage" für die Beratungen auf EU-Ebene. Negative Auswirkungen der Steuer auf die Altersvorsorge, auf Kleinanleger sowie die Realwirtschaft müssten aber vermieden werden.
Die Bundesregierung engagiere sich weiterhin für eine breite europäische Lösung und sei zuversichtlich, dass sich der Kreis jener vergrößern werde, die sich an der Steuer beteiligen, teilte das BMF mit.
Die Steuer dürfte nach Einschätzung der Kommission den elf Staaten jährliche Einnahmen von insgesamt 30 bis 35 Milliarden Euro bringen. Wofür die Gelder verwendet werden sollen, ist umstritten. So lehnt die Bundesregierung die Idee ab, damit den EU-Haushalt zu alimentieren.
Die Abgabe einführen wollen: Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich, Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Slowenien, die Slowakei und Estland.
"Nunmehr rufe ich diese Mitgliedstaaten auf, den eingeschlagenen Weg zur Einführung der weltweit ersten regionalen FTS mit Ehrgeiz, Dynamik und Entschlossenheit weiter zu verfolgen", sagte Steuerkommissar Algirdas Semeta.
Anderen EU-Staaten steht es jederzeit frei, sich dem Vorhaben anzuschließen. Sie haben ohnehin das Recht, sich an den folgenden technischen und politischen Beratungen zu beteiligen. An der Abstimmung über den Gesetzesvorschlag dürfen sich allerdings nur die teilnehmenden Staaten beteiligen - und wie immer in Steuerfragen ist dabei Einstimmigkeit erforderlich. Das Europäische Parlament, dass im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit die Einführung einer FTS in der EU gefordert hatte, muss angehört werden, hat aber kein Mitbestimmungsrecht. Die Kommission erwartet, dass die Steuer ab Januar 2014 angewendet werden kann.
Bei der inhaltlichen Gestaltung hat sich Semeta weitgehend an seinem ursprünglichen Gesetzesvorschlag von September 2011 orientiert, mit dem Ziel eine Finanztransaktionssteuer in allen 27 Mitgliedstaaten einzuführen. Dies hatte sich aber aufgrund der ablehnenden Haltung unter anderem Großbritanniens und Schwedens nicht durchsetzen lassen.
So wurde das "Ansässigkeitsprinzip" beibehalten, nachdem die Steuer zu zahlen ist, wenn eine der an der Transaktion beteiligten Parteien in einem der elf Mitgliedstaaten ihren Sitz hat und zwar unabhängig davon, wo die Transaktion stattfindet. Dieses Prinzip soll auch dann gelten, wenn eine an dem Handel beteiligte Bank lediglich im Namen einer Partei handelt, die in einem der elf Staaten ansässig ist.
Um die Verlagerung von Finanzaktivitäten in Staaten ohne die Abgabe zu vermeiden, sieht Semetas Vorschlag zudem als neues Element das "Ausgabeprinzip" vor. Danach muss auf jedes Finanzinstrument, das in einem der elf Staaten ausgegeben wurde, die Transaktionssteuer erhoben werden, selbst wenn das Papier zwischen Parteien gehandelt wird, die nicht im FTS-Raum ansässig sind, sondern beispielsweise in London.
Finanzgeschäfte von Privatpersonen und kleinen Unternehmen wie Hypotheken, Kredite oder Versicherungen sollen von einer Besteuerung ausgenommen werden ebenso wie herkömmliche Investmentbankaktivitäten im Zusammenhang mit Kapitalbeschaffung und Transaktionen im Rahmen von Umstrukturierungen. Ausgeschlossen werden sollen zudem Refinanzierungstätigkeiten, geldpolitische Aktivitäten und die öffentliche Schuldenverwaltung, also die Tätigkeiten der Europäischen Zentralbank und der Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM.
Trotz dieser Ausnahmen und dem Ausgabeprinzip wird die Steuer nach Einschätzung der deutschen Wirtschaftsverbände vor allem den Mittelstand und die deutsche Exportwirtschaft treffen. Sie werde notwendige Risikoabsicherungen verteuern, was den Wettbewerb zum Vorteil der Länder ohne Steuer verzerren werde.
Auch die betriebliche Altersvorsorge werde unattraktiver, da Versicherungen und Pensionsfonds bei jedem Anlagekauf und jeder Umschichtung die Abgabe zu Lasten der Pensionen zahlen müssten, führen die Bundesverbände der Industrie, der Arbeitgeber, des Handwerks, der Banken und Versicherungen sowie des Handels unter anderem an und erklärten, das mit der Steuer verfolgte Ziel sei allenfalls "im weltweiten Konsens" zu erreichen.
Von ihren Befürwortern wird die FTS damit begründet, dass der Finanzsektor als wesentlicher Auslöser der Wirtschaftskrise einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung der EU-Staaten leisten müsse, da die Steuerzahler mit massiven Rettungspaketen für die Banken zur Kasse gebeten worden seien. Zudem werde die Branche verglichen mit anderen Sektoren zu gering besteuert und komme aufgrund der Mehrwertsteuerbefreiung auf Finanzdienstleistungen jährlich in den Genuss von Steuervorteilen in zweistelliger Milliardenhöhe. Als weiteres Argument wird angeführt, mit der Steuer ließen sich riskante Geschäfte wie etwa im Hochfrequenzhandel einschränken.
Für welche Zwecke die Mittel aus der geplanten neuen Einnahmequelle eingesetzt werden sollen, ist noch unklar. In den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels in der vergangenen Woche heißt es: "Die teilnehmenden Mitgliedstaaten werden ersucht zu prüfen, ob dies die Grundlage für eine neue Eigenmittelkategorie für den EU-Haushalt werden könnte". Das haben Vertreter der Bundesregierung allerdings wiederholt klar abgelehnt. Berlin will, dass die Gelder aus der Transaktionssteuer in die nationalen Haushalte fließen. Frankreich fordert hingegen die Steuereinnahmen gezielt in die Entwicklungshilfe oder in den EU-Haushalt zu stecken. Diskutiert wird auch, die Gelder in den Klimaschutz zu investieren.
Kontakt zur Autorin: angelika.busch-steinfort@dowjones.com
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February 14, 2013 09:59 ET (14:59 GMT)
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