04.12.2012 12:57:00

Türkei-Ausstieg bringt Verbund eine Menge Geld

Der Ausstieg des Verbund aus seinen Türkei-Aktivitäten bringt dem führenden österreichischen Stromkonzern raschere Geldrückflüsse und im Zuge des Asset-Tauschs mit der deutschen E.ON sogar gleich Cash, obwohl die 1,5-Mrd.-Euro-Transaktion an sich bargeldlos angelegt ist. Die heuer seit Jahresanfang getätigten Türkei-Investitionen werden abgegolten, Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber sprach am Dienstag von zirka 300 Mio. Euro. Per Ende 2011 hatte der Verbund die Türkei mit 742,7 Mio. Euro in der Bilanz stehen. Seit 2007, der Gründung des JV mit Sabanci, hat der Verbund dort laut Anzengruber 950 Mio. Euro investiert - künftig hätte man noch weitere Summen locker machen müssen.

Jetzt konzentriert sich der Verbund auf Wasserkraft und investiert nur noch in "Erneuerbare Energien" und nicht mehr in "CO2-Technologie". Im Fokus stehen Österreich, Deutschland, Südosteuropa - Anzengruber nannte Rumänien, Albanien -, denkbar wäre auch die Schweiz; angestrebt werden grundsätzlich Mehrheitsbeteiligungen. In Deutschland könnte man ebenfalls in den Endkundenmarkt einsteigen. Beim Sorgenia-JV in Italien mit 5.000 MW und 10 Prozent Marktanteil gebe es keine Veränderungsabsicht.

Im Abtausch mit seinem Hälfte-Anteil am Joint-Venture Enerjisa mit der türkischen Sabanci-Holding, das seit 2007 bestanden hat, bekommt der Verbund nun von E.ON Anteile an 8 weiteren Wasserkraftwerken am Inn (sowie 3 Wasserkraftprojekte), an denen der österreichische Konzern schon bisher die Hälfte oder etwas weniger hielt und über Strombezugsrechte verfügte. In Bayern kommen damit für den Verbund rund 2 Mrd. Kilowattstunden (oder 2.000 GWh) Strom im Jahr hinzu, der Verbrauch von etwa 600.000 Haushalten. Bisher verfügte der Verbund dort über 1,881 Mrd. kWh (aus 326 MW Leistung), nach der Transaktion, für die das Closing für die zweite Hälfte des 1. Quartals 2013 erwartet wird, werden es 3,892 Mrd. kWh (aus 678 MW Leistung) sein. Zu den jetzigen 200 Mitarbeitern dort kommen nochmals 200 für den Verbund-Konzern hinzu.

13 Inn-Kraftwerke mit 312 MW Gesamtleistung und rund 1.800 GWh Jahresproduktion hatte E.ON ja 2009 bereits für rund 1,3 Mrd. Euro an den Verbund veräußert (einen Teil davon gab der Verbund später an EVN und Wien Energie weiter) - der Verkauf erfolgte aufgrund einer EU-Auflage für den deutschen Konzern. Gegen damalige Vorwürfe, man habe seinerzeit die 1,8 TWh zu teuer gekauft, verwahrte sich Anzengruber heute erneut: Wolle man solche Anlagen neu bauen, würden sie das Doppelte kosten. Zudem kämen zu den jetzt erworbenen 2 TWh weitere 237 GWh hinzu, da der Verbund im Zuge des E.ON-Deals auch 20,28 Prozent der Kapazität an der Kraftwerksgruppe Zemm-Ziller zurückkauft, was 60 Prozent des mit E.ON im Jahr 2009 vereinbarten Strombezugsrechts von 33,8 Prozent entspricht. Den Nettowert des Cashflow aus den neu erworbenen Anlagen sowie dem Zemm-Ziller-Rückkauf bezifferte Anzengruber mit 80 Mio. Euro jährlich ab dem ersten Jahr.

Mit dem Deal wird der Verbund zweitgrößter Wasserkrafterzeuger in Deutschland und der größte in Bayern mit den dortigen 21 Werken. Im Detail erwirbt er die auf deutschem Staatsgebiet gelegenen Anlagenteile der Wasserkraftwerke Ering, Egglfing und Nußdorf mit einer anteiligen Erzeugung von 592 Mio. kWh. Erworben werden auch der 50-Prozent-Anteil an der Österreich-Bayerische Kraftwerke AG ("ÖBK") mit den Wasserkraftwerken Oberaudorf-Ebbs, Simbach-Braunau, Schärding-Neuhaus, Passau-Ingling mit einer anteiligen Erzeugung von 994 Mio. kWh, 50 Prozent der Donaukraftwerk Jochenstein AG ("DKJ") mit einer anteiligen Erzeugung von 425 Mio. kWh sowie 50 Prozent der Grenzkraftwerke GmbH ("GKW”), die als Betriebsführungsgesellschaft der ÖBK und DKJ Kraftwerke tätig ist. Zudem erwirbt der Verbund die 50-Prozent-Anteile der E.ON an den bestehenden Wasserkraftwerks-Projekten Freilassinger Becken (rund 18 MW), Tittmoninger Becken (rund 18 MW) sowie Energiespeicher Riedl (300 MW)

Ohne E.ON, die ein so attraktives Wasserkraft-Paket zu bieten gehabt habe, wäre dieser Deal - und damit auch der Türkei-Ausstieg des Verbund - nicht zustande gekommen, sagte Anzengruber in einem Pressegespräch mit E.ON-SE-Vorstandsdirektor Bernhard Reutersberg in Wien. Heuer bis September hat der Verbund selbst 26,3 TWh Strom erzeugt, davon 23,2 TWh aus Wasserkraft.

Künftig werde der Verbund keine neuen Investitionen mehr in CO2-Technologien vornehmen, sondern ausschließlich in Erneuerbare Energien, betonte Anzengruber auf eine Frage zur kalorischen Erzeugung des Konzerns. Bei bestehenden Anlagen wie etwa Mellach in der Steiermark werde man lediglich den Betrieb über die Lebensdauer - noch zirka 20 Jahre - finanzieren.

Namens des deutschen E.ON-Konzerns meinte Vorstandsdirektor Reutersberg, der Deal bringe "beide Partner ein gutes Stück voran", beide könnten damit "ihre Strategie umsetzen". E.ON trenne sich von den Inn-Kraftwerken aber "nicht, weil wir glauben, dass die Wasserkraft ihren Reiz verloren hat". Vielmehr setze E.ON auch weiter auf Erneuerbare Energien - wie Wind, Sonne und Biomasse, wo man in Summe bereits über 4,2 GW verfüge. Doch das Türkei-Geschäft habe für E.ON eine "hohe strategische Bedeutung", so Reutersberg. Der deutsche Strom-Riese hat ja schon seit langem versucht, in der Türkei Fuß zu fassen.

Enerjisa mit derzeit 3,5 Mio. Kunden wolle man zu einem führenden privaten Energieunternehmen des Landes machen; derzeit seien dort 1.700 MW vorhanden, weitere 2.000 MW in Bau und nochmals 1.500 MW in Entwicklung, "das ist eine gute Plattform", so Reutersberg. Bis 2020 wolle E.ON in der Türkei auf bis zu 8.000 MW ausbauen, das Joint-Venture sei weiter auf 50:50 angelegt. Wie Brasilien, wo man ebenfalls tätig ist, weise auch die Türkei ein überdurchschnittlich hohes Wirtschaftswachstum und eine demographische Entwicklung auf, die zu einem wachsenden Energieverbrauch führe. In der Türkei wolle E.ON auch im Gasgeschäft aktiv werden, so Reutersberg; das umfasse auch den Erdgasimport und den Gashandel.

Die Verbund-Aktien, die am Vormittag noch recht fest waren, bauten bis zu Mittag ihre Gewinne weitgehend ab und lagen gegen 12:45 Uhr mit 17,76 Euro nur noch 0,71 Prozent im Plus; der ATX stand zu dem Zeitpunkt 0,12 Prozent im Minus.

(GRAFIK 1481-12, Format 88 x 110 mm) (Schluss) sp/itz

ISIN AT0000746409 DE000ENAG999 WEB http://www.verbund.com http://www.eon.com/

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19.02.25 E.ON Buy UBS AG
14.02.25 E.ON Overweight JP Morgan Chase & Co.
12.02.25 E.ON Overweight JP Morgan Chase & Co.
30.01.25 E.ON Buy Goldman Sachs Group Inc.
21.01.25 E.ON Buy UBS AG
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