06.09.2015 14:23:45

CSU übt heftige Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik

   Von Klaus Brune

FRANKFURT (Dow Jones)-Die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), in Ungarn gestrandete Syrien-Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, sorgt in der Großen Koalition vor dem Koalitionsausschuss am Sonntagabend für handfesten Krach - mit ungewöhnlichen Fronten. So wetterte die kleine Schwesterpartei CSU lautstark gegen die Kanzlerin, während ihr die SPD entschieden zur Seite springt.

   Die Entscheidung von Deutschland und Österreich, mehreren tausend Flüchtlingen die Einreise in die beiden Länder zu erlauben, sei "mit den Ländern nicht abgesprochen" gewesen, sagte Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann am Samstag bei einem Besuch einer Polizeidienststelle in Passau. "Das war ein völlig falsches Signal innerhalb Europas", das korrigiert werden müsse.

   Auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kritisierte gegenüber der Bild am Sonntag die "falsche Entscheidung". Jetzt gelte es, den "massenhaften Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland zu stoppen", sagte er der Zeitung.

   Zuvor hatte nach Informationen der Bild das CSU-Präsidium in einer Telefonschaltung die Entscheidung von Merkel vehement kritisiert. "Es kann nicht sein, dass die Kanzlerin den Flüchtlingen die allerhöchste Genehmigung erteilt, sich ihr Asyl-Land selbst auszusuchen", wetterte Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer nach Angaben von Teilnehmern der Telefonschalte. Seehofer werde daher am Sonntagabend beim Koalitionsgipfel von Angela Merkel klare Aussagen dazu fordern, wie der Zustrom der Flüchtlinge nach Deutschland gestoppt werden solle.

   Bei dem um 19 Uhr beginnenden Koalitionsgipfel kann die Kanzlerin dann aber immerhin mit der Zustimmung des anderen Koalitionspartners rechnen. SPD-Generalsekretarin Yasmin Fahimi lobte die Bundeskanzlerin in der Bild am Sonntag: "Die Entscheidung der Bundesregierung in dieser humanitären Ausnahmesituation war die einzig richtige."

   Und auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigte die Aufnahme der Flüchtlinge und forderte zugleich eine faire Verteilung der nach Europa drängenden Menschen. "Wer sich dem entzieht, stellt seine Eignung für Europa in Frage," sagte Oppermann. "Kein anständiger Mensch kann bei so einem Leid kalt und abweisend bleiben."

   Neben der humanitären Frage wird beim Koalitionsausschuss am Abend vor allem die finanzielle Seite der Hilfe im Mittelpunkt stehen. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung will die Koalition dabei ein Notprogramm beschließen, damit alle Flüchtlinge in Deutschland vor dem Einbruch des Winters ein festes Dach über dem Kopf haben. Leerstehende Kasernen und Polizeigebäude sollen daher für die Aufnahme von Flüchtlingen hergerichtet werden, Bauvorschriften vereinfacht und die Länder und Kommunen mit außerordentlichen Finanzhilfen unterstützt werden.

   Nach Recherchen der FAZ rechnet die Bundesregierung mittlerweile in diesem Jahr mit Kosten von 10 Milliarden Euro für die Betreuung der erwarteten 800.000 Flüchtlinge. Um trotz dieser Kosten die "schwarze Null" im Bundeshaushalt zu halten, plant Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, einen Sonderfonds einzurichten. Der wegen der hohen Steuereinnahmen zu erwartende Überschuss von voraussichtlich 5,7 Milliarden Euro soll den Grundstock für diesen Fonds bilden.

   Dass die Flüchtlinge dabei nicht nur Geld kosten, sondern wegen ihrer teils guten Ausbildung auch eine Chance für Deutschland darstellen, darauf weisen inzwischen nicht nur Politiker hin. Daimler-Chef Dieter Zetsche etwa kann sich vorstellen, in den Flüchtlingszentren künftige Arbeitnehmer für sein Unternehmen anzuwerben. Es sei durchaus möglich, "dass wir in den Aufnahmezentren die Flüchtlinge über Möglichkeiten und Voraussetzungen informieren, in Deutschland oder bei Daimler Arbeit zu finden", sagte Zetsche der Bild am Sonntag. Viele Flüchtlinge seien jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. "Genau solche Leute suchen wir doch."

   Knapp 8.000 Flüchtlinge sind nach Angaben der Bundespolizei seit Samstag mit Bussen und Bahnen aus Ungarn über Österreich nach Deutschland gekommen. Es sehe nicht so aus, als ob der Flüchtlingsstrom abreiße, sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntag in Potsdam. Nach Informationen der Münchener Behörden waren am Samstag 6.780 Flüchtlinge in der bayerischen Landeshauptstadt eingetroffen, am frühen Sonntag kamen weitere 1.200 Flüchtlinge, zumeist aus Syrien, in München an.

   Im Laufe des Tages werden weitere Sonderzüge mit mehreren hundert Menschen erwartet. Der Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er erwarte allein am Sonntag noch einmal 1.500 Flüchtlinge am Münchener Hauptbahnhof. Man versuche, den Zustrom zu kanalisieren und viele Menschen in Auffanglager in anderen deutschen Städten weiterzuleiten.

Kontakt zum Autor: Klaus.brune@wsj.com

DJG/kgb (END) Dow Jones Newswires

   September 06, 2015 07:53 ET (11:53 GMT)

   Copyright (c) 2015 Dow Jones & Company, Inc.- - 07 53 AM EDT 09-06-15

Analysen zu Mercedes-Benz Group (ex Daimler)mehr Analysen

12:16 Mercedes-Benz Group Market-Perform Bernstein Research
11:02 Mercedes-Benz Group Buy Warburg Research
20.02.25 Mercedes-Benz Group Halten DZ BANK
20.02.25 Mercedes-Benz Group Market-Perform Bernstein Research
20.02.25 Mercedes-Benz Group Neutral Goldman Sachs Group Inc.
Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!

Aktien in diesem Artikel

Mercedes-Benz Group (ex Daimler) 58,48 -1,42% Mercedes-Benz Group (ex Daimler)