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Gewerbeimmobilien 22.04.2023 23:11:00

Womöglich schlimmere Immobilienkrise als 2008: Experten befürchten Dominoeffekt für gesamte Wirtschaft

Womöglich schlimmere Immobilienkrise als 2008: Experten befürchten Dominoeffekt für gesamte Wirtschaft

• Viele Kredite für Gewerbeimmobilien laufen aus
• Angesichts hoher Zinsen für neue Finanzierung drohen Kreditausfälle
• Expertin erwartet Auswirkungen auf gesamten Markt


Trotz Turbulenzen bei einigen US-Regionalbanken im März verlief das erste Quartal 2023 an den US-Aktienmärkten positiv. So gewann der S&P 500 in den ersten drei Monaten des Jahres rund 7,0 Prozent dazu, während es beim NASDAQ Composite um 17,3 Prozent aufwärts ging. Doch Experten der US-Investmentbank Morgan Stanley warnen in einem Report davor, angesichts dieser Entwicklung bereits das Ende des Bärenmarktes auszurufen. Ihrer Meinung nach würden Anleger "echte Risiken für die Wirtschaft und die Unternehmensgewinne" ignorieren. Diese Risiken lauern laut Lisa Shalett, CIO bei Morgan Stanley, unter anderem im Markt für Gewerbeimmobilien - und könnten zu einem Dominoeffekt führen, der sich auf den Aktienmarkt und die gesamte Wirtschaft auswirken würde.

Morgan Stanley besorgt um Bürogebäude: Kredite müssen bald neu verhandelt werden

Zum Sektor der Gewerbeimmobilien - im Englischen Commercial Real Estate (CRE) - werden laut "USA TODAY" Bürogebäude, Einkaufszentren, Mehrfamilien-Apartmenthäuser, Hotels und Datencenter gezählt. Vor allem die Bürokomplexe treiben den Experten dabei momentan die Sorgenfalten auf die Stirn. Laut den Morgan Stanley-Strategen, stünden diese "vor einer großen Hürde", wie Lisa Shalett Anfang April in einem wöchentlichen Bericht der Investmentbank schrieb. Denn in den nächsten zwei Jahren würden mehr als die Hälfte der Kredite fällig, die zur Finanzierung dieser Gebäude aufgenommen wurden - und das bei hohen Leerstandsquoten, aktuell ohnehin schon sinkenden Immobilienpreisen und hohen Zinsen. "Extreme Zinsvolatilität fordert typischerweise Opfer, und die nächsten könnten Gewerbeimmobilien [...] sein. Etwa die Hälfte der CRE-Hypotheken muss in den nächsten zwei Jahren refinanziert werden, und Regionalbanken vergeben die meisten Hypotheken", heißt es in dem Bericht der Investmentbank. Dabei gehe es insgesamt um Kredite in Höhe von mehr als 1,45 Billionen US-Dollar.

Das Problem dabei: Aufgrund der geringeren Nachfrage nach Büroräumen wegen dem verstärkten Trend zur Heimarbeit seit Beginn der Corona-Pandemie mussten die Besitzer der entsprechenden Immobilien bereits Mieteinbußen und Preisabschläge auf den Wert ihrer Gebäude verbuchen. Hinzu kamen in den letzten Monaten gestiegene Instandhaltungs- und Betriebskosten. Außerdem hat die US-Notenbank Fed die Leitzinsen innerhalb von zwölf Monaten kräftig erhöht. Lagen diese im Frühjahr 2022 noch in einer Spanne von 0 bis 0,25 Prozent bewegen sie sich nun im Bereich von 4,75 bis 5,0 Prozent. Laufen die aktuellen Kredite aus, wird eine neue Finanzierung somit deutlich teurer. "Selbst wenn die aktuellen Zinsen dort bleiben, wo sie sind, werden die Zinsen für die Vergabe von neuen Krediten wahrscheinlich 3,5 bis 4,5 Prozentpunkte höher sein als sie es für viele der bestehenden Hypotheken von CRE sind", schreibt Lisa Shalett.

Shalett weist außerdem darauf hin, dass 70 bis 80 Prozent der Kredite für Gewerbeimmobilien in den USA im letzten Zyklus von kleinen und mittelgroßen Regionalbanken vergeben worden seien. Und diese hätten die Kreditbedingungen angesichts der jüngsten Probleme von Branchenkollegen verschärft, berichtet "USA TODAY" unter Berufung auf einen Branchenakteur. So werde etwa für eine Immobilienfinanzierung nun viel mehr Eigenkapital benötigt als früher.

Angesichts all dieser Faktoren prognostizieren die Analysten von Morgan Stanley "einen Rückgang der CRE-Preise von der Spitze bis zur Talsohle von bis zu 40 Prozent, schlimmer als während der großen Finanzkrise. Eine Verwerfung dieser Art hat in der Vergangenheit nicht nur den Vermietern und den Bankern, die ihnen Kredite gewährten, geschadet, sondern auch den miteinander verbundenen Geschäftsgemeinschaften, privaten Kapitalgebern und Eigentümern aller zugrunde liegenden verbrieften Schulden. Die Technologie- und Nicht-Basiskonsumgüter-Sektoren werden nicht immun sein".

Zahlreiche Experten fürchten Kreditausfälle am US-Immobilienmarkt - und deren Folgen

"Es bauen sich absolut Gewitterwolken auf", sagte auch Mark Grinis, Immobilienspezialist bei EY, gegenüber "USA TODAY". Büroraum durchlaufe gerade einen transformativen Wandel und kurzfristig dürften schlecht strukturierte, kapitalisierte und finanzierte Gebäude laut Grinis wahrscheinlich entweder eine Art Eigentümerwechsel erfahren oder die Zwangsvollstreckungen durchlaufen. "Sie werden sehen, wie einige Eier zerbrechen, wenn diese Dinge (Hypotheken) […] fällig werden", so Grinis. "Und sie müssen entweder jemanden finden, der ihnen zusätzliches Eigenkapital gibt, ihren Kreditgeber dazu bringen, flexibel zu sein, oder [das Gebäude] geht zurück an die Bank". Wie das Nachrichtenportal berichtet, kam es bereits in mehreren Fällen zu Zahlungsausfällen großer Vermieter von Büroimmobilien - in einem der Fälle wurde dies angeblich sogar bewusst einer neuen Finanzierung vorgezogen. Sollten mehr Kreditnehmer aus dem Bereich der Gewerbeimmobilien diesem Beispiel bei ihren bald fällig werdenden Krediten folgen, könnte das weitere kleine und mittelgroße US-Banken, die hier wie erwähnt die Hauptkreditgeber sind, in Bedrängnis bringen. Weitere Bankenpleiten und dadurch großflächige Auswirkungen auf die Wirtschaft wären denkbar.

Selbst Twitter- und Tesla-Chef Elon Musk bezeichnete die aktuelle Situation bei den US-Gewerbeimmobilien auf Twitter als "bei weitem das ernsthafteste drohende Problem".

Auch Julie Whelan vom Immobiliendienstleister CBRE sagte gegenüber "Fox Business", dass sie mit Kreditausfällen und potenziellen Problemen für einige Banken rechne. "Glauben wir, dass wir Ausfälle sehen werden? Auf jeden Fall. Behalten wir die Banken im Auge, die viele dieser Kredite halten? Auf jeden Fall". Insgesamt zeigte sich Whelan jedoch zuversichtlich, dass man am Ende zwar "mit einigen Kratzern und Prellungen" dastehen werde, aber die Situation letztlich bewältigen könne, ohne dass es zu einem Zusammenbruch des Bankensystems komme.

Das rät Morgan Stanley den Anlegern

"Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass nur wenige Sektoren und Anlageklassen in einem Vakuum existieren", warnte jedoch Lisa Shalett von Morgan Stanley angesichts der Probleme, auf den der Markt der Gewerbeimmobilien zusteuert. "Kursrückgänge und Bewertungsabschläge bei diesen illiquideren Strategien wirken sich letztendlich auf den breiteren Markt aus", so Shalett weiter. Risse in diesen Märkten könnten dem Anlageumfeld und der Gesamtwirtschaft neuen Gegenwind verleihen und das Risiko auch für Aktien erhöhen, ergänzte sie außerdem. Sie empfahl Anlegern daher, "im Hinblick auf potenzielle Abschläge in illiquiden Anlageklassen" eine Neugewichtung des Portfolios in Betracht zu ziehen.

Redaktion finanzen.at

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Bildquelle: Aphelleon/Shutterstock.com,conrado / Shutterstock.com

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