17.05.2017 19:25:43

UPDATE2/Deutsche Börse will das Handelsspektrum deutlich ausbauen

   --Börse möchte Handel in nicht-zyklischen Assetklassen stärken

   --Kengeter will Gewinn auch künftig deutlicher steigern als Umsatz

   --Börse plant dazu Zukäufe, Beteiligungen und Partnerschaften

   --Deutliche Kritik von Aktionären an Fusionsprozess

   (NEU: Abstimmungsergebnis, weitere Details)

   Von Olaf Ridder

   FRANKFURT (Dow Jones)--Nach der geplatzten Börsenfusion mit London sieht die Führung der Deutschen Börse ihre Zukunft in neuen Handelsgeschäften sowie in gezielten Investitionen, muss sich auf der Hauptversammlung aber kritische Fragen von Aktionären zum Fusionsprozess anhören. Andreas Lang von der Aktionärsvereinigung DSW sprach von schweren handwerklichen Fehlern.

   Wie blauäugig müsse man sein zu glauben, "die deutsche Börsenaufsicht werde im Fall eines Brexit einen Unternehmenssitz außerhalb der EU erlauben", fragte Lang. Auch sei es dilettantisch gewesen anzunehmen, man könne "wichtige Eckpunkte noch nachverhandeln". Martin Wallmann von der Verbraucherzentrale für Kapitalanleger in Berlin kritisierte, dass die hessische Politik nicht richtig eingebunden und allein auf bundespolitische Hilfe gesetzt worden sei.

Kengeter weist London die Verantwortung für das Scheitern zu Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter wies die Verantwortung für das Scheitern demgegenüber der London Stock Exchange zu: "Wir müssen akzeptieren: Unsere Partner in London haben beschlossen, eine Auflage der EU-Wettbewerbskommission nicht zu erfüllen." Entsprechend habe Brüssel das Vorhaben untersagt. Gleichlautend äußerte sich auch der Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Faber.

   De facto hatten sich beide Seiten über den Sitz der gemeinsamen Börsenholding zerstritten. Während die britische Seite auf dem Fusionsvertrag beharrte, wonach der in London sein sollte, machte die hessische Börsenaufsicht nach dem Brexit-Votum einen Sitz in Frankfurt zu Bedingung.

   Kengeter räumte ein, dass es ihm nicht gelungen sei, sich in der Rhein-Main-Regionen mit seinen Argumenten hinreichend verständlich zu machen. Daraus habe er gelernt. Er werde in Zukunft verstärkt das Gespräch mit der Öffentlichkeit suchen.

   Die Gesamtkosten für das Fusionsabenteuer bezifferte er mit 76,5 Millionen Euro. Darin sei auch die Rückabwicklung des Aktientauschs in Höhe von rund 1 Million Euro enthalten. Den Löwenanteil von 33,5 Millionen Euro kassierte die Anwaltskanzlei Linklaters. Für die Analyse der Situation nach dem Brexit nahm die Börse auch den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer in Anspruch. Die Beratungsfirma des Grünen-Politikers strich in den Jahren 2016 und 2017 Honorare von unter 150.000 Euro ein.

Ausbau des eigenen Geschäfts soll die Zukunft sichern Die Zukunft der Deutschen Börse sieht Kengeter nun in einem deutlichen Ausbau der Geschäfte. "Nun gilt es, das Wachstum aus eigener Kraft zu schaffen", das im Falle einer Fusion in einem Schritt erreicht worden wäre, sagte der Konzernchef.

   Kengeter will den DAX-Konzern dafür zu einem integrierten Trading- und Clearing-Haus mit einer deutlich größeren Bandbreite von Assetklassen ausbauen. Große Börsenzusammenschlüsse seien derzeit schwer vorstellbar. "Aber das bedeutet nicht das Aus für Übernahmen, Partnerschaften und Beteiligungen überhaupt."

   Die Deutsche Börse sei noch zu sehr vom Auf und Ab der Märkte abhängig und müsse sich "stabile und langfristig wirksame Quellen für Wachstum erschließen." Vorrangig will Kengeter dazu den Handel und das Clearing mit Derivaten ausbauen, überdies sieht er den Einstieg in den Handel mit Devisen, Unternehmensanleihen sowie Energie und Rohstoffen als zukunftsträchtig.

   Mit der Energiebörse EEX sei die Börse bereits auf bestem Weg zu einer globalen Rohstoff-Börse. Im Mai war die EEX mit dem Kauf der Warenbörse Nodal in den US-Markt für Energie-Kontrakte eingestiegen. Ihren Anteil an der EEX hat die Börse inzwischen auf 75 Prozent ausgebaut.

Börse will sogar Darlehen und Versicherungen handelbar machen Dem Unternehmen nahestehende Personen bestätigten einen Bericht des Handelsblatts, wonach die Börse bis 2022 auch in den Handel mit ETFs, Darlehen und Versicherungen einsteigen will. Auch will die Börse Endkunden direkte Zugangslösungen bieten und so ihre Reichweite erhöhen.

   Eine weitere Säule soll das Geschäft mit Daten und Indizes werden, wo der Markt stark wachse, kündigte Kengeter an. Die Basis habe die Börse gelegt, indem sie etwa den Indexanbieter Stoxx "vollständig übernommen" habe. Marktchancen in der Digitalisierung sollen ebenfalls genutzt werden. Mit einem Zentrum für Daten und Analysen will sich die Börse für sogenannte Fintechs als Partner anbieten.

   Kengeter versprach, wie zuletzt auch auf mittlere Sicht die Gewinne deutlich stärker zu steigern als die Einnahmen. Angestrebt werde ein Wachstum des Überschusses von 10 bis 15 Prozent bei einem Zuwachs der Nettoerlöse von 5 bis 10 Prozent. Laut Finanzchef Gregor Pottmeyer gilt die Prognose auch ohne die Synergien, die bei einer Börsenfusion gehoben worden wäre.

   "Wir setzen unsere Wachstumsstrategie Accelerate fort", sagte der Börsenchef. Auch hier gab es kritische Anmerkungen. Noch vor einem Jahr habe die Börse behauptet, sie müsse mit einer Fusion dafür sorgen, dass sie nicht abgehängt oder ein Übernahmekandidat werde, sagte DSW-Vertreter Lang.

Aktionäre bemängeln Insiderermittlungen Kritisch äußerten sich Aktionäre auch zum nach wie vor laufenden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Insiderhandels gegen den Börsenchef. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat ihm den Gefallen nicht getan und die Ermittlungen abgeschlossen, so dass die Gefahr einer Anklage noch immer nicht gebannt ist. Kengeter ist sich aber sicher, nichts falsch gemacht zu haben. Er sei sicher, dass sich die Vorwürfe "nach eingehender Prüfung als unbegründet erweisen werden", sagte er den Aktionären.

   Der Börsenchef hatte im Dezember 2015 und damit gut zwei Monate vor Bekanntgabe der Fusionsabsichten Aktien der Deutschen Börse für 4,5 Millionen Euro gekauft - im Rahmen eines vom Aufsichtsrat für ihn geschnürten Bonusprogramms. Den Vorwurf, er habe damals bereits gewusst, dass Deutsche Börse und London Stock Exchange auf einen Zusammenschluss zusteuerten, haben Kengeter und sein Arbeitgeber zurückgewiesen. DSW-Vertreter Lang nannte die Ermittlungen an Peinlichkeit nicht zu überbieten und einen Imageschaden für das Unternehmen.

   Einige Anteilseigner machten ihre Drohung wahr und verweigerten Vorstandsmitgliedern und Aufsichtsräten in der Einzelabstimmung die Entlastung für das vergangene Jahr: Börse-Chef Kengeter bekam knapp 84 Prozent Zustimmung, Aufsichtsratschef Faber fast 87 Prozent.

   Dabei sind Aktionäre mit Kengeter trotz der geplatzten Börsenfusion zuletzt gut gefahren. Neben einer um 10 Cent höheren Dividende von 2,35 Euro für das Geschäftsjahr 2016 will die Deutsche Börse im zweiten Halbjahr ein Aktienrückkaufprogramm im Volumen von rund 200 Millionen Euro auflegen. Auch der Aktienkurs des Unternehmens ist unter seiner Führung deutlich gestiegen.

   Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com

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   May 17, 2017 12:55 ET (16:55 GMT)

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