28.03.2007 15:09:00

UPDATE: Siemens-AR-Mitglieder beraten über Feldmayer-Verhaftung

(NEU: Strafanzeige IG Metall, Details, Hintergründe)

   Von Alexander Becker

   Dow Jones Newswires

   MÜNCHEN (Dow Jones)--Einen Tag nach der Verhaftung von Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer beraten Mitglieder des Aufsichtsrats die aktuelle Situation und das weitere Vorgehen. Die operativen Aufgaben Feldmayers wurden unterdessen unter den anderen Mitgliedern des Zentralvorstands verteilt. Die IG Metall erwägt angesichts möglicher verdeckter Zahlungen an die Konkurrenzorganisation AUB strafrechtlich gegen Siemens vorgehen.

   Am Vortag hatte Siemens mitgeteilt, dass Zentralvorstand Feldmayer im Zuge der Ermittlungen der Nürnberger Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft genommen wurde. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg durchsuchte zudem erneut mehrere Standorte des Konzerns in München, Nürnberg und Erlangen. Für Siemens haben die Nürnberger Ermittlungen damit eine neue Qualität: Feldmayer ist der erste aktive Siemens-Vorstand, der im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen verhaftet wurde. Offenbar verdächtigt ihn die Staatsanwaltschaft der Untreue. Auch gegen weitere Siemens-Mitarbeiter wird ermittelt.

   Aufsichtsratsmitglieder treffen sich derzeit in München um in den kommenden Tagen "informelle Gespräche über das weitere Vorgehen" des Gremiums zu führen. "Der Aufsichtsrat muss sich mit der Sache befassen und beraten wie nun damit umzugehen ist", erfuhr Dow Jones Newswires am Mittwoch aus Aufsichtsratskreisen. Ein Siemens-Sprecher wollte dieses auf Nachfrage nicht kommentieren. Das Unternehmen äußere sich generell nicht zu Themen des Aufsichtsrats, so der Sprecher.

   Feldmayer selbst wurde am Mittwoch auf seinen eigenen Wunsch hin vorübergehend von seinen Pflichten im Vorstand entbunden. Der Manager habe dieses mit den aktuellen persönlichen Umständen begründet, hieß es bei Siemens. Die Aufgaben von Feldmayer werden einem Siemens-Sprecher zufolge kommissarisch unter seinen Kollegen aufgeteilt. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass Feldmayer zunächst in Haft bleibt.

   Feldmayer ist im Siemens-Zentralvorstand unter anderem für die Bereiche Siemens IT Solutions and Services (SIS), Siemens Building Technologies AG (SBT), Siemens Real Estate (SRE), Corporate Information Office (CIO) und Global Shared Services (GSS) Europa, einschließlich der Regionalorganisation Deutschland (RD) verantwortlich.

   Die Inhaftierung Feldmayers und die Durchsuchungen stehen im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die Arbeitnehmerorganisation AUB und deren Vorsitzenden Wilhelm Schelsky. Mitte Februar hatte die Nürnberger Staatsanwaltschaft Schelsky im Zusammenhang mit unklaren Geldzahlungen des Siemens-Konzerns an den AUB-Vorsitzenden verhaftet. Die Staatsanwälte ermitteln dabei wegen möglicher Zahlungen ohne konkrete Gegenleistung und wegen des Verdachts von Steuerdelikten.

   Presseberichten zufolge war Siemens Mitte März in Verdacht geraten war, mehrere Mio EUR an AUB gezahlt zu haben, um sich deren Wohlwollen zu verschaffen. Dabei gingen die Nürnberger Ermittler dem Verdacht nach, ob die Zahlungen möglicherweise auch dazu gedient haben, Betriebsratswahlen unzulässig zu beeinflussen, heißt es in den Berichten.

   Die IG Metall prüft angesichts der angeblich verdeckten Millionenzahlungen an die AUB nun eine Strafanzeige gegen den Elektrokonzern. Ein Sprecher der IG-Metall-Zentrale in Frankfurt sagte, eine Entscheidung sei bislang aber noch nicht gefallen. Der zweite IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber legte Siemens unterdessen nahe, Eigenanzeige zu stellen, wie es auch Volkswagen in der Affäre um den damaligen Personalvorstand Peter Hartz getan hatte.

   Huber sagte der Onlineausgabe der "Süddeutschen Zeitung": "Ich fordere den Vorstand von Siemens auf, selbst Licht in dieses Dunkel zu bringen." Eine Strafanzeige ist in dem Fall von besonderer Bedeutung, da etwa Eingriffe in Betriebsratswahlen nicht von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden können, sondern nur auf Antrag von Betriebsräten, Gewerkschaften oder Unternehmen.

   "Alles, was bisher bekannt geworden ist, deutet darauf hin, dass hier mit System versucht worden ist, die Betriebsratsarbeit bei Siemens über die AUB unzulässig und gesetzeswidrig zu beeinflussen", so Huber. Die IG Metall prüfe deshalb, ob sie nach Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz Anzeige erstatte. Siemens wollte die Vorwürfen der IG Metall nicht kommentieren.

   Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet zudem dass die Nürnberger Staatsanwaltschaft auch gegen den ehemaligen Finanzvorstand und Aufsichtsratsvorsitzenden Karl-Hermann Baumann ermittelt.

   Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" sollen Siemens-Vorstand Feldmayer, Baumann und weitere Führungskräfte dafür verantwortlich sein, dass Schelsky seit 2001 fast 34 Mio EUR Beraterhonorare erhalten haben soll, ohne angemessene Gegenleistungen zu erbringen. Bislang war hier lediglich von einer Summe von rund 14 Mio EUR die Rede gewesen. Andreas Quentin, Leiter der Justizpressestelle Nürnberg, und Siemens wollten diesen Bericht nicht kommentieren.

   Die AUB hatte am Vortag mitgeteilt, dass Wilhelm Schelsky von seinem Amt als Bundesvorsitzender der AUB zurückgetreten ist und sich die Organisationen "vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Wochen neu ausrichten werde.

   Webseite: http://www.siemens.de

   - Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)69 - 29725 505

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