Neuausrichtung voraus |
08.07.2017 18:19:59
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Nach Börsengang von Delivery Hero: Hat Rocket Internet jetzt sein ganzes Pulver verschossen?
Für den Aktienkurs von Rocket Internet brachte der Börsengang von Delivery Hero allerdings keine positiven Impulse. Möglicherweise auch, weil an der Börse die Zukunft gehandelt wird, und die könnte für den Startup-Inkubator alles andere als einfach werden.
Das Geschäftsmodell von Rocket ist teuer
Das Geschäftsmodell von Rocket Internet war bislang recht simpel: Am Fließband werden Startups gegründet, deren Internationalisierung wird im Rekordtempo vorangetrieben und am Ende steht entweder der Verkauf an einen Investor oder die Fortführung des Geschäftes in Eigenregie. Die Ideen für die zahlreichen Firmen leiht sich Rocket Internet dabei häufig von bereits erfolgreichen Unternehmen - in der Vergangenheit haben sich die Gründer um CEO Oliver Samwer deshalb häufig den Vorwurf des Ideendiebstahls gefallen lassen müssen. Natürlich sollen die Startups, die Rocket Internet unter seinen Fittichen hat, auch über kurz oder lang profitabel werden, zunächst steht für den Startup-Inkubator aber Wachstum im Vordergrund. So sollen Konkurrenten - häufig auch die ursprünglichen und deutlich länger etablierten Ideengeber - aus dem Markt gedrängt werden.
Das Geschäftsmodell hat bereits einige erfolgreiche Startups an den Start gebracht. Als Vorzeigeunternehmen gilt der auch an der Börse erfolgreiche Modehändler Zalando. Seit dem IPO hat sich der Wert der Aktie um knapp 88 Prozent gesteigert. Mit einem Umsatz von 3,6 Milliarden Euro im Jahr 2016 und der mittelfristigen Zielvorgabe, die Erlöse bis 2020 zu verdoppeln, gehört das Unternehmen zu den erfolgreichsten E-Commerce-Riesen hierzulande. Doch beim Ergebnis schwächelt das Unternehmen weiter, auch wenn inzwischen verlässlich schwarze Zahlen vermeldet werden. Damit zeigt sich das Hauptproblem der meisten Beteiligungen von Rocket Internet: Die starken Wachstumsraten, häufig durch massive Investitionen gestützt, gehen auf Kosten der Marge.
Auch bei dem Börsenneuling Delivery Hero ist die Lage ähnlich. Zwar kann der Lieferdienst durchaus überzeugende Wachstumsraten vorweisen, diese sind aber teuer erkauft. Denn der Konzern rund um Chef Niklas Östberg hat in vielen Regionen Wettbewerber übernommen, um zum Marktführer aufzusteigen. In anderen Regionen hat der Konzern angesichts zu starker Konkurrenz ganz die Segel gestrichen. Das kräftige Umsatzwachstum steht insbesondere auf dem deutschen Markt hohen Marketingausgaben gegenüber. Unter dem Strich bleibt das Ergebnis somit rot.
Dennoch lassen sich Zalando und Delivery Hero als Beweis für das funktionierende Geschäftsmodell von Rocket Internet präsentieren, schließlich hat der Großanteilseigner beide Konzerne fit gemacht und dann mit Gewinn Anteile verkauft. Auch für ein anderes Baby aus dem Rocket Internet-Universum lief das Geschäft nach Plan: Erst Ende Juni hat Rocket mit dem Verkauf seiner Restanteile am Online-Händler Lazada an den chinesischen Internetriesen Alibaba ein durchaus lukratives Geschäft abgeschlossen. Die Chinesen zahlen für die verbliebenen 8,8 Prozent an Lazada 243 Millionen Euro. Rocket Internet hatte die in Südostasien aktive Firma vor fünf Jahren gegründet und eigenen Angaben zufolge 18 Millionen Euro investiert. Bereits im vergangenen Jahr hatte Alibaba 137 Millionen Dollar für 9,2 Prozent des Startups bezahlt.
Was kommt nach Zalando & Co.?
Doch inzwischen wird die Luft dünn für Rocket Internet, denn obwohl das Unternehmen mit Westwing und home24 zwei Möbelversandhändler am Start hat, die gern als Vorzeigeunternehmen präsentiert werden, lassen die Wachstumsraten hier inzwischen zu wünschen übrig. Nach dem Börsengang und Teilanteilsverkauf von Delivery Hero geht Rocket Internet langsam das Tafelsilber aus.
Und dabei steht in diesem Jahr noch ein IPO einer Rocket Internet-Beteiligung auf dem Plan: Der Kochboxen-Versender Hello Fresh will ebenfalls an den Kapitalmarkt. Erst Ende Juni hatte sich das Unternehmen einen 60 Millionen Euro-Kredit von einem Konsortium aus Deutsche Bank, JP Morgan, BNP Paribas und der Rabobank gesichert - von Experten als deutliches Indiz für ein baldiges IPO gewertet. Doch sicher ist das nicht, denn die Börsenpläne von Hello Fresh sind nicht neu und sind bereits einmal gescheitert - an Rocket-Chef Oliver Samwer. Dieser soll für die 53-prozentige Rocket-Internet-Beteiligung am Börsenkandidaten eine unrealistische Bewertung eingefordert haben, heißt es.
Nachdem Delivery Hero beim Börsengang erfolgreich war, stehen die Chancen für ein IPO von Hello Fresh noch in diesem Jahr recht gut. Dabei hat das Startup die gleichen Probleme, wie die meisten Beteiligungen von Rocket Internet: Unter dem Strich macht die Firma Verluste. Zusätzlich kommt Gegenwind aus den USA: Während Delivery Hero bei seinem IPO auf erfolgreiche Börsengänge der direkten Konkurrenz an Auslandsbörsen verweisen konnte, sieht es für Hello Fresh in diesem Zusammenhang nicht ganz so rosig aus. Der US-Marktführer Blue Apron hatte mit seinem Ausgabepreis von zehn Dollar weniger eingenommen als erwartet. Inzwischen notiert die Aktie an der Nasdaq sogar unter Ausgabepreis. Und das, obwohl Blue Apron verglichen mit Hello Fresh die besseren Zahlen vorweisen kann. Verluste machen zwar beide Unternehmen unter dem Strich, bei Blue Apron fällt das Minus aber deutlich geringer aus - obwohl Hello Fresh im direkten Vergleich im vergangenen Jahr langsamer gewachsen ist als die US-Amerikaner.
Keine guten Vorzeichen also dafür, dass sich die Erfolgsgeschichte von Zalando und Delivery Hero wiederholen wird. Und ein deutliches Signal an Rocket Internet-Chef Oliver Samwer, sein Geschäftsmodell zu überdenken.
Vom Inkubator zum Wagniskapitalgeber
Tatsächlich hat auch in den Chefetagen von Rocket Internet bereits ein Umdenken stattgefunden. Die ehemalige Gründerfabrik entwickelt sich weg von der reinen Startup-Schmiede hin zum Wagniskapitalgeber. Inzwischen steckt Rocket Internet zweistellige Millionenbeträge in viel versprechende Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz oder autonomes Fahren. "Wir verfolgen einen offeneren Ansatz", erklärte Samwer auf der Berliner "Noah"-Konferenz.
Das Team von Rocket Internet hat nun also eine neue Aufgabe: Statt Startup-Ideen zu kopieren und am Fließband Unternehmen zu gründen, muss der Konzern zukunftsträchtige Startups ausfindig machen und als Kapitalgeber fungieren. Zu diesem Zweck hat Rocket im Jahr 2016 den Rocket Internet Capital Partners Fund (RICP) aufgelegt, der weltweitauf die Jagd nach lohnenswerten Investments gehen soll. Rund ein Jahr später kann Oliver Samwer in diesem Zusammenhang eine Erfolgsnachricht vermelden: In einer ersten Finanzierungsrunde konnte der Fonds von externen Investoren wie Pensionskassen rund 420 Millionen US-Dollar einsammeln. Samwer bezeichnete dies als einen unglaublichen "Vertrauensbeweis in das Rocket-Geschäftsmodell." Der RICP wurde in der Folge mit zusätzlichem Kapital ausgestattet und hat inzwischen mit einer Milliarde Dollar sein maximales Volumen erreicht. Nun sei er "Europas größter Internet-Fonds", hieß es von Rocket zu Jahresbeginn 2017. Mit dem Geld soll in das Wachstum der Rocket-Unternehmen aber auch in aussichtsreiche Startups außerhalb des Rocket-Universums investiert werden.
Das Unternehmen Rocket Internet, wie es vor zehn Jahren an den Start gegangen ist, gibt es so also heute nicht mehr. Das ursprüngliche Geschäftsmodell schwächelt, Rocket hat sich vom Startup-Inkubator zum Wagniskapitalgeber entwickelt. Ob dieser Wandel erfolgversprechend ist, bleibt abzuwarten. Schließlich hat das Unternehmen noch reihenweise Startups unter seinem Dach, die Geld verbrennen, statt verdienen. Die Rocket-Aktionäre wollen hingegen langsam Ergebnisse sehen, schließlich hat die Rocket-Aktie seit dem Börsengang massiv an Wert verloren. Schafft es Oliver Samwer nicht, lohnenswerte Nachfolger für Zalando und Delivery Hero zu finden, könnte es für den Anteilsschein noch weiter abwärts gehen.
Redaktion finanzen.at
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Aktien in diesem Artikel
Alibaba | 80,10 | -1,96% | |
BNP Paribas S.A. | 57,25 | -2,12% | |
Delivery Hero | 38,22 | 3,38% | |
Deutsche Bank AG | 15,56 | -2,99% | |
JPMorgan Chase & Co. | 238,30 | 2,03% | |
Rocket Internet SE | 14,80 | 2,78% | |
Zalando | 29,41 | 6,48% |