Abgestrafter Tesla-Rivale |
26.05.2022 23:43:00
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Kurseinbruch der Rivian-Aktie - Das halten Experten nun von der Aktie
• Wachsender Konkurrenzdruck in Elektroauto-Sektor
• Ford verkauft, George Soros kauft Rivian-Aktien
Rivian feierte am 9. November eine fulminante Börsenpremiere: Der Autohersteller nahm 11,9 Milliarden US-Dollar ein, die Marktkapitalisierung betrug zu diesem Zeitpunkt 77 Milliarden US-Dollar. Einige Tage lang stieg der Aktienkurs unaufhaltsam an und erreichte am 16. November 2022 den bisherigen Rekordwert von 179,47 US-Dollar. Dann folgte ein dramatischer Absturz, derzeit kostet die Rivian-Aktie mit 26,53 US-Dollar nur noch einen Bruchteil ihres einstigen Preises (Stand: 24. Mai 2022). Sind die Papiere des jungen Autobauers inzwischen unterbewertet?
Angebotsengpässe und Inflationsdruck behindern Produktion
Nach Jahren der Vorbereitung wurde am 14. September das erste Elektroauto, der Pick-Up Truck R1T, von Rivians Firmengelände in Normal (Illinois) ausgeliefert. Jedoch hindern Angebotsengpässe, insbesondere von Chips und Rohstoffen wie Lithium, den US-Elektroautohersteller an einer zügigen Produktionsausdehnung. Der Rivian-CEO Robert Scaringe musste aus diesem Grund das Ziel von 50.000 ausgelieferten Autos im aktuellen Jahr um die Hälfte reduzieren. Die Aktionäre reagierten entsetzt auf die Meldung, die Aktie verlor enorm. Im ersten Quartal 2022 wurden nur 1.227 Fahrzeuge ausgeliefert, derzeit könnten 200 Autos pro Woche ausgeliefert werden, so "Investor's Business Daily". Obgleich die Tendenz steigend ist: Diese Zahlen sind noch weit entfernt von den anvisierten 150.000 Autos pro Jahr, die das Hauptwerk in Normal langfristig produzieren soll.
Ein weiterer Kursrücksetzer erfolgte am 16. Mai, als bekannt wurde, dass Rivian den Autositz-Zulieferer Commercial Vehicle Group aufgrund einer Verdoppelung der Preise anklagt - eine Illustration der enormen Schwierigkeiten von Rivian, die nötigen Bestandteile für die Autos geliefert zu bekommen. Um das Lieferkettenmanagement zu verbessern, wurde kürzlich der deutsche Ex-Mercedes-Manager Markus Klein als neuer Rivian-COO verpflichtet.
Keine gute Werbung für Rivian waren zudem die unabgesprochenen, drastischen Preissteigerungen von 17 Prozent für bereits bestellte Autos. Zwar nahm Scaringe wegen eines öffentlichen Aufschreis Anfang März diese Entscheidung zurück, doch seine Pläne zeigten auf, wie wenig profitabel Rivian bei den zuvor angepeilten Listenpreisen ist. Die entsetzten Anleger schickten die Aktie binnen zwei Tagen 25 Prozent abwärts.
Angespannte Konkurrenzsituation
Rivian brachte mit dem R1T zwar den ersten Elektro-Pick-Up der Welt auf den Markt. Doch Rivians First-Mover-Vorteile sind nicht mit denen von Tesla zu vergleichen. Alteingesessene Autounternehmen wie Ford, General Motors oder auch europäische Marken wie Volkswagen und Mercedes-Benz haben die Zeichen der Zeit erkannt und setzen vermehrt auf Elektroautos. Goldman Sachs schätzt, dass bis 2024 alle etablierten US-Autobauer Elektro-Pick-Ups in ihrem Sortiment haben werden. General Motors wird wohl schon Ende dieses Jahres die Auslieferung des Edel-Pick-Ups der Marke Hummer beginnen. Der Vorteil der Traditionskonzerne liegt darin, dass sie dank der Gewinne im Verbrennungsmotor-Bereich die kostenintensiven Elektro-Innovationen gut finanzieren können und somit nicht so hohe Verluste schreiben wie Rivian. Auch Teslas angekündigter Cybertruck dürfte die Konkurrenzsituation weiter verschärfen.Hohes Wachstum weiterhin angepeilt - ist dies realistisch?
Trotz des massiven Abverkaufs im letzten halben Jahr verfügt Rivian immer noch über eine Marktkapitalisierung von fast 25 Milliarden US-Dollar - bei einem Umsatz von lediglich 95 Millionen US-Dollar im ersten Quartal 2022. Zum Vergleich: Ford ist circa 50 Milliarden US-Dollar wert bei einem 2021er-Umsatz von 136,8 Milliarden US-Dollar (Gewinn vor Steuern: ungefähr 17,8 Milliarden US-Dollar). Nur ein rasches Wachstum kann also Rivians Bewertung rechtfertigen.
Was sind die nächsten Schritte des Tesla-Rivalen, um ein solches Wachstum zu erzielen? Allen voran plant Rivian neue Autofabriken, die das Produktionspotenzial nach oben schrauben sollen. Der Bau einer neuen Firma in der Nähe von Atlanta (Georgia) wurde bereits angekündigt, "Reuters" zufolge sollen bis Ende 2024 die ersten Autos aus der Fabrik nahe Atlanta ausgeliefert werden. Zudem plant Rivian den Bau einer Firma in Europa, laut "The Financial Times" ist Sumerset in England hier wohl die erste Wahl.
Ebenfalls vielversprechend ist Rivians Auftrag von Amazon, 100.000 Elektro-Vans bis 2030 auszuliefern. Damit könnte das junge Unternehmen ein großer Vorreiter für Elektro-Lieferwagen werden. Amazon hält mittlerweile 18 Prozent der Rivian-Papiere und ist damit größter Aktionär. Eine langfristige enge Kooperation mit dem Tech-Giganten könnte sich für den jungen Elektroautoproduzenten sehr positiv auswirken, so "Investor's Business Daily".
Ford verkauft Anteile, aber Soros kauft zu
Für einen intensiven Verkaufsdruck sorgte in den vergangenen Wochen Ford, seit Jahren einer der größten Anteilhaber am Elektroauto-Startup. Nach Informationen von "Investor's Business Daily" verkaufte der US-Traditionskonzern am 11. Mai acht Millionen Rivian-Aktien, am 13. Mai folgten weitere sieben Millionen. Durch diese Verkäufe unterschritt der Ford-Anteil an den Rivian-Scheinen die Zehn-Prozent-Marke, ebenfalls gab Ford seien Sitz im Rivian-Aufsichtsrat auf. Schon im November 2021 hatte Ford den Bau eines gemeinsamen Elektroautos mit Rivian auf Eis gelegt. Dennoch bleibe Rivian für Ford "ein strategisches Investment", der Big Player erkunde "weiterhin Wege für eine potenzielle Kooperation mit Rivian", wie Ford-Sprecher Ian Thibodeau gegenüber "Reuters" im Oktober 2021 unterstrich.
Immerhin: Es gibt auch namhafte Rivian-Bullen. Allen voran ist dies der legendäre Hedgefondsmanager George Soros. Bis Ende Dezember 2021 kaufte Soros 20 Millionen Rivian-Aktien im Wert von etwa zwei Milliarden US-Dollar und hielt diese auch noch im ersten Quartal 2022, womit der Starinvestor einer der größten Einzelaktionäre von Rivian ist. Auch der größte Pensionsfonds der Welt, das California Public Employees' Retirement System (CalPERS) erstand zuletzt 305.000 Aktien des Autobauers. Zudem bleibt Scaringe optimistisch: Der CEO kaufte kürzlich ein Rivian-Aktienpaket im Wert von ungefähr einer Million US-Dollar, wie ein Bericht der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC zeigt.
Fazit: Ist Rivian ein Kauf?
Angesichts der unklaren Geschäftsaussichten ist es wenig verwunderlich, dass die Rivian-Kursziele der Analysten äußerst unterschiedlich ausfallen. Ein bekennender Bulle ist Adam Jonas von Morgan Stanley, dessen Kursziel sich auf 147 US-Dollar beläuft. "Rivian ist immer noch das einzige Unternehmen, das es mit Tesla aufnehmen kann," so Jonas. Zwar sei der Weg zu steigender Produktion steinig, aber er glaube, dass die Probleme "lediglich mit dem Angebot und nicht mit der Nachfrage zusammenhängen". Außerdem arbeite Rivian an einer Lösung der Lieferkettenprobleme, indem das Unternehmen eigene Joint Ventures im Rohstoff- und Batteriebereich aufbaut. Der Markt habe zudem den strategischen Wert von Rivians Zusammenarbeit mit Amazon nicht ausreichend eingepreist.
Deutlich weniger optimistisch ist Dan Ives von "Wedbush". Der Analyst stufte sein Kursziel jüngst von 60 auf 30 US-Dollar herunter. Zwar seien die Wachstumschancen weiterhin beträchtlich, aber "damit sich diese realisieren, muss Rivian mit den Auslieferungen an die Kunden anfangen und mit den Entschuldigungen aufhören."
Alles in allem dränge sich ein Kauf der Rivian-Aktie derzeit nicht auf, lautet die Schlussfolgerung von "Investor's Business Daily". Zu ungewiss sei Rivians Zukunft, zu groß die Konkurrenzsituation, zu unzureichend die Liefersituation. Darüber hinaus ist die Underperformance der Aktie abschreckend, die Rivian-Aktie erhält nur 3 von 99 möglichen Punkten bei dem Barometer der relativen Stärke, das die Performance einzelner Aktien mit dem Gesamtmarkt vergleicht. Dennoch dürfe man Rivian nicht abschreiben, der abgestrafte Autohersteller habe weiterhin eine gute Ausgangsposition und könne langfristig vom Mega-Trend Elektromobilität profitieren.
Redaktion finanzen.at
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