28.04.2010 16:27:11

HINTERGRUND: Skepsis gegenüber Aktien wächst - Schuldenkrise belastet

    FRANKFURT (dpa-AFX) - Die jüngsten Schockwellen der Schuldenkrise in Südeuropa treiben die Anleger auch zunehmend aus Aktien. Experten werden angesichts der neuen Hiobsbotschaften zudem skeptischer. So raten zum Beispiel die Analysten der Unicredit "in diesen Zeiten hoher Unsicherheit" dazu, Aktien in den kommenden Monaten unterzugewichten. Der Kurssturz seit Montagabend habe die "klare und präsente Gefahr verdeutlicht, dass die Spannungen innerhalb der Europäischen Währungsunion eskalieren und in eine Glaubwürdigkeitskrise münden könnten."

    Der Dax (DAX) hatte seit dem Handelsende am Montag wegen der Furcht vor Zahlungsausfällen griechischer und auch portugiesischer Staatsanleihen bis zu 300 Punkte oder umgerechnet knapp fünf Prozent verloren. Damit beendete der Leitindex vorerst seinen jüngsten Höhenflug, der ihn Anfang der Woche auf ein 19-Monatshoch getrieben hatte. Am deutlichsten Federn lassen mussten die Finanzwerte.

    So brachen die Titel der Commerzbank um bis zu fast zehn Prozent ein und die der Deutschen Bank (Deutsche Bank) trotz guter eigener Zahlen um bis zu rund sieben Prozent. Im MDAX (MDAX) notierten die Titel der Deutschen Postbank (Deutsche Postbank) und die Anteilsscheine der Aareal Bank ebenfalls deutlich im Minus. Vor der Zinsentscheidung der US-Notenbank jedoch beruhigte sich der Markt wieder. Gute Unternehmenszahlen aus den USA hätten die Anleger wieder etwas positiver gestimmt, hieß es.

    Zwei Mitteilungen der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hatten am Dienstagnachmittag erneut die Ängste vor einer weiteren Zuspitzung der seit Mitte Januar schwelenden Schuldenkrise befeuert. S&P hatte die Kreditwürdigkeit Griechenlands und Portugals erneut abgestuft. Griechische Staatsanleihen notieren damit für diese Agentur nunmehr auf Ramschniveau. Damit wird es für die Griechen Börsianern zufolge jetzt immer schwerer, neues Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen.

    Insofern steige der Druck auf die EU-Staaten, den Hellenen finanziell zur Seite zu springen und ein Übergreifen der Schuldenkrise auf andere Staaten wie Portugal zu verhindern. Falls Griechenland die Hilfen verweigert würde, drohten deutschen Banken Abschreibungen, meinte Analyst Konrad Becker von der Münchener Privatbank Merck Finck mit Blich auf die Verluste der Finanztitel. Die Furcht vor Wertminderungen erklärt Börsianern zufolge auch die relativ großen Abschläge bei den Papieren der Commerzbank.

    Momentan herrscht Börsianern zufolge noch große Unsicherheit darüber, ob Griechenland überhaupt geholfen wird oder nicht. Besorgt äußerte sich etwa Analyst Robert Halver von der Baader Bank: "Die Marktteilnehmer sind völlig verunsichert, da die Zeit für stabilisierende Hilfsmaßnahmen langsam ausläuft". Es herrsche keine Klarheit, vielmehr agierten die Marktteilnehmer im luftleeren Raum. So sei derzeit nicht geklärt, wann die technischen, juristischen und parlamentarischen Voraussetzungen ergriffen würden, um Griechenland unter die Arme zu greifen.

    Hinzu kommt Halver zufolge die Ungewissheit über den Ausgang der Nordrhein-Westfälischen Landtagswahl am Sonntag, den 9. Mai. "Keiner der großen Parteien möchte sich das Etikett des Stabilitäts-Befürworters in der Eurozone umhängen lassen", sagte der Experte. Wünschenswert wäre es ihm zufolge, wenn sich die EU-Staaten bis Freitag schnell auf Hilfen einigen könnten. Denn falls die Probleme auch über das Wochenende anhalten sollten, könnte sich eine neue, negative Dynamik entwickeln.

    Noch drastischere Worte fand Stratege David Buik von BGC Partners: "Solange die Schuldenkrise nicht entschlossen gelöst ist, droht im Herbst ein erneutes Abgleiten in die Rezession." Aktuell raten Anlageexperten erst einmal zur Vorsicht. "Obwohl die mittelfristigen Fundamentaldaten für riskante Investments sprechen, glauben wir, dass auf kurze Sicht die Gefahr einer Korrektur im Aktienmarkt deutlich gestiegen ist", meinte etwa Valentijn van Nieuwenhuijzen, Stratege bei ING Invesment Management. Deshalb habe er bei seinen taktischen Anlageempfehlungen das Risiko weiter reduziert und das Votum sowohl für Aktien als auch für Anleihen von "Übergewichten" auf "Neutral" gesenkt.

    Stefan Angele aber sprach sich gegen eine generelle Ächtung von Aktien aus. Der Leiter des Investment Managements bei Swiss & Global Asset Management empfiehlt vielmehr Investments in ausgewählte europäische Aktien, da viele Unternehmen mit soliden Bilanzen und etablierten Geschäftsmodellen von langfristig niedrigen Leitzinsen profitieren dürften. Insbesondere in den Sektoren Informationstechnologie und Grundstoffe gebe es einige sehr attraktiv bewertete Unternehmen./la/zb/he

    --- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---

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