14.12.2017 11:58:00

Grasser-Prozess - Anwalt: Wir präsentieren Zeugen, Daten, Fakten

Am dritten Tag des Untreueprozesses gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere versuchte heute Grasser-Anwalt Norbert Wess die Anklage der Staatsanwaltschaft zu zerlegen. Mit Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgericht Wien vom April 2017, das die Anklage als Instanz geprüft hatte, ortete er einzelne falsche Zitate und Quellenangaben in der 825 Seiten umfassenden Anklageschrift.

Zur Eröffnung seine ganztägigen Plädoyers unterstellte er den gestrigen Ausführungen der Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine "politische Show", wie er sie in seinen 15 Berufsjahren noch nicht erlebt habe. Er warf der Anklage vor, mit den Schlagwörtern "Geld, Gier, Geheimnisse" zu agieren und meinte dann, die Verteidigung präsentiere "Zeugen, Daten, Fakten".

Er verteidigte die Vorgehensweise seiner Anwaltskollegen, Richterin Marion Hohenecker mit Befangenheitsanträgen einzudecken. Es sei eben die Berufspflicht eines Verteidigers die Rechte der Angeklagten zu wahren. Hier würden schließlich die besten Anwälte für Strafrecht in Österreich im Verhandlungssaal sitzen. "Das sind keine Störgeräusche", so Wess, nachdem genau das gestern die Anklagebehörde behauptet hatte.

Sein Mandant Grasser sei einer "medienrechtlichen Vorverurteilung ausgesetzt gewesen, die seinesgleichen sucht", so Wess Richtung Schöffensenat. Und er ergänzt: "Mein Mandant ist beruflich ruiniert, Operation gelungen, Patient tot." Wess erinnerte an die Hausdurchsuchung bei Grasser, bei der sich Anwalt Manfred Ainedter durch "grinsende" Fotografen und Ermittler kämpfen musste, da die Staatsanwaltschaft die Hausdurchsuchung "angekündigt" habe.

Überraschenderweise nutzte Wess sein Plädoyer heute auch dazu, um auf all die Verfahren hinzuweisen, die gegen Grasser geführt, aber eingestellt worden waren. Dies reicht vom Börsengang der Österreichischen Post, über Vorwürfe im Zusammenhang mit Novomatic und Telekom bis zum Verkauf des Dorotheums. Breiten Raum widmete Wess der Beschäftigung von Lehman Brothers als Investmentbanker bei der Buwog-Privatisierung - was allerdings gar nicht angeklagt und daher kein Teil des Verfahrens ist. Das OLG Wien hatte diesen ursprünglichen Anklagevorwurf eingestellt.

Kritik von Wess gab es einmal mehr an der Sitzordnung im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. "Vielleicht sitzen Sie auch mal hier unten, im Schützengraben", sagte er zu den Schöffen mit Verweis auf die Angeklagten. Die Verteidiger monieren, dass die Angeklagten am tiefsten Punkt des Gerichtssaales sitzen müssten.

(Schluss) stf/gru/sp

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