DAX
Massengeschäft mit Verlusten |
15.09.2018 10:43:00
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10 JAHRE LEHMAN-PLEITE: Zertifikate-Branche steckt in der Nische fest
Das Risiko, dass Zertifikateanbieter in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, wurde Wüst zufolge lange als rein theoretisch wahrgenommen - bis es eintrat. Am 15. September 2008 war es soweit: Seinerzeit musste der Emittent Lehman Brothers Insolvenz anmelden. In der Folge verloren alleine deutsche Investoren erst einmal schätzungsweise bis zu eine Milliarde Euro, weil eine niederländische Tochtergesellschaft der US-Investmentbank ihre Zertifikate-Anleger plötzlich nicht mehr auszahlen konnte. Hiesige Finanzinstitute hatten schätzungsweise knapp 50 000 Anlegern Lehman-Zertifikate verkauft.
Das Geld war erst einmal weg, weil Zertifikate nicht wie Investmentfonds geschützte Sondervermögen sind, sondern Inhaberschuldverschreibungen - wie Anleihen können sie bei Zahlungsunfähigkeit des Emittenten komplett ausfallen. Die Lehman-Geschädigten mussten also über Jahre den mühsamen Weg durch die Gerichtsinstanzen gehen und auf individuelle Teilentschädigungen hoffen.
In den Monaten nach September 2008 traf der Vertrauensverlust der Anleger die Zertifikate-Branche hart: Das Marktvolumen brach hierzulande von 139 Milliarden Euro im September 2007 auf 78 Milliarden Euro im Februar 2009 ein. Nach einer zaghaften Erholung bis Mitte 2011 dümpelt das Marktvolumen aktuell bei knapp 70 Milliarden Euro vor sich hin und liegt damit noch tiefer als in den Monaten unmittelbar nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Zum Vergleich: Allein in offenen Publikumsfonds stecken derzeit in Deutschland gut 1 Billion Euro an Anlegergeldern.
Der jüngste Abschwung ist weniger Ausdruck der Sorge vor einer weiteren Bankenpleite, sondern eine Folge der Niedrigzinsen: Zertifikate bilden die Entwicklung einer Aktie oder eines Index ab, indem sie Absicherungsinstrumente einsetzen. In der Vergangenheit ließen sich damit insbesondere risikoscheue Anleger zum Kauf sogenannter strukturierter Anleihen animieren. Diese schützen das Kapital, indem sie zumindest die Rückzahlung des eingezahlten Geldes zum Laufzeitende garantieren. Hinzu kommen Zinszahlungen in Abhängigkeit von der Entwicklung eines Basiswertes wie etwa des Aktienindex' Dax (DAX 30). Angesichts der seit Jahren ultraniedrigen Zinsen stößt auch die höhere Finanzmathematik der Branche an ihre Grenzen.
Bei Produkten mit Kapitalschutz bleibe derzeit wenig bis gar kein Spielraum, um eine Zusatzrendite zu erwirtschaften, sagte Analyst Harald Berlinicke von der Ratingagentur Scope. So geriet der einstige Verkaufsschlager der Branche immer mehr ins Hintertreffen.
Über die Jahre hinweg gefragt blieben riskantere Anlageprodukte, wie zum Beispiel Discountzertifikate. Mit ihnen kann ein Basiswert zwar mit einem Abschlag (Discount) gekauft werden, allerdings sind die möglichen Kursgewinne begrenzt. "Für Privatanleger bieten insbesondere Discount-Zertifikate eine Möglichkeit zur Portfoliobeimischung, um auch in Seitwärtstrends oder bei leicht fallenden Kursen an den Aktienmärkten eine positive Rendite erzielen zu können", sagte Vermögensverwalter Wüst.
Thilo Stadler, Vermögensverwalter der I.C.M. Independent Capital Management, gab ein Rechenbeispiel: "Ein Discountzertifikat zum richtigen Zeitpunkt gekauft, am besten nach schlechten Börsentagen und damit etwas höherer Volatilität, erlaubt schon mal eine Rendite von gut 4 Prozent bei gleichzeitig etwa 20 Prozent Verlustpuffer."
Verbraucherzentralen warnen nicht grundsätzlich vor Zertifikaten. Allerdings mahnen sie, möglichst keine exotischen Produkte zu kaufen. Ihr Fazit: "Je einfacher die Struktur, desto verständlicher ist ein Zertifikat - und desto fairer ist in der Regel auch der Preis."
FRANKFURT (dpa-AFX)
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