22.09.2015 14:27:47
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UPDATE2/Der Diesel-Skandal kostet Volkswagen die Hälfte des Jahresgewinns
--Volkswagen stellt 6,5 Milliarden Euro zurück
--Konzern spricht von 11 Millionen Fahrzeugen mit betroffener Software
--Aktie bricht am Dienstag um weitere 18,7 Prozent auf 107,50 Euro ein
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Von Hendrik Varnholt
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Skandal um Volkswagens Manipulationen bei der Abgasmessung von Diesel-Fahrzeugen kostet den Autokonzern in diesem Jahr rund die Hälfte seines operativen Gewinns: Wie Volkswagen am Dienstag mitteilte, stellt das Unternehmen noch im dritten Quartal etwa 6,5 Milliarden Euro zurück, um die finanziellen Auswirkungen des Skandals abzudecken. Für das Jahr 2015 hatte der Konzern bislang mit einem operativen Überschuss von bis zu rund 13 Milliarden Euro gerechnet.
Angaben von Volkswagen machten am Dienstag zudem deutlich, dass sich die Diesel-Affäre weit über die USA hinaus ausweiten dürfte. Insgesamt seien rund elf Millionen Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns mit einem Motorentyp ausgestattet, bei dem "eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt" worden sei, teilte das Unternehmen mit. Zuvor war nur bekannt gewesen, dass amerikanische Behörden Volkswagen beschuldigen, in rund 482.000 Autos eine unzulässige Software eingesetzt zu haben.
Nach Volkswagens Gewinnwarnung und den Angaben über die betroffenen Fahrzeuge brach der Kurs der Konzernaktie am Dienstag abermals ein. Der Preis der Papiere lag am frühen Nachmittag 18,7 Prozent im Minus, nachdem sich die Aktien schon am Vortag um 19,3 Prozent verbilligt hatten. Die Krise bei Volkswagen hat damit auch mit Blick auf die Geschichte des Aktienindex Dax historische Ausmaße: Innerhalb von zwei Tagen verlor Volkswagen etwa 26 Milliarden Euro an Börsenwert. Am Dienstag betrug die Marktkapitalisierung des Autoherstellers zunächst nur noch rund 61,5 Milliarden Euro.
Volkswagen hatte die von amerikanischen Behörden aufgedeckten Tricks schon am Sonntag grundsätzlich zugegeben. Eine Software in Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns aktiviert demnach nur in Testsituationen bestimmte Vorrichtungen zur Senkung des Stickoxidausstoßes. Im normalen Verkehr stoßen die betroffenen Autos nach den Behördenangaben bis zu 40-mal so hohe Mengen des Gases aus wie in den USA erlaubt. Volkswagen-Chef Martin Winterkorn entschuldigte sich dafür und versprach eine umfassende Aufklärung - auch durch externe Prüfer.
Am Dienstag sagte Volkswagen zu, "mit Hochdruck" daran zu arbeiten, die Abweichungen zwischen den Motorwerten in Testsituationen und denen unter Realbedingungen "mit technischen Maßnahmen zu beseitigen". Das Unternehmen stehe dazu "derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt". Die aktuell in der EU angebotenen Neuwagen mit Dieselantrieb nach der Norm EU 6 erfüllten "die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen", schrieb der Konzern weiter.
Auf EU-Ebene werden sich "sehr bald" Vertreter der Regulierungsbehörden der Europäischen Union mit den nationalen Behörden treffen, um das Vorgehen im Abgasskandal zu diskutieren, sagte eine Sprecherin der EU am Dienstag. "Wir werden in Kontakt mit den (EU-)Mitgliedsstaaten sein, es wird sehr bald ein Treffen geben, um darüber zu diskutieren, was getan werden kann", sagte die Sprecherin bei einer Pressekonferenz. Sie betonte, dass, auch wenn die EU an der Festsetzung von Emissionsgrenzen für Autos beteiligt sei, die nationalen Behörden für die Umsetzung dieser Grenzen und die damit zusammenhängenden Testverfahren verantwortlich seien. In Italien leitete das Verkehrsministerium unterdessen eine Untersuchung in dem Abgasskandal ein und fordert Informationen sowohl von Volkswagen als auch vom Kraftfahrtbundesamt.
Mit der eigenen Pressemitteilung sorgte Volkswagen am Dienstag bei einigen Beobachtern für zusätzliche Verwirrung. In dem Text heißt es: "Die beanstandete Software beeinflusst weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen. Somit besteht für Kunden und Händler Klarheit." Warum Volkswagen die Software bestimmter Fahrzeuge als "beanstandet" bezeichnet, sie aber dennoch als praktisch ohne Einfluss darstellt, blieb zunächst offen. Für Rückfragen war ein Sprecher des Konzerns nicht sofort zu erreichen.
Der Skandal um die Manipulationen hatte schon am Montag Empörung bei Politikern, Branchenexperten, Umweltverbänden und Investoren ausgelöst. Volkswagens Vorgehen sei mehr "einer Hinterhof-Garage würdig", schimpfte der Analyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI. Der prominente Automobilprofessor und Volkswagen-Kritiker Ferdinand Dudenhöffer forderte den Rücktritt von Konzernchef Winterkorn.
Auf Winterkorn richteten die Beobachter auch am Dienstag ihre Blicke. Die eigentlich schon vor einigen Tagen ausgemachte Vertragsverlängerung des Vorstandschefs soll der Konzernaufsichtsrat am Freitag formell beschließen. Nach Angaben informierter Personen trifft sich schon am Mittwoch allerdings das Präsidium des Kontrollgremiums, um dabei auch über die Reaktionen nach dem Skandal zu beraten. Bislang ist ungeklärt, wer bei Volkswagen eine direkte Verantwortung für die Software-Manipulationen trägt und inwieweit hohe Konzernmanager von den Tricks bei der Abgasprüfung wussten.
Volkswagen dulde "keinerlei Gesetzesverstöße", teilte das Unternehmen am Dienstag lediglich weiter mit. "Oberstes Ziel des Vorstands bleibt es, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von unseren Kunden abzuwenden", heißt es in der Konzernmitteilung weiter. Der VW-Aufsichtsrat Olaf Lies war am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk schon weiter gegangen: Er sei sich sicher, es werde "am Ende auch personelle Konsequenzen geben", sagte er.
Kontakt zum Autor: hendrik.varnholt@wsj.com
Mitarbeit: Ilka Kopplin
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September 22, 2015 07:57 ET (11:57 GMT)
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