Bilanzskandal |
26.08.2020 23:01:00
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Welche Lehren Anleger aus dem Fall Wirecard ziehen können
• Investoren müssen stets ein Mittelmaß …
• … zwischen Vertrauen und Skepsis finden
Die verheerende Ad-hoc-Meldung von Wirecard, die am 18. Juni 2020 um 10:43 Uhr veröffentlicht wurde, zerstörte nicht nur Millionen und Milliarden an Investorengeldern, sondern ging auch mit einem erheblichen Reputationsschaden für den DAX, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die staatliche Aufsichtsbehörden und die gesamte deutsche Wirtschaft einher. Die besagte Mitteilung enthielt nämlich die Nachricht, dass die Abschlussprüfer von Ernst & Young keinen ausreichenden Nachweis für die Existenz eines Wirecard-Treuhandkontos, welches ein Guthaben von insgesamt 1,9 Milliarden Euro aufweisen sollte, finden konnten.
Nachvollziehbare Kritik an den Wirtschaftsprüfern
Das Debakel rund um die einstige DAX-Hoffnung lässt nun Stimmen laut werden, die verlangen, dass die Verschwiegenheitspflicht sowie die Haftungsbeschränkung der Wirtschaftsprüfer überdacht werden muss. Denn solange die Wirtschaftsprüfer nicht genau prüfen, können derartige Betrugsfälle auch nicht aufgeklärt werden und bleiben über Jahre hinweg unentdeckt.
So untersuchten die Wirtschaftsprüfer jahrelang die Bilanzen von Wirecard und übersahen dabei, dass die vom Konzern vorgelegten Zahlen teilweise nicht mit der Realität übereinstimmten. Sollte den Prüfern nun ein Fehler nachgewiesen werden können, ist ihre Haftung dennoch stark begrenzt. Denn laut § 323 im Handelsgesetzbuch ist die Höhe der Haftung bei Fahrlässigkeit auf maximal vier Millionen Euro beschränkt. Nur bei vorsätzlichen Fehlern können höhere Strafen verhängt werden, diese können den Prüfern jedoch nur in den seltensten Fällen tatsächlich nachgewiesen werden.
Fehlende Transparenz als erstes Warnsignal
Viele Experten fordern nun eine höhere Transparenz seitens der Wirtschaftsprüfer bei der öffentlichen Darstellung der eigenen Prüfungssachverhalte, dies ist jedoch häufig nicht im Interesse des geprüften Konzerns. So wurde in den vergangenen Jahren gerade auch Wirecard vorgeworfen, nicht besonders transparent über die einzelnen Geschäftsbereiche bzw. das eigentliche Geschäftsmodell zu berichten. Entsprechend war die Abwicklung von Transaktionsvolumina über externe Treuhandkonten und Acquiring-Partner für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Somit war es für unbeteiligte Personen so gut wie unmöglich zu erkennen, ob der Konzern alle rechtlichen und faktischen Ordnungsmaßnahmen für die Leitung sowie Überwachung der Geschäfte stets einhalten konnte.
Dabei gab es schon im Mai 2008 die ersten kritischen Kommentare in Bezug auf die sehr intransparenten Informationspolitik des Konzerns. So kritisierten anonyme User in einem Internetforum die mangelhaften Veröffentlichungen zu den Geschäftsverläufen. Darüber hinaus wiesen beispielsweise die Fondsmanager der Privatbank Sal. Oppenheim ihre institutionellen Kunden schon frühzeitig darauf hin, dass die Bilanz des Konzerns diverse Unregelmäßigkeiten beherberge.
In den Jahren 2016 und 2017 machten dann weiter Analystenhäuser auf mögliche illegale Praktiken sowie intransparente Bilanzierungspraktiken aufmerksam. Die große Öffentlichkeit wurde jedoch erst durch eine Reihe von Artikeln der britischen Finanzzeitung Financial Times auf den Fall aufmerksam, welche ab Anfang 2019 veröffentlicht wurden.
Mittelmaß zwischen Vertrauen und Skepsis
Das Hauptproblem vieler Anleger im Fall Wirecard war, dass sie die Zeichen der Zeit falsch gedeutet bzw. ignoriert haben und teilweise auch zu gutgläubig waren. Denn die Tatsache, dass die Bilanz des Münchner Zahlungsdienstleisters eine Vielzahl an Unregelmäßigkeiten enthielt, war nicht erst seit den Berichten der Financial Times bekannt. Dennoch gab es für Investoren, die erst in Folge der kritischen Berichterstattung der britischen Zeitung skeptisch wurden, noch genügend Handelstage, um die Aktie bei über 150 Euro abzustoßen.
Schlussendlich sorgte jedoch auch das Wirecard-Management sowie die Aufsichtsbehörde BaFin dafür, dass die Aktionäre, trotz der Vielzahl an kritischen Berichten, immer noch ein gutes Gefühl hatten. So vermittelte die BaFin mit ihrem Leerverkaufsverbot ganz offensichtlich den Eindruck, dass es sich im Fall Wirecard nicht um firmeninternen Betrug, sondern um einen illegal abgesprochenen Leerverkauf handelt.
Aufmerksamkeit schützt vor Verlusten
Der Fall zeigt dabei eindeutig, dass Investoren im Zweifelsfall oft besser ihre Gewinne schon frühzeitig mitnehmen sollten. Denn gerade bei Vorwürfen, die auf Bilanzbetrug und Manipulation hindeuten, kann es zu sehr schnellen und gravierenden Kursrücksetzern kommen.
Darüber hinaus sollten Investoren grundsätzlich nur in Branchen und Unternehmen investieren, deren Geschäftsmodell und deren Wertigkeit sie selbst einschätzen können. Sehr aufmerksamen Investoren ist es so zum Beispiel schon sehr früh aufgefallen, dass Wirecard im Vergleich zu seinen Konkurrenten, ohne erkennbaren Grund oder Mehrwert, vorgeblich sehr hohe Gewinnmargen erzielen konnte. In einem Markt mit fast perfektem Wettbewerb, wie er in der Zahlungsdienstleisterbranche vorherrscht, ist dies jedoch sehr ungewöhnlich.
Defensive Branche bevorzugen
Gerade für unerfahrene Investoren und Börsenneulingen empfiehlt es sich, sofern überhaupt eine Investition in Einzelaktien in Frage kommt, defensive Branchen zu bevorzugen. Da gerade konjunkturunabhängige Branchen und Unternehmen eine viel geringere Volatilität aufweisen. Zu den Klassikern in diesem Bereich gehören beispielsweise Konzerne aus dem Gesundheitsbereich sowie der Lebensmittelindustrie.
Risikostreuung beachten
Der wohl beste Schutz vor einem betrügerischen Konzern ist jedoch die Diversifikation. Denn gerade Investoren, die nur rund fünf Prozent ihres Anlagekapitals in Wirecard-Aktien investiert hatten, konnten das Debakel mit einem blauen Auge überstehen. Eine breite Diversifikation des eigenen Portfolios schützt dabei nicht nur vor Betrug, sondern natürlich auch vor unternehmensspezifischen Problemen, die häufig mit einer hohen Volatilität einhergehen.
Anleger, die ihr Kapital gleichmäßig auf beispielsweise zehn oder 20 Aktien aufteilen, können somit stets sicher sein, dass sie selbst bei einem möglichen Totalverlust nur fünf bis maximal zehn Prozent ihres Depotwertes verlieren.
Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.at
Dieser Text dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Anlageempfehlung dar. Die finanzen.net GmbH schließt jegliche Regressansprüche aus.
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