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18.11.2012 16:12:31

Volkswirte uneins über zweiten griechischen Schuldenschnitt

   Von Stefanie Haxel

   Während die Griechen am Wochenende der blutigen Studentenrevolte 1973 gegen die damalige griechische Militärdiktatur gedenken, diskutiert der Rest Europas über einen zweiten Schuldenschnitt für das Land. Der Internationale Währungsfonds (IWF), der zu Wochenbeginn einen Verzicht der öffentlichen Geldgeber auf einen Teil ihrer Forderungen propagiert hatte, erhält Schützenhilfe von führenden Ökonomen in Deutschland.

   Als "unausweichlich" bezeichnete der Oxford-Ökonom und künftige Präsident des Mannheimer Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, laut der Welt am Sonntag diesen Schritt.

   Dieser sei alternativlos, sagte auch der Würzburger Wirtschaftsweise Peter Bofinger. "Das ist wie bei einem Privathaushalt, der sich übernommen hat. Ohne einen solchen Schnitt wird das Land nicht wieder auf die Beine kommen," sagte Bofinger der Zeitung. Und Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), warnte vor weiterer Depression und Elend in Griechenland.

   Durch die Einbeziehung öffentlicher Gläubiger wäre zum ersten Mal auch der Steuerzahler tatsächlich Geld verlieren. Ein solcher Aderlass dürfte in Deutschland so kurz vor den nächsten Wahlen politisch nicht sehr opportun sein, warnte der frühere Wirtschaftsweise und Regensburger Finanzwissenschaftler Wolfgang Wiegard. Bofinger bezeichnete dies allerdings als "definitiv das kleinere Übel", da Griechenland "ansonsten über viele Jahre hinweg am EU-Tropf hängen" werde.

   Dennoch teilen nicht alle deutschen Wirtschaftsexperten diese Einschätzung. Der Schuldendruck auf Griechenland sollte besser aufrechterhalten werden, sagte etwa der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, laut der Nachrichtenagentur dapd im Südwestrundfunk. Würden die Schulden gesenkt, bedürfe es aus griechischer Sicht weniger Anstrengungen, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und die Strukturen zu reformieren - und andere Länder wie Portugal, Spanien oder Italien könnten dann ebenfalls den einfacheren Weg wählen, warnte er.

   Auch die anderen von der Welt am Sonntag zitierten Experten räumen ein, dass ein Schuldenschnitt Risiken birgt. So könnten Investoren ähnliche Maßnahmen auch bei anderen Ländern befürchten und diesen in der Folge kein Geld mehr leihen. Auch wisse niemand, wie hoch ein solcher Cut ausfallen müsse.

   Die Europäische Union, die gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und dem IWF die so genannte Troika der Geldgeber für Griechenland bildet, lehnt einen weiteren Schuldenschnitt unter Beteiligung öffentlicher Gläubiger bislang ab. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, warf am Freitag jedoch die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre, einen für den Kapitalmarktzugang nötigen Schuldenschnitt im Gegenzug für Reformen in Aussicht zu stellen.

   Laut Informationen des Spiegel soll auch die EZB künftig stärker bei der Rettung Griechenlands eingebunden werden. Das Land finanziert sich nicht zuletzt über sehr kurzfristige Schuldverschreibungen, sogenannte T-Bills. Das sind Anleihen mit drei bis sechs Monaten Laufzeit, die Griechenland in den vergangenen Monaten als Zwischenfinanzierung bis zur Auszahlung der nächsten Tranche aus dem Griechenland-Hilfspaket eingesetzt hat.

   Griechenland soll mehr Geld von der EZB erhalten

   Derzeit darf die Athener Regierung diese Papiere bis zu einem Volumen von 18 Milliarden Euro herausgeben. Gekauft werden sie meist von den griechischen Banken - die sich fast ausschließlich über Notenbank-Hilfen finanzieren. Deshalb sollte die Höchstgrenze eigentlich auf 12 Milliarden Euro sinken. Nun werde diskutiert, weiterhin die ursprüngliche Summe von 18 Milliarden Euro zu akzeptieren, schreibt Der Spiegel ohne Angabe von Quellen.

   Weitere 7 Milliarden Euro soll die EZB dem Bericht zufolge direkt beisteuern. Diese hat griechische Staatsanleihen im Nominalwert von 45 Milliarden Euro gekauft, dafür aber weniger bezahlt. Dadurch entsteht ihr am Ende der Laufzeit ein Gewinn - und der soll, ginge es nach Deutschland, bereits heute fest eingeplant werden, so das Magazin ohne weitere Details zu nennen.

   Bei dem ersten Schuldenschnitt im März hatten private Gläubiger wie Banken, Versicherungen und Fonds freiwillig auf Forderungen verzichtet, um den griechischen Schuldenberg zu verringern. Sie verzichteten auf etwas mehr als die Hälfte des Nennwerts ihrer griechischen Staatsanleihen und bekamen für den Rest neue Papiere mit Laufzeiten von bis zu 20 Jahren. Ein Teil davon wird vom europäischen Rettungsschirm EFSF garantiert. Insgesamt wurden Anleihen über 172 Milliarden Euro zum Tausch angeboten.

   Bis Freitag musste Griechenland zudem Schulden über 5 Milliarden Euro bedienen. Ob diese vollständig bedient getilgt wurden, ist bislang noch nicht offiziell bekannt.

   Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

   DJG/sha

   (Mehr zu diesem Thema und weitere Berichte und Analysen zu aktuellen Wirtschafts- und Finanzthemen finden Sie auf www.WSJ.de, dem deutschsprachigen Online-Angebot des Wall Street Journal.)

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