18.04.2013 14:29:30
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UPDATE: Konjunkturforscher glauben an Aufschwung in Deutschland
--Institute sehen in Frühjahrsgutachten 1,9 Prozent Wachstum 2014
--IWH-Chefökonom: Konjunktur in Deutschland ist aufwärts gerichtet
--Regierung stellt nächste Woche eigene Prognose
(NEU: Aussagen von Pressekonferenz, Reaktionen, Hintergrund)
Von Hans Bentzien und Andreas Kißler
BERLIN--Führende Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen damit, dass sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland im laufenden und im kommenden Jahr verstärken wird. Dazu werden ihrer Ansicht nach sowohl Konsum als auch Investitionen beitragen, nicht aber die Exporte. "Die Konjunktur in Deutschland ist im Frühjahr 2013 wieder aufwärts gerichtet," sagte der Chefvolkswirt des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller.
In ihrem aktuellen Frühjahrsgutachten prognostizieren die Institute einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8 Prozent. Für 2014 wird ein Zuwachs von 1,9 Prozent erwartet. 2012 war das BIP um 0,7 Prozent gestiegen. "Die Institute rechnen damit, dass die deutsche Konjunktur im Verlauf dieses Jahres Fahrt aufnimmt", sagte Holtemöller bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Die Konjunkturforscher, die in ihrem Herbstgutachten 2012 ein Wachstum von 1,0 Prozent für 2013 vorausgesagt hatten, sind mit ihrer neuen Prognose noch deutlich optimistischer als die so genannten Wirtschaftsweisen und die Deutsche Bundesbank, die für 2013 Wachstumsraten von nur 0,3 beziehungsweise 0,4 Prozent prognostizieren. Allerdings basierten diese beiden Prognosen noch auf den schwachen Daten des vierten Quartals 2012. Der Anstieg der Frühindikatoren hat sich seitdem fortgesetzt, wurde aber noch nicht voll von den "harten" Konjunkturindikatoren bestätigt. Im März gingen ifo-Geschäftsklima und Einkaufsmanagerindizes sogar wieder zurück.
Die Prognose der Ökonomen könnte trotzdem ein Fingerzeig auf eine Erhöhung der Projektion der Bundesregierung sein, die am Donnerstag kommender Woche ansteht. Bisher erwartet das Kabinett für dieses Jahr offiziell 0,4 Prozent und für nächstes 1,6 Prozent mehr Wachstum.
"Es gibt allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu schauen", erklärte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nach Bekanntgabe des Frühjahrsgutachtens in Berlin. Die deutsche Wirtschaft überwinde ihre Schwächephase. "Es geht wieder aufwärts", hob er hervor. Allerdings wiesen die Institute zurecht darauf hin, dass wichtige politische Weichenstellungen noch anstünden. In den EU-Staaten müssten weiter Strukturreformen erfolgen, und Deutschland müsse trotz einer verbesserten Haushaltslage weiter konsolidieren, forderte der Wirtschaftsminister.
Der SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil forderte hingegen eine neue Wirtschaftspolitik in Deutschland. "Trotz aller Erfolge leben wir in Deutschland von der Substanz", beklagte er. Private und öffentliche Zukunftsinvestitionen seien in vielen Bereichen rückläufig, und die Infrastruktur drohe zu verkommen. "Es ist Zeit für eine Wirtschaftspolitik, die entschlossen anpackt, um langfristig Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern", meinte Heil. Die SPD werde die Weichen hierfür nach der Wahl stellen.
Gleichwohl halten die Institute sogar ein noch stärkeres Wachstum für möglich: "Die Rahmenbedingungen für die Konjunktur sind in Deutschland seit einiger Zeit so anregend, dass der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts sogar etwas höher ausfallen könnte als hier beschrieben. In diese Richtung deutet auch die Verbesserung der Stimmungsindikatoren seit dem vergangenen Herbst hin", heißt es in dem Gutachten.
Allerdings sehen die Institute sowohl kurz- als auch langfristig erhebliche Risiken für die deutsche Konjunktur. Dazu zählt kurzfristig der Rückgang der Frühindikatoren im März und langfristig die Euro-Krise: "Eine tatkräftige Fortsetzung und der Erfolg der Reformbemühungen in den Krisenländern sind immer noch nicht gesichert. Sollte es zu einer merklichen Verlangsamung oder gar einem Scheitern der strukturellen Anpassungsprozesse in den Krisenstaaten des Euroraums kommen, so ist mit einem spürbaren Rückgang des Vertrauens zu rechnen, der auch die Konjunktur schwer belasten würde", warnen die Experten.
Holtemöller sagte, Irritationen im Zusammenhang mit der Wahl in Italien und der Bankenkrise in Zypern zeigten, dass weiterhin das Risiko einer erneuten Zuspitzung der Krise bestehe - wenn auch in vermindertem Ausmaß.
Die Lage der öffentlichen Finanzen ist nach Aussage der Institute relativ gut, wenn auch nicht so gut, wie es auf den ersten Blick aussieht, denn die gegenwärtige "Übererfüllung" der Schuldenbremse beruht nach ihrer Aussage auch auf Faktoren, die nicht nachhaltig wirken: "Wichtige Faktoren waren die niedrigen Zinsen und die kalte Progression. Zum anderen ist schon heute abzusehen, dass die Alterung der Bevölkerung die öffentlichen Finanzen vor große Herausforderungen stellen wird", merken die Experten an. Die aus der kalten Progression erzielten Mehreinnahmen würden zum Teil verwendet, um Staatskonsum und Subventionen aufzustocken.
Kritisch äußern sich die Institute zu den Themen flächendeckender Mindestlohn und Energiewende. Bei der Diskussion über einen Mindestlohn muss ihrer Ansicht nach deutlicher darauf hingewiesen werden, dass der angestrebte Umverteilungseffekt tendenziell zu Lasten einer effizienten Allokation von Ressourcen gehen würde.
Die Energiewende wird ihrer Einschätzung nach Auswirkungen auf das Produktionspotenzial haben. "Sie führt zu einer Veränderung relativer Preise und einer Abschreibung von Teilen des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks. Gerade letzteres findet in der öffentlichen Debatte zu wenig Beachtung", meinen die Institute.
Aus wirtschaftspolitischer Sicht entscheidend wird ihrer Ansicht nach sein, wie die europäische Bankenunion gestaltet wird. Dabei sollte "die Frage im Vordergrund stehen, wie zukünftig ein stabileres Bankensystem geschaffen werden kann, und nicht, wie die aus der aktuellen Krise entstehenden Lasten verteilt werden". Eigentümer und Gläubiger müssten im Krisenfall Verluste tragen, bevor Steuerzahler Schlimmeres verhindern sollten.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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April 18, 2013 07:58 ET (11:58 GMT)
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