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27.06.2015 16:57:46

UPDATE/Euro-Finanzminister reden über "Plan B" für Griechenland

-1 of 2- 27 Jun 2015 14:23:00 UTC  DJ UPDATE/Euro-Finanzminister reden über "Plan B" für Griechenland

   -- Eurogruppe berät über weiteres Vorgehen in Brüssel

   -- Dijsselbloem sieht die Tür für Verhandlungen geschlossen

   -- Finanzminister verärgert über geplantes Referendum

   (durchgehende neu)

   Von Andreas Kißler

   BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Mit Sorge und Verärgerung haben viele Finanzminister der Eurozone auf den griechischen Plan reagiert, bei einer Einigung im Schuldenstreit ein Referendum über die Ergebnisse abzuhalten. Sie diskutieren nun bei einem Sondertreffen in Brüssel über das weitere Vorgehen.

   Die Finanzminister der Eurozone wollten bei ihrem Treffen am Samstag Alternativen zu weiteren Rettungsgeldern für Griechenland diskutieren, um wirtschaftliches Chaos zu verhindern, sagten an den Gesprächen beteiligte Personen vorher. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte kurz nach Mitternacht überraschend angekündigt, am 5. Juli eine Volksabstimmung über das von den Gläubigern angebotene Rettungspaket abhalten zu wollen.

   Der erste Schritt der von den Griechenland-Gläubigern allgemein als "Plan B" bezeichneten Alternativen wäre vermutlich die Einführung von Kapitalkontrollen, um einen Sturm auf die Banken des Landes zu vermeiden, sagten mit der Sache vertraute Personen. In Athen haben sich inzwischen lange Schlangen vor den Geldautomaten gebildet. Die Konten werden aus Sorge um die Stabilität des Finanzsystems abgeräumt. Einige Geldautomaten wurden am Samstag vollständig geleert.

   Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wich der Frage nach einem "Plan B" für den Fall einer Nicht-Einigung bei seinem Eintreffen zu der Sitzung in Brüssel zwar aus. "Was heißt Plan B - wir müssen über die Lage reden, wie sie ist", forderte er. Griechenland habe den Verhandlungstisch verlassen. "Damit sind wir in einer Lage, dass am Dienstag das Programm endet, weil es ja gar keine Verhandlungen mehr über irgend etwas anderes gibt."

   Tsipras habe die Verhandlungen offenbar für beendet erklärt, "sodass wir jetzt ja keine Grundlage mehr haben für weitere Verhandlungen". Vor der Sitzung in Brüssel, bei der die Euro-Finanzminister eigentlich erneut über eine Lösung der griechischen Schuldenkrise beraten wollten, zeigte sich Schäuble ratlos. "Keiner meiner Kollegen, mit denen ich vorab gesprochen habe, sieht irgendeine Möglichkeit, was wir jetzt noch machen können."

   Dijsselbloem sieht die Tür für Verhandlungen geschlossen

   Sein finnischer Amtskollege Alexander Stubb legte sich hingegen fest: "Plan B löst sich nun schnell auf und wird Plan A," sagte er voraus. Eine "klare Mehrheit" der Euro-Finanzminister sei der Ansicht, dass eine Verlängerung des zum Monatsende auslaufenden griechischen Hilfsprogramm nicht in Frage komme.

   Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem zeigte sich "negativ überrascht" über die Athener Entscheidung. Dies sei eine "traurige Entscheidung" für Griechenland, denn sie habe "die Tür geschlossen" für weitere Verhandlungen. Nun werde die Eurogruppe hören, was die griechische Regierung zu sagen hat, "und dann über die Konsequenzen reden". Auch andere Finanzminister wie die aus Spanien, Belgien oder Österreich äußerten sich irritiert über die Referendumspläne.

   Andere Spitzenvertreter zeigten zumindest etwas Optimismus. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte, man wolle Griechenland weiter in der Eurozone halten. Dort sei weiter Athens Platz. "Eine Einigung ist nicht außer Reichweite", betonte er. "Wo ein Wille ist, ist ein Weg", sagte er. Die griechische Regierung müsse aber "ihren eigenen Willen beweisen".

   Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, mahnte eine Einigung an, die ausgewogen sei zwischen Strukturreformen und Konsolidierung einerseits und Finanzhilfe andererseits. "Wir werden weiter arbeiten", kündigte die Französin immerhin an.

   Vieles von dem, was nun passiert, hängt auch von der Reaktion der EZB ab. Die Europäische Zentralbank (EZB) will angesichts dieser Lage nun laut einem griechischen Offiziellen der Bank am Sonntag eine Telefonkonferenz zu Griechenland abhalten, und Athens Vizepremier Yannis Dragasakis will in Frankfurt EZB-Präsident Mario Draghi treffen. Höchstwahrscheinlich wird er bei diesem eine Fortsetzung der ELA-Notkredite erbitten, mit denen die Zentralbank das griechische Finanzsystem bislang über Wasser hält.

   Gabriel hält Referendum grundsätzlich für sinnvoll

   Die ersten Reaktionen anderer hochrangiger deutscher Politiker auf den griechischen Plan fielen unterschiedlich aus. Während von der SPD und den Grünen vorsichtige Unterstützung dafür angedeutet wurde, schien der Widerstand in den Reihen der Union zu wachsen. Dabei schälte sich aber heraus, dass die Große Koalition kein Referendum tolerieren dürfte, das unter der Prämisse einer Ablehnung der geplanten Maßnahmen durch die griechische Regierung durchgeführt würde.

   Der zweithöchste Vertreter der Großen Koalition, Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), hielt eine Volksabstimmung in Griechenland über das von den Gläubigern angebotene Rettungspaket grundsätzlich für sinnvoll. "Ich glaube, wir wären klug beraten, jetzt diesen Vorschlag von Herrn Tsipras nicht einfach so beiseite zu tun und zu sagen, das ist ein Trick", sagte er im Deutschlandfunk.

   Doch der SPD-Vorsitzende machte eine positive Haltung der Regierung Tsipras ebenso zur Bedingung wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der in der Welt am Sonntag verlangte, dass sich Tsipras vor einem Referendum "klar innerhalb seiner Regierung und der griechischen Öffentlichkeit für den Kompromiss positioniert".

   Die Gläubiger Griechenlands hatten Athen in den Verhandlungen eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms bis November angeboten, wie aus Planungsunterlagen der Institutionen hervorgeht, in die Dow Jones Newswires Einblick hatte. Griechenland könne aber die damit verbundenen Vorschläge der Gläubiger-Institutionen für Reform- und Sparmaßnahmen nicht hinnehmen, war aus Regierungskreisen in Athen betont worden.

   In dem Vorschlag bieten die Gläubiger - EU-Kommission, EZB und IWF - der Regierung bis Ende November insgesamt Finanzhilfen über 15,5 Milliarden Euro an: zwölf Milliarden Euro vom europäischen Rettungsfonds EFSF und aus der Übertragung von Zentralbankgewinnen und voraussichtlich 3,5 Milliarden vom IWF. In den Planungen ist zudem die Annahme enthalten, dass Griechenland danach ein weiteres Hilfsprogramm erhalten soll, zusätzlich zu den 245 Milliarden Euro an Mitteln, die Athen bereits zugesagt wurden.

   Am 30. Juni wird ein Kredit des IWF über rund 1,5 Milliarden Euro fällig. Die Griechen bräuchten daher dringend die verbliebenen 7,2 Milliarden Euro aus dem bereits zwei Mal verlängerten Hilfsprogramm, das zeitgleich Ende Juni ausläuft. Die Kreditgeber stellen aber Forderungen, die Athen für die Auszahlung der letzten Tranche aus dem zweiten Hilfspaket erfüllen muss. Über die Bedingungen streiten Athen und seine Financiers inzwischen seit Monaten.

   Zeit für den Bundestag wird immer knapper

   Die Gläubiger bestehen in den Verhandlungen unter anderem darauf, Unternehmen nicht so hoch zu besteuern wie von der griechischen Regierung geplant. Sie wollen zudem eine Verdoppelung der vorgeschlagenen Kürzungen bei den Verteidigungsausgaben auf 400 Millionen Euro und eine Kürzung der Renten anstatt nur einer Anhebung des Eintrittsalters. In den Papieren wird dies erneut dokumentiert. Eine von Tsipras geplante Sondergewinnsteuer für Unternehmen, die 2014 mehr als 500.000 Euro Gewinn machten, lehnen sie ganz ab.

   Wegen der knappen Zeit richtet sich inzwischen auch zunehmend der Blick auf die Rolle des Bundestags in dem Verfahren. Die Spitzen der Bundestagsfraktionen der Koalition hielten es bisher zwar für "theoretisch möglich", im Falle einer Einigung mit Griechenland im Bundestag am Beginn der nächsten Woche abzustimmen. Die Ankündigung des Referendums hat allerdings den Widerstand bei einigen Parlamentariern wachsen lassen. Andere kritisierten die Verhandler.

   Der Grünen-Finanzsprecher Gerhard Schick sagte Dow Jones Newswires, es sei zwar "natürlich ein Problem", dass heute noch nicht abzusehen sei, was dem Bundestag am Dienstag vorliegen werde. "Aber zur Not muss der Bundestag auch sehr kurzfristig entscheiden." Schick kritisierte aber die politisch Verantwortlichen bei den Gläubigern scharf. "Die Ankündigung eines Referendums ist die Antwort auf die 'friss oder stirb'-Ansage der Gläubiger", monierte er.

   Der Unions-Budgetexperte Eckhardt Rehberg (CDU) sagte Dow Jones Newswires, ihm sei "schleierhaft, wie ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages & eine Programmverlängerung erfolgen soll". Das laufende zweite Programm gehe nur bis zum 30. Juni, und vor allem für die Notkredite sei ein laufendes Programm die Voraussetzung. "Wenn das nicht verlängert wird, dürfte es auch keine ELA-Kredite mehr von der EZB geben." Mit Tsipras' Verhalten sah Rehberg "die Grenze des Erträglichen erreicht".

   Auch der Vorsitzende des Bundestags-Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU), äußerte harte Kritik an Tsipras und dem Referendum. "Das bedeutet, dass wir als deutscher Bundestag keinerlei Grundlage haben, weder für die Freigabe der letzten Tranche noch für eine Verlängerung", sagte er. "Weder das eine noch das andere kann vom deutschen Bundestag nach meinem Dafürhalten entschieden werden."

   Er sah deshalb "keine andere Möglichkeit" als ein Ausscheiden Athens aus dem Euro.

   Mitarbeit: Gabriele Steinhauser, Andrea Thomas und Stelios Bouras

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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