10.05.2017 14:54:59
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UPDATE/Aktionäre kritisieren Linde-Führung wegen Praxair-Fusion massiv
--Aktionärsvertreter üben wegen Praxair-Fusion massive Kritik an Linde-Führung
--Linde-Chef Belloni will Fusionsvereinbarung bis Ende Juni abschließen
--DSW verlangt Abstimmung der Aktionäre zu dieser Fusionsvereinbarung
(NEU: Weitgehend neu)
Von Olaf Ridder
FRANKFURT (Dow Jones)--Aktionäre des Gasekonzerns Linde haben auf der Hauptversammlung in München teils massive Kritik am Vorgehen des Managements bei der geplanten Fusion mit dem US-Wettbewerber Praxair geäußert. Bemängelt wurden unter anderem die unzureichende Kommunikation und dass die Aktionäre über das 60 Milliarden Euro schwere Projekt nicht abstimmen dürfen.
Besonders richtete sich die Kritik gegen Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle. Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment warf Reitzle "gravierende Defizite bei der Corporate Governance und bei der Kapitalmarktinformation vor". Linde sei durch den Abgang von Finanzvorstand und Vorstandschef im vergangenen Herbst in ein "beispielloses Führungschaos" gestürzt worden. Er kündigte an, Aufsichtsrat und Vorstand die Entlastung zu verweigern.
Linde-Chef Aldo Belloni hatte zuvor für das Vorhaben geworben. "Diese Fusion würde Wert schaffen", insbesondere für die Aktionäre, versprach er. "Das gemeinsame Unternehmen hätte hervorragende Positionen in allen Schlüsselregionen und Endmärkten." Ein Zusammenschluss mit Praxair wäre "hochgradig komplementär, synergiestark und deshalb die ideale Grundlage für nachhaltiges, profitables Wachstum".
An der industriellen Logik der Fusion herrschen jedoch wenig Zweifel. Nach der Übernahme von Airgas durch Air Liquide sei für Linde eine Rückkehr an die Spitze aus eigener Kraft nicht mehr möglich, sagte Hendrik Schmidt von Deutsche Asset Management (DAM). Er kritisierte jedoch, dass die Linde-Aktionäre ihre Anteilsscheine nur verkaufen oder in die geplante Holding einbringen könnten, nicht jedoch über den Fusionsvertrag abstimmen dürften.
Ein entsprechender Antrag der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hatte es bereits im Vorfeld nicht auf die Tagesordnung geschafft. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, hatte es zur Begründung geheißen. Belloni widersprach in seiner Rede der Einschätzung, Linde beschneide Aktionärsrechte, wenn die Hauptversammlung nicht über Praxair entscheiden dürfe.
Weil auf Seiten von Linde eine Annahmequote von 75 Prozent nötig sei, damit die Fusion zustande komme, sei gesichert, dass "sie von der weit überwiegenden Mehrheit der Linde-Aktionäre mitgetragen wird", sagte Belloni.
DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt hielt dagegen. "Wir glauben, dass die Verlagerung der Abstimmung auf die finanzielle Entscheidung eines Aktionärs eine gesellschaftsrechtliche Abstimmung nicht ersetzt", sagte sie. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei ein Vorstand verpflichtet, die Aktionäre abstimmen zu lassen, wenn sein Vorgehen das Unternehmen weitreichend verändere. Im Fall Linde-Praxair sei das der Fall.
Konkret liefe die Forderung der DSW darauf hinaus, dass Linde eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen müsste, wenn die konkrete Fusionsvereinbarung vorliegt. Die DSW behält sich vor, gegen den Vertrag zu klagen, wie Bergdolt sagte.
Ursprünglich wollte die Linde-Führung den Fahrplan zur Fusion, das sogenannte Business Combination Agreement, schon auf der Hauptversammlung vorstellen. Wegen komplizierter juristischer Details haben sich die Verhandlungen aber verzögert. Belloni sagte, er erwarte, die Vereinbarung in den nächsten Wochen abschließen zu können, spätestens bis Ende Juni. Anschließend würden die Aktionäre über die Details informiert. Die Fusion selbst soll im nächsten Jahr abgeschlossen werden.
Auch unter den Beschäftigten des Konzerns selbst ist die Fusion umstritten. 2.500 Beschäftigte an 30 Standorten haben Ende April gegen die Fusionspläne demonstriert. Im Linde-Aufsichtsrat droht deshalb eine Pattsituation mit den Arbeitnehmervertretern. Der langjährige Linde-Chef Wolfgang Reitzle hat als Vorsitzender des Gremiums schon angedroht, sein Doppelstimmrecht auszuüben - ein Vorgehen, dass DAM-Vertreter Schmidt als "unangebracht" bezeichnete.
Wohl auch mit Blick auf die Arbeitnehmerseite wies Konzernchef Belloni, der im vergangenen Jahr nach dem Ausscheiden von Wolfgang Büchele, aus dem Ruhestand zurückgeholt worden war, auf die Zusicherung hin, dass für den Fall einer Fusion bis Ende 2021 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. "Ich kann Ihnen versichern, der geplante Zusammenschluss hat auch in der Linde-Belegschaft einen großen Rückhalt", sagte Belloni.
Linde und Praxair wollen im Zuge der Fusion eine Holding bilden, nach Medienberichten mit Sitz in Dublin, deren Aktien sowohl in Frankfurt als auch in New York notiert sein sollen. Eine Aufnahme der Aktien in den Dax und den S&P 500 wird nach Bellonis Worten angestrebt. Über das Umtauschverhältnis soll sichergestellt werden, dass die Holding am Ende je zur Hälfte den Aktionären von Linde und Praxair gehört.
Einzelne Aktionäre äußerten sich dennoch skeptisch, dass es wie versprochen eine Fusion unter Gleichen werde. DSW-Vertreterin Bergdolt äußerte den Eindruck, dass Linde unter Wert verkauft werden könnte. Sie habe das Gefühl, "dass man zu hohen Zugeständnissen bereit ist, nur um diese Fusion durchzubringen". Und Union-Vertreter Speich sagte an die Adresse von Aufsichtsratschef Reitzle, es gehe darum "Linde konstruktiv nach vorne zu bringen, nicht sich selbst ein Denkmal zu setzen".
Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com
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May 10, 2017 08:23 ET (12:23 GMT)
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