07.11.2013 16:12:31
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Steuerschätzer bremsen Spendierfreude der Politiker
Von Andreas Kißler
BERLIN--Die Steuerschätzer sagen für die nächsten Jahre nur geringe Zuwächse der Einnahmen voraus. In diesem Jahr können Bund, Länder und Gemeinden mit 5,3 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen rechnen als bisher. Zu diesem Ergebnis ist der Arbeitskreis Steuerschätzung gekommen, der seit Dienstag in Bremerhaven die neuen Zahlen errechnet hat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte aber mit Blick auf die laufenden Koalitionsgespräche klar, dass die Spielräume für zusätzliche Ausgaben "begrenzt" blieben.
"Neue finanzpolitische Spielräume hat uns die Steuerschätzung nicht geliefert", sagte Schäuble und nannte die Steigerung "moderat". Die Schätzung bestätige aber, dass das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalts im kommenden Jahr "greifbar nah" sei. "Diese Chance müssen wir jetzt beherzt ergreifen." Sie dürfe nicht durch falsche Ausgabeentscheidungen gefährdet werden.
Der Finanzminister hatte schon im Vorfeld Hoffnungen auf zusätzliche Mittel gedämpft, die bei den laufenden Koalitionsverhandlungen verteilt werden.
Auch Unions-Chefhaushälter Norbert Barthle forderte bereits eine strenge Ausgabendisziplin. "Um im kommenden Jahr einen strukturell ausgeglichen Haushalt und 2015 die 'schwarze Null' zu erreichen, brauchen wir keine Steuererhöhungen, sondern müssen bei den Ausgaben weiterhin strikte Diät halten", mahnte der CDU-Politiker. "Ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden darf nicht nur in der Finanzplanung stehen, sondern muss ab 2015 Wirklichkeit werden." Barthle plädierte deshalb für die Aufnahme von 'Goldenen Regeln' im Koalitionsvertrag, die das Ausgabenwachstum begrenzen.
Auch der Wirtschaftsrat der CDU verlangte, das Ausgabenwachstum müsse stark begrenzt werden. Für "Ausgaben-Fantastereien wie aktuell in den Koalitionsverhandlungen" bestünden keine Haushaltsspielräume, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger.
Die Steuereinnahmen des Bundes allein werden von den Experten nur um 1,3 Milliarden Euro höher gesehen als bei der vorangegangenen Schätzung im Mai.
Insgesamt sollen die Steuereinnahmen nach der neuen Berechnung nun 2013 gegenüber dem Vorjahr um 3,4 Prozent auf 620,5 Milliarden Euro steigen. Im Mai hatten die Schätzer mit Einnahmen von 615,2 Milliarden Euro gerechnet. Für die folgenden Jahre werden weitere Steigerungen erwartet. Im Jahr 2018 sollen die Einnahmen bei 731,5 Milliarden Euro liegen.
Die Steuerschätzer stehen diesmal besonders im Mittelpunkt des Interesses. Denn die Zahlen und ihre Wertung sind ein unmittelbares Signal an die Koalitionsverhandlungen, bei denen CDU, CSU und SPD in der von Schäuble mitgeleiteten Arbeitsgruppe Finanzen darüber diskutieren, welche Ankündigungen aus den Wahlprogrammen umgesetzt und wie diese finanziert werden sollen.
Die Ausgabewünsche der Politiker aus den noch laufenden Verhandlungen summieren sich schon auf viele Milliarden Euro, auch wenn die nicht alle nächstes Jahr fällig werden. Bis zu 6 Milliarden Euro werden gebraucht, um den Grundfreibetrag für Kinder schrittweise auf die Höhe des Freibetrags für Erwachsene anzuheben und das Kindergeld zu erhöhen, rund 7 Milliarden Euro für eine Erhöhung von Erwerbsminderungsrenten, schätzungsweise 15 Milliarden Euro, kommt es wie im Wahlkampf von den potenziellen Koalitionären versprochen zu einer Lebensleistungsrente oder Solidarrente, und anderes mehr.
Mit den nur geringen Steuerzuwächsen liegt der Fokus jetzt um so mehr auf dem Grundsatzkonflikt der potenziellen Koalitionäre um Steuererhöhungen.
Aus der SPD wurden Forderungen nach Steuererhöhungen bereits mehrfach bekräftigt. Die Union müsse "ihre bisherige Blockade von gezielten Einnahmeverbesserungen aufgeben", forderte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß im Vorfeld und meinte die von der SPD im Wahlprogramm propagierten Steuererhöhungen. Und der baden-württembergische SPD-Landeschef Nils Schmid warnte: "Wir werden eine Konsolidierung in Deutschland ohne Steuererhöhung nicht hinbekommen."
Doch aus der Union wurde dies bisher strikt abgelehnt. Eine Alternative könnte nun darin bestehen, steuerliche Privilegien für Konzerne zurückzuschrauben. Dies wird in der Arbeitsgruppe diskutiert. Wie es aus Teilnehmerkreisen hieß, sprechen Union und SPD bei ihren Beratungen am Donnerstag über Steuern, und zwar Gewerbe-, Erbschaft- und Grundsteuer sowie allgemein über die Steuerpolitik und steuerpolitische Einzelmaßnahmen, die Finanzmarktregulierung und die föderalen Finanzbeziehungen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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