26.08.2014 17:09:46
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ROUNDUP: Jugendarbeitslosigkeit in Europa - Regierung: Lässt uns nicht kalt
BERLIN (dpa-AFX) - Die für ihren strikten Sparkurs vielfach kritisierte Bundesregierung will die Krisenländer Südeuropas bei der dramatischen Jugendarbeitslosigkeit nicht im Stich lassen. Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Sontowski (SPD) sagte am Dienstag bei der Vorstellung einer Studie in Berlin: "Die Probleme in anderen Nachbarstaaten dürfen uns nicht kaltlassen."
Die Bundesregierung bietet EU-Partnern seit längerem an, von den guten deutschen Erfahrungen mit der dualen Ausbildung - Berufsschule und Betrieb - zu profitieren. Die deutsche Wirtschaft forderte Sontowski - ein enger Vertrauter von Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel - auf, mehr für die Qualifizierung junger Menschen in Italien, Spanien oder Portugal zu tun.
Im Bundestagswahlkampf hatte Gabriel Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen ihres Sparkurses in der Staatsschuldenkrise direkt für die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa verantwortlich gemacht: "Sie ist eine Art Dieb, die der Jugend Europas die Zukunft stiehlt.".
Nach einer Analyse des Mannheimer ZEW-Instituts für die Robert-Bosch-Stiftung sind europaweit 7,5 Millionen junge Menschen ohne Ausbildung oder arbeitslos. "Produziert wird so etwas wie eine verlorene Generation", sagte die Geschäftsführerin der Bosch-Stiftung, Ingrid Hamm. Der Autozulieferer Bosch will 100 zusätzliche Lehrstellen anbieten, davon 50 für Jugendliche aus Spanien.
ZEW-Experte Holger Bonin erklärte, die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa oder Großbritannien sei nicht neu und keineswegs Ergebnis der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007. In diesen Ländern gebe es zu viele Schulabbrecher, zu viele Akademiker und zu viele Konflikte zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Auch sollten junge Leute mobiler sein und Fremdsprachen lernen.
Problematisch sei eine Spaltung der Arbeitsmärkte. Während Festangestellte von starkem Kündigungsschutz profitierten, seien Berufseinsteiger oft nur befristet beschäftigt. Auch Mindestlöhne erschwerten jungen Leute die Chance auf einen Job. Das ZEW schlägt den Krisenstaaten vor, Einstiegsgehälter zu senken oder Arbeitgebern staatliche Lohnzuschüsse zur Verfügung zu stellen, wenn Mindestlöhne zu hoch seien.
ZEW-Präsident Clemens Fuest betonte, auch der von 2015 an geltende deutsche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde sei grundsätzlich ein Risiko für die Beschäftigung von Jugendlichen. Hierzulande liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei knapp acht Prozent, im Süden der EU teilweise bei bis zu 50 Prozent.
Fuest sieht EU-Programme zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa kritisch. Die EU-Jugendgarantie - jeder Jugendliche soll innerhalb von vier Monaten mit öffentlichen Mitteln ein Angebot erhalten - sei in der Praxis problematisch. Außerdem fehle bis heute eine europaweite Jobbörse im Internet.
Die Gewerkschaften halten nicht viel von den Ratschlägen der Wirtschaftsexperten. "Die Empfehlungen der Bosch-Stiftung gehen in die falsche Richtung. Mit der Lockerung des Kündigungsschutzes und der Aufweichung der Tarifvertragsrechte werden keine Arbeitsplätze geschaffen, sondern Arbeitnehmerrechte abgebaut", sagte DGB-Bundesjugendsekretär Florian Haggenmiller./tb/DP/jkr
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