15.02.2015 19:29:47

ROUNDUP: 'Aktienboom verschlafen'? - Pensionslasten der Versicherer drücken

BERLIN (dpa-AFX) - Anhaltende Zinsflaute, aber zugleich hohe Gewinne an den Börsen: Der Bund der Versicherten (BdV) hat die Anlagestrategie der deutschen Versicherungsunternehmen scharf kritisiert. "Die Versicherer haben den Aktienboom verschlafen", sagte BdV-Chef Axel Kleinlein dem Berliner "Tagesspiegel" (Samstag). "Die Unternehmen werden immer wieder von Marktentwicklungen überrascht."

Die Branche legt neben dem eigenen Kundengeschäft auch Milliarden an den Finanzmärkten an - der in Aktien investierte Anteil sei aber viel zu gering, bemängelte Kleinlein. So könnten die Versicherten kaum vom derzeitigen Börsenboom mitprofitieren.

Nur 3,5 Prozent der rund 1,2 Billionen Euro an Kapitalanlagen befänden sich in Aktien, schrieb die Zeitung unter Berufung auf Daten des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Zugleich drückt die Kluft zwischen der höheren Verzinsung älterer Policen und dem extrem niedrigen Zinsniveau auf die Ertragskraft.

Manche Kunden stellen zudem die Berechnungen zur Beteiligung an den Bewertungsreserven infrage - diese speisen sich aus Kursgewinnen der Kapitalmarktanlagen. Der Bundesgerichtshof wies eine Klage gegen die Zinsberechnung bei einer Lebensversicherung vor kurzem jedoch ab.

Das meiste Geld der Versicherer steckt in Staatsanleihen. Kleinlein sieht eine Mitschuld für das geringe Aktien-Engagement aber auch bei der Finanzaufsicht Bafin. Deren Empfehlungen und Regulierungen hätten die Unternehmen in festverzinsliche Wertpapiere getrieben.

Das Zinstief bringt die Branche auch aus einem weiteren Grund in die Bredouille: Nach einem Bericht der "Welt am Sonntag" mussten die DAX-Konzerne im Jahr 2014 so hohe Pensionsverpflichtungen schultern wie noch nie. Durch die Differenz zu früheren höheren Zinszusagen sowie nötige Rückstellungen sei die Summe für die 30 wichtigsten börsennotierten Unternehmen in Deutschland um 29 Prozent auf 391,7 Milliarden Euro gestiegen, schrieb das Blatt unter Berufung auf eine Analyse der Beratungsfirma Towers Watson. Gleichzeitig habe sich das Pensionsvermögen um nur 8 Prozent auf 213,5 Milliarden Euro erhöht.

Infolge dieser Lücke seien lediglich etwas mehr als die Hälfte (54,5 Prozent) der für den Ruhestand der Mitarbeiter eingegangenen Verpflichtungen von den Kapitalanlagen der Unternehmen gedeckt - nach immerhin 65,3 Prozent im Vorjahr. "Die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank drückt den Rechnungszins nach unten, was zu steigenden Kosten für die betriebliche Altersvorsorge führt", erklärte Towers-Watson-Experte Thomas Jasper.

Der Chef des Mittelstandsverbands BVMW, Mario Ohoven, erwartet auch für kleinere und mittlere Firmen Zusatzlasten. Er sprach von einem "bösen Erwachen" und einer möglichen Zunahme von Insolvenzen. Der Zinseffekt werde von der alternden Gesellschaft noch verschärft, weil mehr Menschen in den Ruhestand gingen./jap/DP/men

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