23.06.2020 20:30:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Schlussstrich, Kommentar zu Bayer von Annette Becker
Schlussstrich, Kommentar zu Bayer von Annette Becker
Frankfurt (ots) - Pi mal Daumen 10 Mrd. Dollar wird Bayer der Vergleich zur
Beilegung von mehr als 50.000 Glyphosatklagen in den USA kosten. Ob das viel
oder wenig ist, hängt wohl auch vom Standpunkt des Betrachters ab, unabhängig
davon, dass es sich um eine der höchsten Summen handelt, die ein einzelnes
Unternehmen zum Abräumen von Massenklagen in den USA je auf den Tisch legen
musste. Für Bayer stellt sich diese Frage allerdings schon seit geraumer Zeit
nicht mehr. Die Verantwortung für die anhängigen Rechtsstreitigkeiten hatten die
Leverkusener mit der 66 Mrd. Dollar schweren Akquisition von Monsanto
übernommen. Seither ging es nur noch darum, den Schaden zu begrenzen - in
finanzieller Hinsicht, aber auch mit Blick auf die Reputation.
Dass die im Raum stehende Vergleichssumme bei den geschundenen Bayer-Investoren
dennoch auf Beifallsstürme trifft, ist hingegen verständlich. Denn mit dem
Settlement beseitigt Bayer endlich die Unsicherheit, die seit dem ersten
verheerenden Schadenersatzurteil im Sommer 2018 wie eine dicke Bleischicht auf
dem Kurs liegt.
Zig Milliarden an Marktkapitalisierung wurden seither vernichtet, der Worst Case
in Gestalt einer Vergleichssumme von bis zu 25 Mrd. Dollar wurde eingepreist.
Wer würde nicht aufatmen, wenn es am Ende nicht einmal halb so viel kostet?
Bayer hat sich an dieser Stelle nie geäußert und tut es bis heute nicht. Aus
gutem Grund, muss der Aufsichtsrat dem Vergleich doch noch zustimmen - schon
allein aufgrund der Größenordnung. Dem Gremium in Form einer Ad-hoc-Mitteilung
vorzugreifen, hat sich von daher verboten.
Allerdings müsste es schon mit dem Teufel zugehen, sollten die Kontrolleure den
mühsam gefundenen Vergleich noch zerschießen. Seit vorigem Juni hat sich der
Aufsichtsrat nämlich mit einem in Produkthaftungsfragen erfahrenen Rechtsberater
aufmunitioniert, um sich stärker in die Causa Glyphosat einzubringen. Zugleich
wurde ein neuer Aufsichtsratsausschuss eingerichtet, um den Vorstand in der
Prozessstrategie zu beraten. Insofern dürfte das Kontrollgremium in die
Vergleichsfindung eng eingebunden gewesen sein.
Dass sich Bayer auf den Vergleichsweg begeben hat, war allerdings weniger der
Einsicht geschuldet, dass nur so ein Schlussstrich gezogen werden könne.
Vielmehr bedurfte es der Mitwirkung des Aktionärsaktivisten Elliott. Und genau
darin liegt nun auch die Bürde für die Zukunft. Denn ohne Zweifel verringert der
Vergleich den strategischen Handlungsspielraum und wird den Ruf nach Aufspaltung
lauter werden lassen.
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