23.04.2021 20:26:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Kritische Masse, Marktkommentar von Wolf Brandes
Kritische Masse, Marktkommentar von Wolf Brandes
Frankfurt (ots) - Experimentelle Studien zeigen: Wenn etwa 20 bis 25 Prozent der
Menschen in einer Gruppe eine Meinung vertreten, ist eine kritische Masse oder
ein Wendepunkt für eine erfolgreiche Durchsetzung eines Themas erreicht. Diese
Grenze hat das nachhaltige Investieren ganz offensichtlich überschritten. Vor
allem im vergangenen Jahr hat das Wachstum von ESG-Investments (Environmental,
Social, Governance - also: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) einen
erheblichen Sprung gemacht. Mit Rekordzuflüssen und einer nicht gekannten
Auflage neuer Nachhaltigkeitsfonds.
Der Erfolg von ESG-Strategien befeuert das weitere Wachstum. Weil Investoren nun
die kritische Masse für erreicht halten, wollen immer mehr auf den Zug
aufspringen. So auch das Ergebnis einer Umfrage von Natixis Investment Managers.
"Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob das bestehende Momentum
künftig anhalten wird oder ob es zu einer grünen Blase kommen könnte", fragt
sich Harald Walkate, ESG-Chef bei Natixis. Bislang spricht alles für den Boom.
Wie stark und weiter zunehmend das Interesse ist, zeigen Umfragen, die laufend
auf den Markt kommen. "Nachhaltige Geldanlagen werden in Deutschland immer
beliebter", so das aktuelle Ergebnis einer regelmäßigen Befragung von Union
Investment. Anlegern gehe es darum, "etwas Positives zu bewirken sowie
Unternehmen und Staaten auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen",
heißt es im Anlegerbarometer der Fondsgesellschaft. 60 Prozent der Anleger in
Deutschland fänden nachhaltige Geldanlagen attraktiv. Das ist ein neuer
Höchststand. 2010 betrug der Wert 32 Prozent. Ähnlich die Ergebnisse der
Fondsbank Ebase: Die Studie "Nachhaltige Kapitalanlagen 2021" bestätigt die sehr
hohe Relevanz nachhaltiger Investments für deutschen Anleger. 47 Prozent der
Befragten seien der Ansicht, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage
in den nächsten zwölf Monaten an Bedeutung gewinnen werde.
Die Natixis-Erhebung unter Profis zeichnet ein noch grüneres Bild der
Anlagewelt: Weltweit wurden 3600 professionelle Investoren, Fondsselektoren oder
Finanzberater befragt. Mehr als 70 Prozent von ihnen nutzen schon jetzt
nachhaltig ausgerichtete Investmentstrategien. Kein Wunder, dass Morningstar
angesichts der starken Nachfrage laufende Rekorde beim Volumen grüner Fonds
festgestellt und zudem ermittelt hat, dass in Europa zuletzt fast 80 Prozent des
Neugeschäfts auf ESG-Strategien entfielen.
Ungeachtet des wachsenden Anlegerinteresses und der tatsächlich investierten
Gelder darf nicht vergessen werden, wie komplex und vielfältig grüne Investments
sind. Das zeigt sich an der Studie von Natixis, die zum Ausdruck bringt, dass
viele Wege zur Nachhaltigkeit führen. Die Integration von ESG-Kriterien in den
Anlageprozess gehört zu den am meisten präferierten Methoden. 48 Prozent der
institutionellen Investoren befürworten diesen Ansatz. Immer noch verbreitet
ist der seit den siebziger Jahren benutzte Ausschluss von Unternehmen oder
Branchen.
Rund ein Drittel der Befragten setzen auf die Strategie Active Ownership, also
den Versuch, über Gespräche mit der Unternehmensleitung Einfluss zu nehmen. Dann
gibt es noch das Investieren in Themenfonds wie Wasser oder das Impact
Investing, das zunehmend wichtiger wird. Um bei diesen unterschiedlichen
Ansätzen den Durchblick zu behalten und nicht einem Etikettenschwindel
aufzusitzen, hat sich die Informationslage für Anleger jüngst verbessert. Seit
März gibt es die EU-Offenlegungsverordnung zur erweiterten Transparenz bei
nachhaltigen Produkten. Sie soll dazu dienen, Finanzprodukte durch
Pflichtangaben zu Nachhaltigkeitsrisiken und -strategien besser vergleichbar zu
machen. Außerdem soll das besagte Greenwashing vermieden werden.
Bei allen Klagen über mehr Bürokratie durch die neue Offenlegungsverordnung
scheint die neue Regulierung auch für die Anbieter nicht schlecht zu sein. Beim
Finanzdienstleister BCA spricht man von einer "neuen vielversprechenden
Storyline" für den Vertrieb und sieht auch "reichlich Nachfragepotenzial" für
nach der EU-Verordnung klassifizierte grüne Anlageprodukte. Auch die Deka sieht
einen klaren Vorteil, der in der Transparenz begründet ist sowie den Vertrieb
besser in die Lage versetzt, mit seinen Empfehlungen näher an die
Kundenpräferenzen zu rücken.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
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