06.05.2022 20:01:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Jetzt geht die Luft raus, Marktkommentar von Werner Rüppel
Jetzt geht die Luft raus, Marktkommentar von Werner Rüppel
Frankfurt (ots) - Die Flut hebt bekanntlich alle Boote, und das hat die
Liquiditätsflut in den vergangenen Jahren auch getan. Die Notenbanken hatten
nach dem Motto "Whatever it takes" nicht nur die Zinsen praktisch auf null
heruntergeschleust, die Götter der Märkte haben zudem mit einem großen
quantitativen Easing Staats- und Unternehmensanleihen und mitunter auch Aktien
aufgekauft. Da nimmt es nicht wunder, dass die Aktienmärkte enorme Aufschwünge
hingelegt haben - und dabei besonders Wachstumswerte, deren Erlöse deutlich
zugelegt haben, die aber noch keine oder äußerst geringe Gewinne erzielen,
gelaufen sind. Mit dem Vorgehen der Notenbanken ist fast alles gestiegen, bis
hin zu Kryptowährungen wie Bitcoin, die mitunter zur Geldwäsche genutzt werden.
Erinnerungen an die Dotcom-Blase und an den Neuen Markt sind besonders im
vergangenen Jahr wach geworden.
Jetzt hat sich aber der Wind gedreht, die Teuerung hat weltweit massiv
angezogen, der Inflationsdruck dürfte hoch bleiben und die Notenbanken müssen
die Zinsen anheben und können keine Wertpapiere mehr ankaufen. Die Fed hat in
der abgelaufenen Börsenwoche bereits zum zweiten Mal ihre Leitzinsen erhöht, und
das mit einem Schritt um 50 Basispunkte auch recht kräftig. Und auch die
Europäische Zentralbank wird reagieren müssen, wenn sie denn ihren Auftrag,
stabile Preise zu gewährleisten, ernst nimmt.
Die Liquiditätsblase hat bereits zu platzen begonnen, und die Luft dürfte weiter
entweichen. So haben in diesem Jahr zuvor hochgepushte Internetwerte,
Onlineverkäufer oder Lieferdienste bereits hohe Kursverluste hinnehmen müssen:
Delivery Hero minus 69 Prozent, Netflix minus 69 Prozent, Zalando minus 55
Prozent, Hellofresh minus 48 Prozent und selbst Amazon haben 30 Prozent
eingebüßt. Selbst die Kinder der Hausse müssen jetzt erkennen, dass die Börse
keine Einbahnstraße ist und dass die Kurse hoch bewerteter Assets nicht allein
deshalb weiter steigen, weil sie zuvor kräftig und relativ stetig gestiegen
sind. Die Börse verläuft lange Zeit in Trends, aber es gibt eben auch
Trendwenden, und aktuell findet angesichts des Wandels in der Geldpolitik
offensichtlich eine statt.
Doch nicht allein bei hoch bewerteten Technologiewerten droht die Luft weiter zu
entweichen. Auch die Kryptowährung Bitcoin dürfte sich weiter verbilligen.
Schließlich hat Bitcoin keinen intrinsischen Wert, und die Greater-Fool-Theorie,
wonach alles so viel wert ist, wie ein anderer dafür bezahlt, greift in erster
Linie in steigenden Märkten. Deutlich ermäßigen könnte sich auch der Aktienkurs
von Tesla, sind die Erwartungen von Investoren und Analysten an den hoch
bewerteten Elektroautobauer doch auf extrem hohem Niveau.
Platzen dürfte übrigens auch die Blase in zehnjährigen Bundesanleihen und
anderen Staatsanleihen der Eurozone, wenn das Doping in Form der Käufe durch die
EZB wegfällt. Immerhin wird es auch in Euroland bald wieder Zinsen geben, und
die Banken werden ihre Verwahrentgelte wieder abbauen.
Erfahrene Investoren haben auf die veränderte Gemengelage, zu der neben der
weltweit noch nicht bewältigten Pandemie auch der Krieg in der Ukraine und die
daraus resultierenden Folgen für Inflation und Weltkonjunktur beitragen,
bereits reagiert. Warren Buffett und Jens Ehrhardt haben Ölaktien gekauft.
Ehrhardt hat sogar in seinem FFM-Fonds, der bisher etliche Krisen recht
erfolgreich bewältigt hat, Technologieaktien komplett verkauft und setzt
stattdessen unter anderem auf ausgewählte Agrarwerte und Versorger.
Auch die Analysten der LBBW sind der Meinung, dass es Tech-Titel schwer haben
werden. Sie erwarten schwierige Sommermonate für Aktien und empfehlen eine
defensivere Ausrichtung, wobei sich der Sektor Energie als guter Hedge gegen
steigende Energiepreise erweise.
Bei Aktien zählen jetzt wieder Profitabilität und stabile Gewinne. Wie sagt
Warren Buffett: Erst wenn die Flut zurückgeht, sieht man, wer überhaupt eine
Badehose anhat.
Pressekontakt:
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