19.05.2022 20:29:38

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Eine Frage des Geldes, Kommentar zum G7-Treffen von Mark Schrörs

Frankfurt (ots) - Der Impuls ist menschlich, er­go: verständlich. Russland soll

für den von ihm angezettelten Krieg in der Ukraine zahlen und den anstehenden

Wiederaufbau des Landes mitfinanzieren. Warum also nicht gleich das

Auslandsvermögen der russischen Zentralbank, das der Westen eingefroren hat,

kurzerhand beschlagnahmen und für einen Wiederaufbaufonds nutzen? Von 300 Mrd.

Dollar ist da die Rede. Verständlich heißt aber nicht immer auch klug: Ein

solcher Schritt bringt nicht nur erhebliche rechtliche Fallstricke mit sich. Er

birgt auch enorme Risiken für das globale Finanzsystem. Die sollte man zumindest

nicht leichtfertig eingehen.

Das Einfrieren der russischen Devisenreserven im Ausland ist die vielleicht

schärfste Sanktion im Bereich des Finanzsektors - schärfer noch als der

(Teil-)Ausschluss russischer Banken aus dem Zahlungsinformationsnetzwerk Swift.

Mit einem Schlag war Russland - zur Überraschung aller - seines wichtigsten

Instruments beraubt, um am Devisenmarkt den Rubel zu stützen. Ein Novum in der

Finanzgeschichte und der Zentralbankenkooperation, das politisch gerechtfertigt

und noch verhältnismäßig erschien - das aber Risiken birgt. Eine Beschlagnahmung

der Gelder würde diese um ein Vielfaches potenzieren.

Mehr noch als bei einer Enteignung russischer Oligarchen lauern bei einer

Beschlagnahmung der Devisenreserven viele juristische Probleme. Viele Ex­perten

sehen jedenfalls weder im Europa- noch im Völkerrecht eine Rechtsgrundlage für

einen solchen Schritt. Die Souveränität der Staaten ist ein Grundpfeiler des

Völkerrechts - und letztlich handelt es sich um Staatsvermögen Russlands. Nicht

zufällig betont US-Fi­nanzministerin Janet Yellen, dass eine Beschlagnahmung in

den USA derzeit nicht legal sei. Darüber dürfen die Befürworter nicht

hinweggehen. Russlands Präsident Wladimir Putin dürfte eine solche Eskalation

des Wirtschafts- und Finanzkriegs auch nicht unbeantwortet lassen. Und so schwer

es aktuell vorstellbar erscheint: Nach dem Krieg ist irgendwann auch wieder eine

(wirtschaftliche) Zu­sammenarbeit nötig.

Noch wichtiger: Eine solche De-facto-Enteignung dürfte die Bestrebungen von

Ländern wie Russland oder China, ein alternatives Finanzsystem zur be­stehenden

globalen Finanz­architektur aufzubauen, deutlich vorantreiben. Damit erhöhte

sich die Anfälligkeit des Finanzsystems für Krisen erheblich. Zudem würde die

Fragmentierung der Weltwirtschaft in geopolitische Blöcke forciert - mit der

Folge hoher ökonomischer (Anpassungs-)Kosten. Daran kann auf Dauer niemandem

wirklich gelegen sein.

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