30.05.2022 20:29:38
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Die Fed lässt grüßen, Kommentar zur Inflation von Stefan Reccius
Frankfurt (ots) - Kommen amerikanische Verhältnisse auf uns zu? Diese Frage
drängt sich angesichts der jüngsten Inflationszahlen mehr denn je auf: Die
Verbraucherpreise in Deutschland waren im Mai nach EU-harmonisierter Rechnung,
die maßgeblich für die Europäische Zentralbank (EZB) ist, 8,7 Prozent höher als
vor einem Jahr. Das meldet das Statistische Bundesamt. Für die gesamte Eurozone
wird Eurostat an diesem Dienstag ebenfalls einen neuerlichen Rekordwert in der
Ära des Euro ausweisen.
Mit Blick auf die nackten Zahlen herrschen bereits amerikanische Verhältnisse.
Bislang war die Inflation in den USA noch höher, die Lage noch prekärer als in
der Eurozone. Inzwischen gibt es in den USA Anzeichen, dass die Inflation an der
Schwelle von 8 Prozent ihr Plateau erreicht hat. Auch ist die US-Notenbank Fed
nach sträflichem Zaudern entschieden eingeschritten. Das kann man von der EZB
leider nicht behaupten. Die Teuerung zieht derweil immer weiter an und nimmt
Kurs Richtung 10 Prozent.
Spätestens im Juli wird die EZB die Zinswende beginnen. Das ist überfällig.
Angesichts der neuen Inflationszahlen muss es vielmehr darum gehen, ob auch in
Sachen Zinspolitik amerikanische Verhältnisse gerechtfertigt sind. Die Fed hat
den Leitzins zum ersten Mal seit Langem um 50 Basispunkte auf einen Schlag
angehoben. Und sie ist wieder dazu bereit, um der Inflation Einhalt zu gebieten,
wie Fed-Gouverneur Christopher Waller gerade in Frankfurt betont hat.
Inflationsunheil verheißen in Euroland die Preisentwicklungen bei Produzenten
und Importeuren, die auf Sicht von zwölf Monaten die 30-Prozent-Marke gerissen
haben. Auch wenn die Unternehmen dies kaum in vollem Umfang auf Kunden und
Verbraucher überwälzen werden, sind dies ernst zu nehmende Vorboten einer sich
verfestigenden Inflation. So rechnet die Bundesbank "vor dem Hintergrund der
starken Teuerung auf den vorgelagerten Stufen" mit einer durchschnittlichen
Inflationsrate von um die 7 Prozent im laufenden Jahr. Laut Analysen von Allianz
Trade haben Lebensmitteleinzelhändler höhere Erzeugerpreise bislang nicht mal
zur Hälfte an die Konsumenten weitergegeben. Auch die exorbitant gestiegenen
Gaspreise werden überwiegend mit Verzögerung in den Nebenkostenabrechnungen
privater Haushalte auftauchen.
Die um sich greifende Furcht vor einer Lohn-Preis-Spirale ist also längst nicht
das einzige Argument für entschiedenes Handeln der EZB. Ihre Glaubwürdigkeit
steht auf dem Spiel. Inzwischen spricht immer mehr für eine doppelte Zinsdosis.
Das zeigt die Dramatik der Lage - und wie sehr die EZB diese unterschätzt hat.
Die Fed lässt grüßen.
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