03.07.2019 20:10:41

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Börsen-Zeitung: Von der Leyens Trümpfe / Kommentar von Andreas Heitker

zur Nominierung Ursula von der Leyens zur neuen

EU-Kommissionspräsidentin

Frankfurt (ots) - Ursula von der Leyen ist nach der überraschenden

Nominierung zur nächsten EU-Kommissionspräsidentin gestern erst

einmal nach Straßburg gereist, um im Europaparlament für sich zu

werben. Die CDU-Politikerin ist erfahren genug, um zu wissen, dass

ihre Bestätigung durch die Abgeordneten noch längst keine

ausgemachte Sache ist und dass jetzt erst einmal eine Charmeoffensive

angesagt ist. Dazu dann noch schnell ein neuer Twitter-Account:

"Hallo Europa! Hello Europe! Salut l'Europe!" lautete dort gestern

ihr erster Tweet. Innerhalb weniger Stunden hatte sie mehr als

100 00 Follower gewonnen.

Dass die Staats- und Regierungschefs das Spitzenkandidatenmodell,

das dem EU-Parlament ja einen deutlichen Machtzuwachs bringen

sollte, mit ihrem Personaldeal vorerst wieder in den Papierkorb der

Bedeutungslosigkeit bugsiert haben, sorgt unter den Abgeordneten für

Unmut. Allerdings lohnt ein etwas genauerer Blick, um festzustellen,

dass von der Leyen in allen wichtigen Fraktionen durchaus Argumente

für sich hat. Nehmen wir die Europäische Volkspartei (EVP): Noch am

Montag, so war zu hören, hatte die stärkste Fraktion im Parlament

getobt, als ihr Spitzenkandidat Manfred Weber bereit war, auf seinen

Machtanspruch in der EU-Kommission zu verzichten und dem

Sozialdemokraten Frans Timmermans den Vortritt zu lassen. Aber jetzt?

Da mag es für Weber persönlich vielleicht ein noch größeres Debakel

sein, dass nun eine CDU-Ministerin aus Berlin geholt wird. Aber die

EVP hat damit trotzdem die EU-Kommission erobert. Und das ist für

viele in der Fraktion das ausschlaggebende Argument.

Oder die Sozialdemokraten, von denen die schärfste Kritik kam: Ob

die SPD wirklich gut beraten ist, dagegen zu kämpfen, dass die

Führung der EU-Kommission erstmals seit über 50 Jahren wieder an

Deutschland gehen soll? Das dürfte nicht allen Wählern in der Heimat

zu vermitteln sein. Die Grünen sind mit Inhalten zu ködern: mit dem

Versprechen einer Wahlrechtsreform zum Beispiel oder einem stärkeren

EU-Engagement in der Klimapolitik. Und die Liberalen haben das

Spitzenkandidatenmodell in der jetzigen Form ohnehin abgelehnt.

Von der Leyen kann daher durchaus optimistisch sein, dass sie in

zwei Wochen im EU-Parlament genügend Abgeordnete auf ihre Seite

ziehen kann. Das Parlament hätte ihre Berufung ja ohnehin vermeiden

können, wenn es sich zuvor mit breiter Mehrheit selbst auf einen der

Spitzenkandidaten hätte einigen können. Das ist nicht gelungen. Und

damit haben die Kritiker ein weiteres Argument weniger.

(Börsen-Zeitung, 04.07.2019)

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