08.05.2015 19:56:40

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Börsen-Zeitung: Trügerische Rally, Marktkommentar zur Wahl in

Großbritannien von Stefan Schaaf

Frankfurt (ots) - Finanzmärkte bevorzugen konservative

Regierungen. Sie gelten als unternehmens- und investorenfreundlich,

ihnen werden solidere Staatsfinanzen und weniger Umverteilung

zugetraut. Und wenn es oft auch linke Regierungen sind, die harte

Strukturreformen durchdrücken, man denke nur die "Agenda 2010" in

Deutschland oder die jüngsten Arbeitsmarktreformen in Italien, so ist

das Zutrauen von Investoren zu konservativen oder

liberal-konservativen Regierungen doch in aller Regel größer.

Jüngstes Beispiel ist die Parlamentswahl in Großbritannien, die

unerwartet eine konservative Alleinregierung an die Macht bringt. Die

Tatsache, dass Premierminister David Cameron mit seinen Tories

voraussichtlich allein regieren kann, hat am Freitag den Londoner

Finanzmarkt euphorisiert: Das Pfund Sterling schoss um 2% auf ein

Zehn-Wochen-Hoch von 1,5524 Dollar hoch, zugleich fiel der Euro um

1,7% auf 72,67 Pence zurück. Auch der Londoner Aktienmarkt reagierte

mit einem deutlichen Kursanstieg auf das unerwartet klare

Wahlergebnis, der britische Leitindex FTSE 100 stieg um 2,5% und

hängte damit die meisten kontinentaleuropäischen Aktienmärkte ab.

Besonders Bankaktien waren gefragt, da eine Labour-Regierung die

Branche wohl stärker reglementiert und belastet hätte.

Klare Verhältnisse

Die Euphorie der Märkte ist zum einen dem klaren Wahlausgang

geschuldet. Schließlich gab es Befürchtungen, das Vereinigte

Königreich könnte unregierbar werden, weil sich im Parlament keine

regierungsfähige Mehrheit findet. Diese Sorge ist vom Tisch. Zudem

trauen Marktteilnehmern den Tories eine wirtschaftsfreundlichere

Politik zu, was angesichts der Wahlprogramme der Labour-Partei wie

auch der erstarkten Schottischen Nationalpartei (SNP) wohl auch

zutreffen dürfte. Das gilt insbesondere für die nötige Sanierung der

britischen Staatsfinanzen. Schließlich hat kaum ein Industrieland

wegen der Finanzkrise einen derartigen Schuldenanstieg erlebt wie das

Vereinigte Königreich.

Von der Aussicht auf eine Sanierung der Staatsfinanzen dürften

britische Staatsanleihen, die Gilts, profitieren, zumal die

Ratingagenturen zunehmend ungeduldig mit den Briten werden. Der

Schuldenstand des Königreichs lag Ende 2014 bei 89,4% der

Wirtschaftsleistung und damit rund 12,5 Prozentpunkte höher als in

Deutschland. Am Freitag sanken die Gilt-Renditen im Gleichlauf mit

den übrigen europäischen Bondmärkten. Angesichts der Erwartungen

einer wirtschaftsfreundlichen Politik bezeichnet Sonja Marten,

Leiterin der Devisenanalyse bei der DZ Bank, den Wahlausgang für das

Pfund Sterling als "äußerst erfreuliches Ergebnis". Sie kündigte an,

ihre Prognosen zu überarbeiten. Allerdings ist die jüngste

Sterling-Erholung weniger politisch motiviert gewesen, sondern

erfolgte mehr oder weniger im Gleichlauf mit dem Euro, da die

Erwartungen an steigende US-Zinsen nachließen.

Doch die erste Tory-Euphorie könnte aus zwei Gründen schon bald

verflogen sein. Cameron hatte sich im Wahlkampf gegen höhere Steuern

ausgesprochen, so dass er den Staatshaushalt nicht mittels höherer

Einnahmen sanieren kann. Das bedeutet Austeritätspolitik, und für die

gilt auch in Großbritannien, dass dies zunächst einmal das

Wirtschaftswachstum wegen einer sinkenden gesamtwirtschaftlichen

Nachfrage belastet.

Von Brexit bis Engxit

Das größere Risiko für die Märkte sind jedoch die Fliehkräfte,

welche das Wahlergebnis für das noch Vereinigte Königreich haben

könnte. Cameron, selbst ein Befürworter der EU-Mitgliedschaft seines

Landes, hat den europafeindlichen Tory-Flügel mit dem Versprechen

eines Referendums ruhiggestellt. Das Votum wird nun kommen, und auch

wenn die Briten sich zuletzt wieder europafreundlicher äußerten, das

politische Risiko wird steigen. Schließlich wäre ein EU-Austritt das

Ende des Geschäftsmodells "Europäisches Finanzzentrum London", was

den Immobilienmärkten in Frankfurt und Paris wohl einen Schub gäbe,

für die britische Volkswirtschaft jedoch ein Desaster wäre. Die

Ratingagentur Moody's hat bereits eine Warnung Richtung London

ausgesprochen.

Doch mit dem Brexit ist es nicht genug, die erstarkte SNP könnte

ein neues Schottland-Referendum anstrengen. Und je mehr Sonderrechte

die Schotten sich sichern, desto lauter dürften die Engländer

grummeln und eine eigene parlamentarische Vertretung fordern. Ob

Brexit, Scoxit oder Engxit - die Nervosität und die Volatilität

werden steigen, auch wenn der Home Bias der von Briten dominierten

Handelsdesks in London diesen Trend verlangsamen dürfte.

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