27.04.2018 20:46:40

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Börsen-Zeitung: Gelbe Warnlampe leuchtet / Kommentar zur Entwicklung

der US-Zinsstrukturkurve von Kai Johannsen

Frankfurt (ots) - Kommt die US-Rezession und macht den großen

Zentralbanken einen Strich durch ihren Exit aus dem Quantitative

Easing, bei dem sie entweder erst noch am Anfang stehen oder ihn

dann gerade erst begonnen haben oder beginnen? Und wird diese

Rezession wieder vorab richtig vom Staatsanleihemarkt, also der

Renditestrukturkurve, angezeigt? Das ist derzeit eine Frage, mit der

sich die US-Notenbank Fed und Marktteilnehmer auseinandersetzen.

Von einem Ende oder zumindest einem Nachlassen der robusten

US-Konjunkturaktivitäten auszugehen, ist zumindest nicht völlig

abwegig. Die gegenwärtige Expansion startete im Juli des Jahres 2009

und hält somit nun 106 Monate an. Sollte sie sich auch noch im

kommenden Monat fortsetzen, wäre es der zweitlängste Boom der

US-Wirtschaft seit den sechziger Jahren. Schafft es die

US-Konjunktur, diese Phase der Prosperität auch noch bis Juli 2019

fortzusetzen, dann würde auch der bislang längste Boom, nämlich der

aus den neunziger Jahren, noch übertroffen. Signale, dass es zu Ende

gehen könnte, sendet derzeit der US-Staatsanleihemarkt. Und diese

Signale hat er in der Vergangenheit recht verlässlich gegeben, und

zwar über eine bestimmte Formation der Renditestrukturkurve.

Betrachtet wird dabei der Zinsabstand im Laufzeitenband von zwei

bis zehn Jahren der US-Staatsanleihen. Bei einer normalen Kurve

liegen die langfristigen Sätze über den kurzfristigen Renditen. Bei

einem Aufschwung ist das der Fall. Denn am Markt wird angenommen,

dass die Zentralbank über Zinssteigerungen langfristig einem

Überhitzen der Wirtschaft vorbeugen und Inflationsgefahren eindämmen

muss. Flacht die Kurve ab, bedeutet dies, dass die kurz- und

langfristigen Sätze ab einem gewissen Punkt auf dem gleichen Niveau

liegen. Eine Inversion liegt vor, wenn die langfristigen Sätze dann

irgendwann unter den kurzfristigen Zinsen liegen. Mit einer flacher

werdenden und irgendwann invertierenden Kurve signalisiert der Markt,

dass er damit rechnet, dass sich die Wirtschaftsleistung abschwächen

wird und die Zentralbank auf längere Sicht der Wirtschaft wieder mit

Zinssenkungen unter die Arme greifen muss.

Derzeit weist die Kurve zwar immer noch eine gewisse Normalität

auf, liegen die zehnjährigen Sätze ja noch über den zweijährigen

Sätzen, aber die Kurve ist enorm abgeflacht. Mit einem Zinsabstand

von rund einem halben Prozentpunkt weist sie den geringsten Abstand

seit dem Jahr 2007 auf. Anleger fragen sich damit natürlich, ob

dieser Trend jetzt noch anhalten wird und vor allem, ob die flache

bzw. später womöglich invertierende Kurve auch dieses Mal wieder

richtig den Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität und den Übergang

zur Rezession anzeigt.

In der Vergangenheit war das immer ein sicheres Signal. Jeder der

vergangenen fünf US-Rezessionen ging eine Inversion der Kurve voraus,

und zwar rund 24 Monate vor Beginn der Rezession. In der

Vergangenheit konnte laut Analysten nur ein einziges Mal eine

Inversion beobachtet werden, der nicht 24 Monate später eine

Rezession folgte. Das sind schon recht ordentlich Prognoseergebnisse

der Kurve. 2005/2006 invertierte die Kurve in den USA, 2007/2008

brach die Finanzkrise aus. Im Übrigen: Zu dieser Zeit war auch die

kanadische Kurve invertiert, die derzeit auch flach ist. Als Anfang

dieses Jahrtausends die Technologie-Bubble platzte, waren die Kurven

in den USA und Kanada zuvor ebenfalls flacher geworden und dann

invertiert.

Sicher, die Vergangenheit ist kein Garant für die Zukunft. Und

immer sind Menschen natürlich auch geneigt zu sagen: "Dieses Mal ist

es anders." Und die Tendenz zu einer derartigen Aussage ist natürlich

umso stärker, wenn es sich um negative Entwicklungen handelt, die da

womöglich auf einen zukommen. Anders ausgedrückt: Würden eine

abflachende Zinskurve und die spätere Inversion einen Aufschwung

ankündigen - was natürlich aufgrund der wirtschaftlichen

Implikationen so nicht möglich ist -, wären viele Menschen eher

geneigt, dem Signal zu vertrauen. Denn es kommt ja etwas Gutes auf

einen zu.

Es besteht derzeit kein Grund, in Panik zu verfallen, schließlich

ist die Kurve derzeit flach und nicht invers. Und natürlich können

noch genügend Entwicklungen eintreten, die die Kurve wieder steiler

werden lassen. Kurzum: An den US-Rentenmärkten brennt jetzt nicht

durchgehend die rote Alarmleuchte. Angesichts der Prognosegüte der

Zinsstrukturformationen sollte man diese Renditebewegungen als

Signalgeber nicht vom Tisch wischen und die flache Kurve als das

interpretieren, was sie ist: als gelbe Warnlampe, die angefangen hat

zu leuchten.

(Börsen-Zeitung, 28.04.2018)

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