02.06.2016 20:50:39
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Börsen-Zeitung: Der Politik ausgeliefert, Kommentar zur EZB von
Stephan Lorz
Frankfurt (ots) - Die EZB hat entschieden, nichts zu tun. Das ist
in der diffizilen Lage, in die sie sich gebracht hat, wohl auch das
Beste, was sie tun konnte. Zum einen sind die Signale, die aus der
Konjunktur und von der preislichen Seite kommen, höchst
widersprüchlich: Der Wirtschaft geht es zunehmend besser, aber die
Inflation will und will nicht anspringen - trotz anziehender
Ölpreise. Zum anderen zeigen sich immer mehr die mit Negativzinsen
und Geldschwemme einhergehenden gefährlichen Nebeneffekte -
ökonomisch wie politisch. Und schließlich untergräbt der aggressive
Lockerungskurs die Glaubwürdigkeit der Notenbank, weil trotz dieser
"unkonventionellen" Maßnahmen das Inflationsziel von knapp 2% nun
bereits seit 40 Monaten drastisch verfehlt wird. Die von der EZB
vorgelegte Prognose, wonach 2018 zumindest eine Teuerung von 1,6%
greifbar sein soll, ist nur ein Hoffnungswert. In der Vergangenheit
wurde er immer weiter in die Zukunft verlagert.
Die Zwickmühle, in der sich die Notenbank befindet, dürfte den
handelnden Geldpolitikern durchaus bewusst sein. Das zeigte sich auch
in der Pressekonferenz nach der Debatte im EZB-Rat. EZB-Präsident
Mario Draghi spielte sichtbar auf Zeit nach dem Motto: Bloß nicht in
Handlungszwang setzen lassen! Man müsse erst die Wirkung der bereits
beschlossenen Maßnahmen abwarten, hieß es etwa. Oder: Noch sei ein
Teil der im März beschlossenen Instrumente ja noch gar nicht
eingesetzt. Also warten. Und auf die Frage, was denn eigentlich
"mittelfristig" bedeute in der Mandatsvorgabe, Preisstabilität
erreichen zu wollen, sprach er nur davon, dass dies den Umständen
entsprechend interpretiert werden muss - und ergänzte
pflichtschuldigst, dass man natürlich sofort handeln werde, sobald
Zweitrundeneffekte auftauchten. Dann würden alle verfügbaren Mittel
eingesetzt.
Ohne Zutun der Politik, das räumt die EZB damit letztlich ein,
kommt sie nicht mehr aus ihrer heiklen Position heraus. Deshalb die
fast schon flehentliche - auch explizit an Berlin gerichtete - Bitte,
nun doch endlich die nötigen Strukturreformen anzugehen und mehr zu
investieren. Aber wenn es die Politik immer noch nicht begreift? Dann
geht es wohl weiter wie bisher. Von der EZB ist keinerlei Widerstand
zu erwarten. Draghi schwadronierte zudem von der Inflation als
monetärem Phänomen, das die Geldpolitik natürlich unabhängig von der
Politik angehen müsse. Warum sollten sich Regierungen unter diesen
Umständen durch Reformen Ärger mit ihren Bürgern einhandeln wollen?
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