01.03.2015 21:37:58

Ostthüringer Zeitung: Wolfgang Schütze kommentiert: Boris Nemzow/Wie in einem Mafia-Film

Gera (ots) - In der selektiven Wahrnehmung der westlichen Welt ist Boris Nemzow zuletzt kaum noch in Erscheinung getreten. Zu laut, zu dominierend sind der russische Präsident Putin und der Krieg in der Ukraine.

Womöglich wäre es dem Oppositionellen mit seinem letzten Rundfunk-Interview gelungen, in seiner Heimat und darüber hinaus jene Aufmerksamkeit zu finden, die so wichtig ist, damit sich die Zustände in Russland ändern. Doch als der Sender Echo Moskwy das Gespräch mitsamt der scharfen Kritik an Putins Politik in Schriftform veröffentlichte, war Nemzow schon Stunden tot. Hinterrücks erschossen.

Die Begleitumstände könnten aus einem der üblichen Mafiathriller stammen: Der schon etwas ältere Prominente und die sehr junge Begleiterin gehen allein durch den Abend im Moskauer Zentrum. Als die Schüsse fallen, verdeckt eine Straßenkehrmaschine die Szenerie auf einem verwaschenen Video. Die Begleiterin, eine Ukrainerin, bleibt unverletzt. Alle, auch der Präsident, geben sich entsetzt über die Bluttat...

Das ist der Stoff, aus dem Verschwörungstheorien sind. Wie üblich, laufen in Russland die Propagandamaschinen des Staates heiß. Information, Desinformation, schnell und verwirrend, kaum eine Chance lassend für unabhängige Überprüfung. Und in den sogenannten sozialen Medien sieht es keinen Deut besser aus. Je geringer das Wissen, um so schriller das Agieren.

Gut möglich, das Russland irgendwann einen Täter präsentiert. Ob damit aber der Mord wahrhaftig aufgeklärt ist, ist trotz der ausgelobten Belohnung von umgerechnet 45 000 Euro nicht sicher. Auch nicht, ob Ex-Geheimdienst-Offizier Putin etwas mit dem mutmaßlichen Auftragsmord an seinem Kritiker Nemzow zu tun hat. Man kann es glauben, man kann es aber auch sein lassen. Denn es hilft nicht weiter.

Wofür man aber den Präsidenten verantwortlich machen muss, ist das Klima in seinem Land, das einerseits von militärischem Größenwahn und verdrucksten Komplexen und anderseits von Angst und Bedrohung gekennzeichnet ist.

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