16.10.2013 20:23:59

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Schwarz-Grün gescheitert Ein Türspalt steht offen ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Bielefeld (ots) - Zwischen CDU, CSU und Grünen wird es also vorerst keine Koalition auf Bundesebene geben. Das ist erwartet worden. Überraschend ist eher, dass die Gespräche freundlich und entgegenkommend verliefen. Zur Verwunderung der Ökopartei gab es auf vielen urgrünen Themenfeldern Bewegung bei CDU und CSU: Von einer Bejahung der doppelten Staatsbürgerschaft bis zur Skepsis gegenüber Massentierhaltung. Dass es in der Summe doch nicht reichte, liegt nicht nur an den Grünen. Aber zweifellos stecken sie personell und inhaltlich in einem komplizierten Häutungsprozess. Ein klares neues Zentrum hat sich noch nicht herausgebildet. Ob die Partei wieder stärker in die gesellschaftliche Mitte strebt, ist nicht ausgemacht. Auf die Schnelle ist so eine Identitätssuche nicht hinzubekommen. Sollte es im Bund eine große Koalition geben, bestünde die Gefahr, dass sich die oppositionellen Grünen einen Wettlauf mit Gregor Gysis Linkspartei um das radikalere Profil liefern. Dann wäre die Tür zur Union trotz aller Nettigkeiten einer Oktobernacht schnell wieder zugeschlagen. Es muss aber nicht so kommen. Dass derzeit ein Türspalt offensteht, dürfte für Rückenwind bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Hessen sorgen. Soll Schwarz-Grün im Bund gelingen, wäre ein (erfolgreicher) Versuch in einem größeren Flächenland von Vorteil. Positiv wäre es zudem, wenn die Erfahrungen pragmatischer Landespolitiker künftig stärkeren Widerhall in der Berliner Zentrale finden. Dass Winfried Kretschmann, Robert Habeck oder Sylvia Löhrmann in der Bevölkerung große Erfolge erzielt haben, aber die Realos im Bund ein trübes Mauerblümchendasein im Schatten der Linken fristen, kann auf Dauer nicht gut sein. Jedenfalls dann nicht, wenn die Grünen in Zukunft wieder zweistellig werden wollen.

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