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05.04.2017 23:27:56

Mittelbayerische Zeitung: Moral ist mehr als Luxus / Putin und Trump machen eine zynische Rechnung auf. Europas Diplomatie kann wenig ausrichten.

Regensburg (ots) - Die Rahmenbedingungen für einen Waffenstillstand in Syrien sind so ungünstig, wie seit Beginn des Bürgerkriegs nicht. Russlands Präsident Putin sieht sich innenpolitischen Protesten gegenüber und verleiht zur Ablenkung dem Kampf gegen den islamischen Terrorismus neuen Schwung. Und Donald Trump lässt sich in seinen außenpolitischen Entscheidungen nicht von Moral, sondern ausschließlich von Eigeninteresse leiten. Deshalb macht er dem mörderischen Diktator Assad Hoffnungen, er könne als Verbündeter der Anti-IS-Koalition sein Amt, seine Macht und seine Pfründe behalten. Der Bombenanschlag am vergangenen Montag auf die Sankt Petersburger Metro dürfte beide Herren in ihrer Haltung bestärkt haben. Der Botschaft ans eigene Wahlvolk verleiht er blutiges Gewicht: Wenn die eigene Bevölkerung unter ständiger Bedrohung durch islamistische Anschläge lebt, ist Moral im außenpolitischen Handeln eben ein Luxus, den man sich nicht erlauben kann. Sowohl Putin als auch Trump machen in Syrien eine sehr zynische Rechnung auf: Der Feind unseres Feindes ist unser Freund. Da sie Assad als stabile Größe im Antiterrorkampf in der Region sehen, drücken sie bei Bombenangriffen auf die eigene Bevölkerung, bei Folter, Aushungern und sogar Giftgasattacken beide Augen zu. Im UN-Sicherheitsrat, wo Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen, scheitern deutliche Syrienresolutionen genau daran. Gegen die mehr oder weniger offene Assad-Unterstützung durch die beiden Großmächte können auch die Europäer wenig ausrichten. Immerhin haben sie gestern bei der internationalen Syrienkonferenz in Brüssel recht eindeutige Worte über das Giftgasverbrechen in der Provinz Idlib gefunden. Gegen eine sorgfältige Untersuchung des Vorfalls durch UN-Behörden sei ja wohl auch von russischer Seite nichts einzuwenden, erklärte der britische Außenminister Boris Johnson. Und EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, das syrische Regime trage die Hauptverantwortung für solche Grausamkeiten. Wer aber dieses Regime unterstütze, sei mitverantwortlich. Das ging deutlich in Richtung Wladimir Putin. Und auch Donald Trump konnte sich angesprochen fühlen. Doch damit sind die diplomatischen Möglichkeiten der Europäer auch schon ziemlich am Ende. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte zwar, man werde nicht mit europäischen Geldern wieder aufbauen, was andere mutwillig zerstört hätten. Doch genau das wird man ziemlich sicher eben doch tun, sobald die Waffen schweigen. Schließlich hat die EU in anderen Konfliktgebieten wie Gaza ebenso gehandelt. Sie hat, teilweise auch mehrfach, mit europäischen Hilfsgeldern repariert, was andere - in diesem Fall die israelische Armee - kaputt gebombt hatten. Doch noch stellt sich die Frage gar nicht, wer den Wiederaufbau bezahlt. Zunächst geht es darum, Hilfe für die leidenden Menschen in den Kriegsgebieten und den benachbarten Flüchtlingscamps zu organisieren. An Geld mangelt es ausnahmsweise nicht. Mehr als sechs Milliarden kamen bei der Londoner Syrienkonferenz vergangenes Jahr zusammen, und ähnlich großzügig zeigten sich die Teilnehmer gestern auch in Brüssel. Aber in vielen Fällen ist es unmöglich, mit den Hilfslieferungen und der ärztlichen und sozialen Versorgung bis zu den Menschen im Kriegsgebiet vorzudringen. Der EU bleibt also nur, sich für Sicherheitskorridore einzusetzen und weiter um einen Waffenstillstand zu ringen. Auch müssen die Nachbarländer, die die Hauptlast der Flüchtlinge tragen, mehr als bisher unterstützt werden. Sonst, das hat Außenminister Sigmar Gabriel gestern zu Recht betont, ist auch dort die politische Stabilität in Gefahr.

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