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03.09.2022 14:47:00

Mahrer: Russland-Sanktionen "nur mit einer Gehirnhälfte gedacht"

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sieht die wirtschaftliche Situation wegen der Energiekrise ernster als während der Covid-Krise und wirft der EU-Kommission (neuerlich) vor, bei den Russland-Sanktionen "nur mit einer Gehirnhälfte" gedacht zu haben. Wenn Betriebe zusperren müssten, weil sich die EU-Kommission "zu gut und zu nobel" sei, das Strompreisdesign zu ändern, "dann ist das eine Art Anschlag auf die gesamte europäische Wettbewerbsfähigkeit, sagte er im Ö1-Radio.

Ähnlich wie der Faserhersteller Lenzing, der wegen des hohen Energiepreises seine Produktion im Burgenland zurückfahren muss, würden viele unterschiedlicher Branchen und Betriebsgrößen über solche Maßnahmen nachdenken, sagte Mahrer am Samstag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast". Die Sozialpartner hätten schon seit dem Frühjahr gemeinsam davor gewarnt, dass es zu einer solchen Situation kommen könnte, "wenn nicht rechtzeitig auf europäischer Ebene gehandelt wird". Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, ÖGB, Industriellenvereinigung und Landwirtschaftskammer seien alle "höchst alarmiert, weil wir so eine Situation noch nie hatten".

Viele Exportbetriebe seien am internationalen Markt nicht mehr konkurrenzfähig, "weil die Preise, die die Betriebe weitergeben müssten, niemand global bezahlt", sagte der Wirtschaftskammer-Präsident. Dabei gehe es um energieintensive Betriebe im metallverarbeitenden Bereich, um die Papierindustrie und Kartonagen und um den Chemiebereich. Das seien nicht nur große Betriebe, sondern gehe auch bis zu mittleren und kleineren Bäckereien, Tischlereien und Betrieben des Gewerbes und des Handels.

Der EU-Kommission warf Mahrer vor, die Sanktionen "nur mit einer Gehirnhälfte" gedacht zu haben, nämlich ohne notwendige Begleitmaßnahmen, und "das Irrlichtern der Kommission geht ja munter weiter", etwa beim geplanten "Preisdeckel" für russisches Pipeline-Gas. Dieses Gas sei nämlich günstiger als verflüssigtes LNG. "Das Thema ist ja der hohe Preis an den Spotmärkten der Börsen, und nicht primär das russische Pipeline-Gas. Ich glaube, da sollen wieder Sanktionen beschlossen werden, das ist die eigentliche Idee der Kommission, und nicht etwas, das uns helfen würde."

Wichtig wäre es, den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln, forderte Mahrer. Wenn das eine gewisse Zeit brauche, "muss die Republik, weil das eine Ausnahmesituation ist, wir reden von einer kriegsähnlichen Wirtschaft, wo normaler Marktmechanismen nicht greifen, selbstverständlich die privaten Haushalte, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Betriebe unterstützen." Die Sozialpartner hätten schon im Frühjahr angeregt, im Bereich des Teuerungsausgleichs für Haushalte und Betriebe etwas zu machen. Ein Paket liege bei der Europäischen Union zur Genehmigung, "wobei man dazu sagen, muss, der Budgetrahmen, der da beschlossen worden ist, ist viel zu klein".

Die Lohnverhandlungen der Branchen wollte Mahrer im Detail nicht kommentieren - "ich vertraue darauf, dass die Branchenpartner sich nicht überfordern, und ich gehe davon aus, dass am Ende des Tages - diesmal vielleicht schwieriger als sonst, aber trotzdem - Lösungen gefunden werden, die für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut sind, und die den Betrieben auch Luft lassen, auch in Zukunft weiter operieren zu können." Ob es in diesem Herbst auch zu Streiks kommen könnte? "Ich hoffe das nicht", so Mahrer.

Kritik an Mahrers Aussagen übte FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer, der von einem "reinen Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen" sprach. "Dieses Abschieben der Verantwortung auf die EU ist lediglich ein Zeichen von politischer Schwäche sowie mangelndem Umsetzungsvermögen, denn auch die schwarz-grüne Regierung, aber auch seine Wirtschaftskammer haben in dieser Frage in der Pendeluhr geschlafen", so Angerer in einer Aussendung.

ivn/hac

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