17.12.2009 17:12:10

Kartellamt soll Möglichkeit zur Unternehmenszerschlagung erhalten

   BERLIN (Dow Jones)--Das Bundeskartellamt soll in Zukunft die Möglichkeit zur Zerschlagung marktbeherrschender Unternehmen erhalten. Wie aus dem Dow Jones Newswires vorliegenden Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) für ein Gesetz zur Einführung von Entflechtungsinstrumenten in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen hervorgeht, soll das Bundeskartellamt als "ultima ratio" nach einer intensiven Marktanalyse die Option haben, "marktbeherrschende Unternehmen zum Verkauf oder zur Verselbstständigung von Vermögensteilen zu zwingen". Bis Januar 2010 will das BMWi einen Referentenentwurf dazu vorlegen.

   Bisher gebe es für Märkte mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung, auf denen der Wettbewerb erstarrt und eine Belebung durch natürliche marktwirtschaftliche Entwicklungen auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, kein "kartellbehördliches Instrumentarium", um diese strukturelle Schwäche zu beseitigen. Ein effektives Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollte für außergewöhnliche Fälle solche Maßnahmen zum Schutz des Wettbewerbs bereithalten, heißt es zur Begründung im Eckpunktepapier.

   Das Eingreifen des Kartellamtes soll an strikte Voraussetzungen gebunden werden. Es geht dabei zum einen um Fälle, in denen ein kartellrechtswidriges Verhalten nur wirksam und verhältnismäßig abgestellt werden kann, indem in die Unternehmensstruktur eingegriffen werde. Zum anderen geht es um hoch konzentrierte, gesamtwirtschaftlich bedeutsame Märkte, auf denen zwar noch kein konkreter Missbrauch festgestellt wurde, auf denen aber kein oder kaum Wettbewerb herrscht, obwohl Wettbewerb technisch möglich und ökonomisch sinnvoll wäre.

   "In diesen besonderen Fällen muss kein Missbrauch der Marktbeherrschung nachgewiesen werden, wenn die Ursache für den unzureichenden Wettbewerb die verfestigte Marktmacht eines oder mehrerer Unternehmen ist und zu erwarten ist, dass sich dieser wettbewerbsgefährdende Zustand mit seinen negativen Folgewirkungen auf absehbare Zeit nicht ändern wird", heißt es im Eckpunktepapier des BMWi. Unter diesen Voraussetzungen könne der staatliche Eingriff in die Unternehmens- und Marktstruktur der einzige Weg sein, den Wettbewerb zu beleben.

   Das Kartellamt soll nur eingreifen können, wenn die Märkte von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung sind und davon auszugehen ist, dass nur die konkrete Entflechtungsmaßnahme die Wettbewerbsbedingungen spürbar verbessern kann. "Der scharfe Eingriff ist dann als ultima ratio gerechtfertigt, um Wettbewerb zum Vorteil der Verbraucher und der Gesamtwirtschaft anzustoßen oder zu ermöglichen", heißt es im Papier.

   Den betroffenen Unternehmen sollen im Entflechtungsverfahren Mitwirkungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Das Unternehmen soll Vorschläge für seine Unternehmensumgestaltung machen können.

   Der mögliche Inhalt der Entflechtungsmaßnahme wird gesetzlich nicht vorgegeben, um die geeignete und mildeste Form des Eingriffs anordnen zu können. In Betracht kommen neben der Veräußerung alle zielführenden Maßnahmen, die eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen erwarten lassen. Möglich sind sowohl horizontale Eingriffe auf derselben Marktstufe wie auch eine vertikale Entflechtung wie etwa ein Verkauf von Gesellschaften, die auf vorgelagerten Marktstufen tätig sind.

   Ein von dem Unternehmen ausgesuchter Erwerber für Vermögensteile bedarf der Zustimmung des Bundeskartellamts. Erwerber dürfen mit dem betroffenen Unternehmen nicht konzernmäßig verbunden, auf dem betroffenen Markt nicht marktbeherrschend sein oder durch den Erwerb werden. Das Bundeskartellamt kann zudem seine Zustimmung verweigern, wenn sich nach seiner Einschätzung durch den vorgeschlagenen Erwerber keine besseren Wettbewerbsbedingungen erreichen lassen. Das Unternehmen erhält bei einer angeordneten Vermögensveräußerung als Kompensation den Verkaufserlös.

   Das betroffene Unternehmen muss die vom Bundeskartellamt angeordnete Abtrennung von Vermögensteilen in einem angemessenen Zeitraum durchführen. Geschieht dies nicht, muss die Entflechtungsanordnung letztlich auch zwangsweise durchsetzbar sein. Dafür wird ein Treuhänder eingesetzt, der gegebenenfalls den vom Bundeskartellamt bestimmten Vermögensteil versteigert, heißt es weiter im Eckpunktepapier.

-Von Andrea Thomas und Beate Preuschoff, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888 4122, berlin.de@dowjones.com DJG/bep/aat/kth Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de (END) Dow Jones Newswires

   December 17, 2009 10:39 ET (15:39 GMT)

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