EURO STOXX
08.11.2007 15:42:00
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HINTERGRUND: Löscher bringt Siemens nach nicht mal sechs Monaten auf Linie
Die Aktie übersprang die 100 Euro und lag am Nachmittag rund acht Prozent im Plus bei 102,68 Euro - dem höchsten Stand seit Ende Juli. Damit schloss Siemens in puncto Marktgewicht zum Energiekonzern E.ON auf und lieferte sich mit diesem im Laufe des Tages ein Kopf-an-Kopf-Rennen um dem Titel des teuersten deutschen Unternehmens.
Die Analysten sparten dann auch nicht mit Lob: Theo Kitz von Merck Finck gab sich positiv überrascht, dass im vierten Quartal alle Geschäftsbereiche bereits ihre Margenziele für 2010 erreicht haben. Er werde seine Gewinnprognose für 2008 wahrscheinlich erhöhen. Roland Pitz von UniCredit sprach von "soliden Ergebnissen" und wertete den angekündigten Aktienrückkauf über 10 Milliarden Euro binnen drei Jahren als "positive Überraschung." Den Anlegern dürfte zudem die erhöhte geplante Dividende von 1,60 Euro je Aktie freuen.
AFFÄRE KOSTET MILLIARDENBETRAG
Leisten kann es sich Siemens trotz der jüngsten Skandale. Zwar kostete die Schmiergeldaffäre das Unternehmen laut Finanzchef Joe Kaeser zwischen 1,3 und 1,4 Milliarden Euro im Gesamtjahr, zusammengesetzt aus Steuernachforderungen, Bußgeldern und Anwaltshonoraren. Alleine das vierte Quartal sorgte mit weiteren gefundenen 857 Millionen Euro an dubiosen Zahlungen für eine Steuerschuld von 339 Millionen Euro. Dies bescherte Siemens zusammen mit anderen Belastungen Siemens einen Verlust von 74 Millionen Euro im Vierteljahr. Doch verdiente der Konzern im Gesamtjahr 2006/07 unterm Strich 4 Milliarden Euro und damit ein Fünftel mehr als im Vorjahr.
Doch mit dem Erreichten gibt sich Peter Löscher nicht zufrieden, gleichwohl er von einem "sehr guten Ergebnis" sprach. So schraubte er die erst jüngst angegebenen Ziele weiter nach oben. Er will, dass Siemens doppelt so schnell wächst wie die Weltwirtschaft und dass sich der Gewinn noch weit stärker verbessert. Die Vorgaben schlagen sich in höheren Margenzielen für die neuen drei Sektoren wieder, die aus den heutigen neun Bereichen gebildet werden. Für den Gesundheits-Sektor, in dem die heutige Medizintechnik aufgeht, lautet die Vorgabe auf 14 bis 17 Prozent; zuvor waren es 13 bis 15 Prozent. Für die beiden anderen neuen Sektoren Industrie und Energie werden die Ziele Anfang kommenden Jahres bekanntgegeben, wenn der Umbau startet. Im Moment schwanken die Ziele zwischen 5 und 15 Prozent.
LÖSEN VOM ERBE
Mit der Anhebung löst sich Löscher auch vom Erbe seines Vorgänger Klaus Kleinfeld. Dieser hatte kurz vor der Amtsübergabe das Programm "Fit for 2010" aufgelegt und darin auch die Margenziele festgeschrieben. Unter Löscher hat sie das Unternehmen erreicht und das drei Jahre früher als geplant. Und nicht nur die klassischen Ertragsperlen Automatisierungstechnik, Kraftwerksbau, Energieverteilung und Medizintechnik glänzten. Auch die lange Zeit verlustbringende IT-Sparte verdiente Millionen.
Löscher macht auch vor dem Machtzentrum des Konzerns, dem Zentralvorstand, nicht Halt, hatte sich doch in der Schmiergeldaffäre das grundlegende Problem dieses Konstrukts gezeigt: Niemand war richtig verantwortlich für das, was auf der Bereichsebene passierte. Denn die Zentralvorstände berieten offiziell nur, "Coaching" genannt in der Siemens-Sprache. In der neuen von Löscher geprägten Siemens-Welt hat jeder Vorstand eine klare Aufgabe und - noch entscheidender - klare Verantwortlichkeiten. Neben den übergreifenden Aufgaben wie Finanzen wird es Vorstände für die Regionen und für die drei Sektoren geben.
KEIN WANDEL OHNE AFFÄRE
Kappen will Löscher die Kosten für die Verwaltung und den Vertrieb. Dagegen sollen die operativen Einheiten weiter wachsen, womit Löscher auch die Frage nach Stellenstreichungen beantwortete. Zum Ende September arbeiteten insgesamt 471.000 Menschen für das Unternehmen, ein Drittel davon in Deutschland. Durch den Verkauf von des Autozulieferers VDO und das Auslagern des größten Teils der Kommunikationssparte Com in das Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks verlassen aber viele Mitarbeiter Siemens.
Dafür sind im abgelaufenen Geschäftsjahr neue hinzugekommen durch den Kauf des Dampfturbinen-Spezialist Kühnle, Kopp & Kausch, der US-amerikanischen Software-Firma UGS sowie des Labordiagnostika-Herstellers Bayer Diagnostics. Ganz frisch in der Familie ist das US-Unternehmen Dade Behring, das ebenfalls Dignostika für Labore herstellt.
Ohne die Schmiergeldaffäre sei ein solch tief greifender Wandel kaum möglich gewesen, sagte Finanzchef Joe Kaeser und stellte sich damit hinter seinen Vorstandsvorsitzenden. So wie es im auch die Kunden taten: Denn trotz allen Wirbels blieben sie dem größten deutschen Industriekonzern treu. Der Auftragseingang stieg im vergangenen Jahr - VDO ausgeklammert - von 74,9 auf 83,9 Milliarden Euro; der Umsatz ging von 66,5 auf 72,4 Milliarden Euro hoch. Viele Fabriken laufen auf Volllast.
MIT VERGANGENHEIT ABSCHLIESSEN
Löscher ist nun daran gelegen, mit der unrühmlichen jüngste Vergangenheit schnell abzuschließen und dafür zu sorgen, dass sich ähnliche Vorfälle nicht wiederholen. "Wir sind nur interessiert an sauberen Geschäften - immer und überall." Das gelte auch für solche Ländern, in denen vermeintlich nur mit Schmiergeld an Aufträge heranzukommen ist, machte er deutlich. "Das Thema Compliance ist die erste Priorität unseres Hauses."
Löscher muss dies sagen, ist das Thema Schmiergeld doch noch nicht ganz abgehakt. Heerscharen von US-Anwälten ermitteln weiter im Auftrag und auf Kosten des Unternehmens und berichten direkt an die US-Börsenaufsicht SEC. Peter Löscher wird in den kommenden Wochen bei der Behörde vorstellig werden. "Ich war bislang noch nicht dort", bekannte er. Seinen Gang begleiten werden Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und Compliance-Vorstand Peter Solmssen. Auch sie folgen Löschers Linie./das/zb --- Von Daniel Schnettler, dpa-AFX ---
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