22.06.2013 10:04:33

HINTERGRUND: Die Fed steigt langsam aus - und provoziert heftige Reaktionen

    FRANKFURT (dpa-AFX) - Es steht endlich fest: Die amerikanische Notenbank Fed will auf absehbare Zeit die heimischen Finanzmärkte vom Tropf nehmen. In etwa einem Jahr könnte die mächtigste Notenbank der Welt ihre Eingriffe am Markt für Staatsanleihen und Hypothekenpapiere beenden, wie Fed-Chef Ben Bernanke Mitte der Woche erklärte. Auf diesen Zeitplan haben Investoren und Beobachter lange gewartet. Man sollte meinen, die Klarheit sorgt für Beruhigung - das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

    Die Marktreaktionen, ausgelöst durch wenige Bemerkungen Bernankes, sind drastisch. Aktien- und Anleihemärkte stehen nicht nur in den USA unter Druck. Am Devisenmarkt legt der amerikanische Dollar sprunghaft zu, weil das absehbare Ende der Geldschwemme dem Außenwert des Dollar weniger schaden dürfte. Währungen großer Industrieräume wie der Euro, das britische Pfund und der japanische Yen werten ab. Besonders hart trifft es aber die Schwellenländer, deren Börsen und Währungen nicht erst seit den klaren Worten Bernankes an Boden verlieren. Sicheren Häfen wie Gold und Silber ergeht es ähnlich, weil weniger Zentralbankgeld gegen eine höhere Inflation spricht. Sind die Reaktionen gerechtfertigt?

    Beobachter kommen zu unterschiedlichen Schlüssen. Während etwa die Volkswirte der US-Bank Goldman Sachs Verständnis für die Anleger aufbringen, schütteln andere Beobachter ungläubig den Kopf. Zu ihnen gehört Chefanalyst Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank: Vielen sei offensichtlich entgangen, dass Bernanke den Märkten eine "Vollkaskoversicherung" geliefert habe. Worauf Hellmeyer anspielt: Die Fed wird ihre milliardenschweren Anleihekäufe nur dann verringern, wenn die amerikanische Konjunktur anzieht. Andernfalls könnte sie ihre Geldschwemme sogar ausweiten. Denn die Fed betrachtet ihre Wertpapierkäufe mittlerweile als flexibles Instrument, das der Konjunkturlage angepasst werden kann. Das bedeutet: Der Plan, die Flut billigen Zentralbankgeldes zu verringern, kann jederzeit revidiert werden.

    Darüber hinaus ist klar: Selbst nach Einstellung der quantitativen Lockerung bleibt die Geldpolitik der Federal Reserve noch lange extrem expansiv. Das hat mehrere Gründe. Zunächst ist mit einer Erhöhung der amerikanischen Leitzinsen vor 2015 nicht zu rechnen. Denn die Fed hat ihre Zinspolitik an die Entwicklung am Arbeitsmarkt gekoppelt. Solange die Arbeitslosenquote, die gegenwärtig bei 7,6 Prozent liegt, nicht unter die Marke von 6,5 Prozent fällt, wird sich an der faktischen Nullzinspolitik nichts ändern. Und selbst bei einem Unterschreiten der Marke ist nichts gewiss: Zum einen sieht die Fed eine niedrigere Arbeitslosenquote nicht als Auslöser für automatische Zinsanhebungen. Zum anderen kann der selbstgesetzte Schwellenwert auch jederzeit verringert werden, wie Bernanke am Mittwoch erklärte.

    Auch erscheint es zumindest fragwürdig, den Kurswechsel der Fed als nahenden "Ausstieg" zu bezeichnen. Schließlich kauft die Notenbank immer noch Staatsanleihen und mit Hypotheken besicherte Wertpapiere (MBS) im Wert von 85 Milliarden Dollar je Monat. Es ist bereits die dritte Kaufrunde seit der Finanzkrise 2008. Seither hat die Fed Staatsanleihen und MBS-Papiere im Wert von mehr als drei Billionen Dollar in ihre Bücher genommen. Das entspricht etwa zwanzig Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA. Abhängig von dem Tempo und dem exakten Zeitpunkt des "Ausstiegs" könnte die Bilanzsumme der Fed bis Mitte 2014 auf vier Billionen Dollar anschwellen.

    Hinzu kommt: Selbst bei einem Kaufstopp entzieht die Fed den Finanzmärkten kein Geld - sie pumpt nur kein zusätzliches mehr hinein. Laut Fed-Chef Bernanke sollen zumindest die Hypothekenpapiere - sie machen einen großen Teil der Schuldtitel im Fed-Besitz aus - bis zur Fälligkeit gehalten werden. Angesichts überwiegend langer Laufzeiten werden die Finanzmärkte noch eine ganze Weile über einen hohen Überschuss an Zentralbankgeld verfügen. Von Liquiditätsknappheit kann keine Rede sein.

    Der eigentliche Grund für den jüngsten Ausverkauf an vielen Börsen und Anleihemärkten könnte letztlich ganz woanders liegen: Offenbar trauen Investoren der amerikanischen und globalen Konjunktur noch nicht zu, ohne die Geldspritzen großer Notenbanken auf eigenen Beinen zu stehen. "Es herrscht die Angst vor, dass die Fed den Geldhahn zu früh zudreht", bringt es das britische Handelshaus ETX Capital auf den Punkt. Verstärkt werden derartige Sorgen insbesondere von der gegenwärtigen Wachstumsschwäche der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft China. Unter dem Strich dürfte die Frage offen bleiben, ob die Fed ihren Plan zum "Ausstieg" aus der Geldschwemme umsetzen kann./bgf/hbr/kja

    --- Von Bernhard Funck, dpa-AFX ---

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