02.07.2007 14:03:00

FOKUS: Rabattverträge bringen Generika-Markt in Bewegung

Von Richard Breum und Heide Oberhauser-Aslan

   Dow Jones Newswires

   DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die Rabattverträge, die Krankenkassen im Zuge der Gesundheitsreform mit Generika-Herstellern schließen, sorgen ein Vierteljahr nach ihrer Einführung für Unruhe unter den Anbietern. Während kleine Hersteller auf wachsende Marktanteile verweisen, beurteilen die großen deutschen Unternehmen die Verträge uneinheitlich. Und Analysten erwarten Einschnitte in den Vertriebsstrukturen, wenn nicht mehr die Außendienstler, sondern die Ausschreibungen der Kassen den Medikamentenabsatz wesentlich beeinflussen.

   "Das Geschäftsfeld der pharmazeutischen Industrie wird sich ruckartig ändern", erwartet IMS Health, das weltweit größte Marktforschungsunternehmen für die Branche. So haben die Hersteller jetzt plötzlich eine neue Kundengruppe: die Kassen. "Für viele heißt das, unter Hochdruck Neuland betreten", denn Generika-Hersteller ohne solche Verträge verlieren Umsatz. Im Juli werden die Karten in diesem Spiel noch einmal neu gemischt: Dann schreibt die größte deutsche Krankenkasse AOK ihre Verträge mit den Medikamentenherstellern neu aus.

   Um ihre Arzneimittelkosten zu senken, dürfen die gesetzlichen Kassen in Deutschland mit Herstellern über Preise verhandeln und Rabattverträge abschließen. Seit dem 1. April soll der Arzt möglichst keine bestimmten Präparate, sondern nur noch den vereinbarten Wirkstoff verordnen. Der Apotheker gibt dem Kassenpatienten dann stets das von der jeweiligen Krankenkasse ausgehandelte Präparat eines im Vertrag festgelegten Anbieters.

   Die Kassen verweisen bereits auf "massive Einsparungen": So gibt die Deutsche BKK, Deutschlands größte Betriebskrankenkasse, an, mit Hilfe ihrer Rabattverträge sänken ihr Arzneimittelkosten monatlich um 500.000 EUR. Viel hängt deshalb jetzt von der neuen Ausschreibung der AOK ab. Ihre Vertragsabschlüsse sind für die Branche deshalb bedeutsam, weil die Kasse für rund 40% aller verordneten Medikamente in Deutschland zahlt. Insgesamt hat der deutsche Apothekenmarkt mit rezeptpflichtigen Mitteln rund 17 Mrd EUR Volumen, wenn man die Abgabepreise der Hersteller zugrunde legt.

   Die Folgen der Verträge auf dem Markt der Gesetzlichen Krankenversicherung seien mittlerweile "deutlich", heißt es bei IMS. So hätten die drei großen Generikaunternehmen in Deutschland - das sind Hexal, Ratiopharm und Stada - etwa beim bekannten Cholesterinsenker Simvastatin rund 20% Marktanteil verloren.

   Denn bei der ersten Vertragsrunde im vergangenen Jahr hatte die AOK die drei großen Generikahersteller nicht ins Boot bekommen - die angebotenen Bedingungen waren den deutschen Marktführern zu schlecht. Als "Knebelverträge" bezeichnet denn auch der Verband "Pro Generika" die Abmachungen. Für 43 Wirkstoffe hat die Kasse daher schließlich Verträge mit kleinen Herstellern geschlossen - oder mit den deutschen Töchtern von internationalen Konzernen wie Teva und Actavis. Weil die kleineren Anbieter Chancen auf einen Ausbau ihres Marktanteils sehen, nehmen sie auch schlechtere Konditionen in Kauf.

   Stada, die Nummer drei auf dem deutschen Generika-Markt, wollte sich aktuell nicht zu dem AOK-Vertrag äußern. Ein Sprecher hob jedoch die Rabattverträge mit anderen Krankenkassen hervor. Der Stada-Direktvertrieb hat bisher 20 Verträge mit verschiedenen Kassen geschlossen, die 41 Millionen von insgesamt 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland vertreten.

   Dazu komme der Rabattvertrag der Vertriebstochter Stadapharm mit der Barmer Ersatzkasse über ihr gesamtes Generikasortiment. Stadapharm komme mit einem einzigen Vertrag auf ein höheres Verordnungsvolumen als die auf einzelne Wirkstoffe bezogenen AOK-Verträge der Wettbewerber Teva und Actavis zusammen, heißt es bei Stada: Allein das jährliche Verschreibungsvolumen von Stadapharm mit der Barmer liegt laut Unternehmen bei 448 Mio EUR, während der Wettbewerber Teva bei seinen über den AOK-Vertrag abgesicherten Wirkstoffen nur auf 71 Mio EUR komme.

   Kritik an den Verträgen kommt von Ratiopharm, der Nummer zwei der Branche in Deutschland. Rabattverträge seien ein "Experiment mit ungewissem Ausgang", sagte Geschäftsführungsvorsitzender Philipp Daniel Merckle. Die Politik wolle zwar mehr Wettbewerb, habe aber keinen geeigneten Ordnungsrahmen gesetzt. Ratiopharm hat unter anderem Verträge mit der DAK und mit der Techniker Krankenkasse abgeschlossen. "Um über Erfahrungen zu berichten, ist es noch zu früh", sagte allerdings Unternehmenssprecher Jörg Nitschke.

   Die Sandoz-Tochter Hexal als Branchenführer in Deutschland steht den Kassenverträgen im Prinzip positiv gegenüber. Eine Sprecherin verweist auf die Abmachungen mit Krankenkassen DAK, Barmer und Knappschaft, die jeweils über das Gesamtsortiment abgeschlossen wurden. "Auch einer Zusammenarbeit mit der AOK standen und stehen wir offen gegenüber", sagte die Sprecherin.

   Bei den vergangenen AOK-Auschreibungen habe es jedoch einige nicht akzeptable Punkte gegeben. So habe nicht der Herstellerabgabepreis, sondern der Apothekenverkaufspreis als Basis für den geforderten Preisabschlag gedient. "Das hätte bedeutet, dass wir Grosshandels- und Apothekenzuschläge sowie die Mehrwertsteuer hätten rabattieren müssen", erläuterte die Sprecherin.

   Analysten sind sich über die genauen Folgen der Rabattverträge auf die Branche nicht sicher. So ist noch unklar, ob kleine Anbieter Marktanteile auf Dauer gewinnen können. Möglich sei ebenso, dass die Kleinen langfristig Nachteile hätten: Der Konzentrationsprozess in der Generikabranche könnte sich wegen der Verträge auch beschleunigen, etwa wenn größere Unternehmen mit einem kompletten Angebot kleine verdrängten.

   Analyst Ulrich Huwald von M.M. Warburg hält es für möglich, dass bei der AOK im Rahmen der neuen Verhandlungsrunde die drei großen Hersteller wieder zum Zuge kommen. "Auswirkungen könnte das auf den Vertrieb dieser Anbieter haben", sagt er.

   Stada-Vorstandsvorsitzender Hartmut Retzlaff schließt personelle Einschnitte bei Generika-Vertriebsgesellschaften ebenfalls nicht aus: "Wenn ein wesentlicher Teil der Nachfrage nachhaltig nicht mehr über Außendienste, sondern über Rabattverträge generiert werden sollte, kann dies nicht ohne erhebliche Auswirkungen auf die Außendienststärke bleiben." Bei Stada liegt die Soll-Stärke im Generika-Außendienst bei 240 Stellen - momentan sind sie hier jedoch bereits "in einem erhöhten Maße Stellen unbesetzt", wie das Unternehmen Ende Juni auf der Hauptversammlung erklärte.

   Die Engpässe, die es in den vergangenen Monaten in Apotheken gab, weil kleinere Hersteller vereinbarte Mittel nicht im erforderlichen Umfang liefern konnten, sind nach Einschätzung von Analyst Huwald nur Anlaufschwierigkeiten: "Künftig wird man wohl Konventionalstrafen in die Verträge aufnehmen." Anbieter dürften sich dann gut überlegen, Verträge zu schließen, ohne zugleich eine ausreichende Belieferung sicherstellen zu können.

   Webseiten: http://www.aok.de/

   http://www.progenerika.de/

   http://www.stada.de/

   http://www.ratiopharm.de/

   http://www.hexal.de/

   - VonRichard Breum und Heide Oberhauser-Aslan, Dow Jones Newswires;

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