29.08.2008 12:09:00

Finanzkrise droht deutsche Bauwirtschaft zu erfassen

   FRANKFURT (Dow Jones)--Die seit mehreren Quartalen zu beobachtende Drosselung bei der Kreditvergabe in Europa hat die deutsche Bauwirtschaft bislang zwar noch nicht in voller Schärfe erfasst, doch mehren sich Äußerungen, wonach die Finanzierung von Projekten schwieriger geworden ist und die Branche insgesamt in ein deutlich schwereres Fahrwasser geraten könnte. Zunehmend agierten Banken riskioscheu und verlangten höhere Sicherheiten, sagen Brancheninsider.

   Ein erstes Opfer hat die internationale Kreditkrise in der Bauwirtschaft schon gefunden. Das Großprojekt "Fehrbelliner Höfe" in Berlin-Mitte der Orco Property Group ist Anfang August wegen Finanzierungsproblemen plötzlich gestoppt worden. Das Projekt sah vor, in Berlins bester Lage an der Grenze zwischen Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg 154 Luxuswohnungen zu errichten und zu Quadratmeterpreisen von 3.800 EUR zu verkaufen.

   Sabrina Eilers, die Sprecherin von Orco, begründete die Entscheidung mit stetig steigenden Zinsen für Darlehen, verursacht durch die Immobilienkrise in den USA und in Großbritannien. "Die Verteuerung des für ein solches Projekt notwendigen Kapitals und die parallel steigenden Baukosten machen es sinnvoll, lieber jetzt zu stoppen als mittendrin", so die Orco-Sprecherin. Das Unternehmen kündigte darüber hinaus an, alle kapitalintensiven Wohnprojekte entweder zurückzustellen oder gar zu verkaufen. Die Baufirma wolle sich stattdessen stärker auf sein Geschäft mit Gewerbeimmobilien konzentrieren.

   Der Baustopp von Berlin ist nur das sichtbarste Zeichen, dass auch die deutsche Bauindustrie infolge der weltweiten Kreditkrise in schwereres Fahrwasser geraten könnte. Anfang des Monats hat die Europäische Zentralbank (EZB) eine Umfrage veröffentlicht, in der die EZB mehr als hundert europäische Banken nach den Auswirkungen der Subprime-Krise befragt hatte.

   44% der befragten Banken gaben dabei an, dass sie ihre Anforderungen hinsichtlich der zu hinterlegenden Sicherheiten sowohl für Unternehmer als auch für Verbraucher merklich erhöhen wollten. Zudem machten 45% der befragten Banken deutlich, dass sie mit einer weiteren Verschärfung ihrer Kreditkonditionen in der Zukunft rechneten.

   Dabei, so ergab die EZB-Umfrage, war das Baugewerbe von der Verknappung der Kredite in besonderer Weise betroffen. So hatten es "Häuslebauer" in Europa zwischen den Monaten April bis Juni schwerer, eine Baufinanzierung zu erhalten. 30% der Banken berichteten von einer strengeren Vergabepraxis - so verlangten sie mehr Eigenkapital sowie höhere Sicherheiten und setzten Kredite auf immer kürzere Laufzeiten.

   Diese Tendenz wird, zumindest in Teilen, zunehmend auch von der deutschen Bauindustrie beobachtet. Jörg Rosenhöfer von der Kölner Strabag AG sagte, dass zwar sein Haus keinerlei Refinanzierungsprobleme habe, er jedoch durchaus allgemein Auswirkungen der Subprime-Krise auch im deutschen Baugewerbe sehe. So sei es für ihn ganz offensichtlich, dass die Banken ihre Kreditkonditionen merklich angezogen hätten.

   Ähnlich sieht es auch der Sprecher des Mannheimer Baukonzerns Bilfiger Berger AG, Martin Büllesbach. "Nach wie vor ist es für ein Haus wie Bilfiger Berger aufgrund seiner erstklassigen Bonität kein Problem, sich Mittel zu besorgen", so Büllesbach. Doch hätten sich die Konditionen "allgemein klar verschlechtert, die Finanzierung besonders von sogenannten Betreiberprojekten ist schwieriger geworden, weil die Banken zunehmend risikoscheu agieren".

   Die Beobachtung deutscher Baukonzerne wird zudem von einer Studie der CB Richard Ellis untermauert. Das Unternehmen mit Sitz in Los Angeles sieht sich als weltweit führend im Bereich der Gewerbeimmobilien. Neben dem Projektmanagement sowie Immobilienleasing- und verkauf gehört die strategische Beratung zu den Kernkompetenzen von CB Richard Ellis.

   In der Studie wurden die Vergabekriterien in 19 europäischen Ländern und deren Abweichung gegenüber Mitte 2007 untersucht. Beinahe alle Banken hätten demnach im Lichte der Finanzkrise ihre Vergabepraxis neu überdacht und wurden etwas restriktiver. Die Folgen dieses Wandels sind hauptsächlich höhere Kreditspannen, niedrigere Kreditraten und höhere Vormietungsleistungen als Bedingung für eine Kreditvergabe.

   Mit besonderer Besorgnis wird diese Entwicklung in Ostdeutschland gesehen. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) warnt vor einer zunehmenden Verschärfung der Kreditrichtlinien: Dies hätte Folgen für die gesamte Wirtschaft in den neuen Bundesländern, die keinesfalls auf die Bauwirtschaft beschränkt blieben. Der Grund dieser Besorgnis liege in der immer noch deutlich schwächeren Kapitalausstattung der Unternehmen in Ostdeutschland.

   Der Konjunkturforscher des IWH, Professor Udo Ludwig, erklärt, dass allgemein bei Anlageinvestitionen in Deutschland die Faustregel gelte, dass 70% eigenfinanziert und 30% kreditfinanziert seien. In Ostdeutschland aber, so Ludwig, betrage der Eigenanteil "nur 50% - wenn überhaupt". Eine andauernde Verschärfung der Kreditrichtlinien hätte also seiner Meinung nach für Ostdeutschland "ungleich dramatischere Konsequenzen als für den Rest des Landes".

Von Ralf Jaksch, +49 (0)69 - 29725 111, unternehmen.de@dowjones.com DJG/rio (END) Dow Jones Newswires

   August 29, 2008 06:08 ET (10:08 GMT)

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