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24.01.2015 11:20:31

EZB appelliert an Eigenverantwortung der Euro-Länder

   Nach der Ankündigung ihres milliardenschweren und teilweise umstrittenen Anleihekaufprogramms hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Euro-Staaten dazu aufgerufen, ihrerseits ihre Hausaufgaben zu machen. Während EZB-Direktor Yves Mersch die Einhaltung des Stabilitätspaktes anmahnte, rief EZB-Chef Mario Draghi die Euro-Staaten zu Strukturreformen auf. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte unterdessen vor einer Immobilienblase infolge der EZB-Entscheidung.

   EZB-Direktoriumsmitglied Mersch pochte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien. Um gegen die Vertrauensprobleme in der Eurozone anzugehen, "können wir nicht immer nur die Währungspolitik bemühen", sagte er. "Während fortlaufend an der EZB gezerrt wird, sehen wir zugleich, wie die EU-Kommission auf Vorschlag einiger Staaten den Stabilitäts- und Währungspakt aufweichen will. Sie sollte sich dazu nicht breitschlagen lassen."

   Andernfalls schwäche die Brüsseler Behörde das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung, warnte Mersch, und wandte sich damit gegen den Vorstoß, die Maastricht-Kriterien für die Staaten zu lockern, die sich am Investitionsprogamm der EU-Kommission beteiligen. Darüber will am Montag die Eurogruppe beraten.

   "Länder, die Wettbewerbsnachteile haben, sind gefordert, dem entgegenzuwirken und nicht fortlaufend Anforderungen an die Währungspolitik zu stellen", sagte Mersch unter anderem mit Blick auf Griechenland. Diese komme irgendwann an ihr Ende, "und wir haben uns diesem bereits stark angenähert", fügte Mersch angesichts des Zinsniveaus und des umstrittenen Anleihekaufprogramms hinzu.

   Die Eurozone-Zentralbanken wollen bis September 2016 Anleihen für rund 1,1 Billionen Euro kaufen - ein Schritt, den Mersch in der Neuen Osnabrücker Zeitung verteidigte. Zu den Bedingungen zähle, dass keine volle Verlustteilung vereinbart worden sei, um Risiken und unerwünschte Nebenwirkungen zu verhindern, sagte er.

   "Es gibt also keine Gemeinschaftshaftung, wie sie bei Eurobonds vorliegen würde", erklärte der EZB-Direktor. "Den deutschen Bedenken ist weitgehend Rechnung getragen worden, auch wenn man es vielleicht nur im Kleingedruckten sieht." Ferner werde die Inflationsrate nach den Erwartungen der EZB trotz des Kaufprogramms noch für mehrere Monate sehr niedrig und teilweise negativ sein.

   Mersch stören zudem die Rufe nach staatlichen Investitionsprogrammen innerhalb der Eurozone. "Wenn nur noch der Staat investieren sollte, um die Wirtschaft anzukurbeln, und der Privatsektor dazu selbst nicht mehr bereit wäre, dann hätte ich Bedenken, ob unser marktwirtschaftliches System noch zukunftsfähig wäre", sagte er.

   Europa sei dringend angewiesen auf die Innovations- und Investitionskraft der Privatwirtschaft, gerade auch der kleinen und mittleren Unternehmen. Hingegen seien verschiedene Vorstellungen, die gegenwärtig in Politik und Gesellschaft zu hören seien, nicht mehr mit der Marktwirtschaft vereinbar, kritisierte Mersch.

   Mit Blick auf die bevorstehende Wahl in Griechenland sagte der EZB-Direktor, "es liegt in der Verantwortung der griechischen Wähler, die Regierung zu wählen, von der sie denken, dass sie die beste Zukunft für das Land liefert". Grundsätzlich seien Verträge aber einzuhalten. Zwar sei es Sache der nationalen Akteure, zu entscheiden, auf welche Weise Reformen durchgeführt würden. "Wir sind allerdings der Meinung, dass eine Senkung der Schulden und von Arbeitslosenzahlen eine solide Wirtschaftspolitik voraussetzt", fügte Mersch hinzu.

   Auch EZB-Chef Draghi erinnerte die Staaten der Eurozone an ihre Eigenverantwortung. Nach seinen Worten muss die Eurozone eine echte Wirtschaftsunion werden. "Jedes Mitglied muss in der Lage sein, komparative Vorteile im Binnenmarkt zu nutzen, Kapital anzuziehen und Arbeitsplätze zu schaffen", schrieb Draghi in einem Gastbeitrag für die WirtschaftsWoche. Dazu bedürfe es "Strukturreformen, die Wettbewerb fördern, Bürokratie abbauen und die Anpassungsfähigkeit der Arbeitsmärkte erhöhen."

   Bislang waren entsprechende Reformen weitgehend von den Entscheidungen der einzelnen Länder abhängig. In einer Union bestehe jedoch ein klares gemeinsames Interesse, so Draghi. "Deshalb sprechen gewichtige Argumente dafür, die Souveränität in diesem Bereich gemeinsam auszuüben - im Rahmen einer echten Wirtschaftsunion."

   So würde eine Vertiefung der Finanzmarktintegration eine bessere Risikobeteiligung des Privatsektors ermöglichen. "Risikobeteiligung setzt aber auch eine Vertiefung der Kapitalmärkte voraus, insbesondere der Aktienmärkte. Deshalb müssen wir auch bei der Kapitalmarktunion rasch vorankommen", forderte Draghi.

   Wenn mit Blick auf die Wachstumsaussichten mehr Zuversicht herrschen würde, sei die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Märkte negativ auf vorübergehend höhere Defizite reagieren, schrieb der EZB-Chef weiter. "Indem die Wirtschaftsunion die Regierungen zu Strukturreformen verpflichtet, macht sie glaubhaft, dass die Länder tatsächlich durch Wachstum ihre Verschuldung überwinden können." Sein Fazit lautet daher: Um die Währungsunion zu vollenden, müsste die politische Union weiter vertieft werden. Ihre Rechte und Pflichten sollten in einer neuen institutionellen Ordnung verankert werden.

   Das Anleihekaufprogramm der EZB stößt allerdings nicht nur auf Zustimmung. Der Chefökonom der Commerzbank beispielsweise sieht die Gefahr eines Währungskriegs. "Wenn die EZB ungelöste wirtschaftliche Probleme durch eine Euro-Abwertung lösen möchte, dann schafft sie Konflikte mit anderen Ländern", sagte Jörg Krämer dem Handelsblatt.

   Die USA würden gegenwärtig nur deshalb stillhalten, weil es ihnen wirtschaftlich recht gut gehe. Die Abwertungspolitik der EZB belaste aber auf Dauer die Beziehungen zu den USA und den asiatischen Ländern.

   Der Chefvolkswirt der Commerzbank hält es sogar für möglich, dass die EZB ihre geldpolitischen Maßnahmen noch ausweitet. Kurzfristig entlaste ein abwertender Euro zwar die Konjunktur, langfristig löse er jedoch nicht das Wettbewerbsproblem vieler Euro-Länder. Deshalb könne er sich gut vorstellen, dass die EZB nachlegt und ihr Kaufprogramm in den kommenden Quartalen aufstockt. Die Erwartung einer weiteren Lockerung der EZB-Geldpolitik belaste schon heute den Euro.

   Die EZB nimmt diese Entwicklung offenbar in Kauf, weil ihre Zinspolitik nicht mehr die gewünschte Wirkung entfaltet. In vielen Ländern des Euroraums, so Krämer, seien die Konsumenten und Unternehmen noch zu hoch verschuldet. "Niedrige Zinsen können sie also nicht dazu verführen, ihre Ausgaben zu steigern und so die darbende Konjunktur anzufachen", erläuterte er.

   Deshalb wirkten die massiven Anleihekäufe nur über eine Abwertung des Euro. "Denn er verbilligt die im Euroraum hergestellten Güter aus Sicht von Kunden in den USA oder Asien, was die Exporte und die Gewinne der Unternehmen im Euroraum erhöht." In Wahrheit sei das Anleihekaufprogramm der EZB daher ein Abwertungsprogramm, resümierte er.

   Unterdessen warnte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann davor, dass die EZB-Entscheidung zum Kauf von Staatsanleihen die Immobilienpreise in die Höhe treibt. Der Bild-Zeitung sagte er, es werde nun noch schwieriger, Geld zu guten Zinsen anzulegen. Sparer und Investoren würden deshalb verstärkt nach Alternativen wie Aktien und Immobilien suchen müssen.

   "Wir haben derzeit keine Immobilienblase in Deutschland", sagte Weidmann. "Aber wir beobachten die Entwicklung sehr genau." Weidmann hatte den EZB-Beschluss vom Donnerstag bereits öffentlich kritisiert, so dass davon auszugehen ist, dass er dagegen gestimmt hat.

   Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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