13.06.2013 15:45:31

EU will AKW-Betreiber zu regelmäßigen Sicherheitstests verpflichten

   Von Claudia Wiese

   BRÜSSEL--Die Europäische Kommission zieht weitere Lehren aus der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im Frühjahr 2011: Nach freiwilligen Stresstests im vergangenen Jahr sollen diese Sicherheitsüberprüfungen nun für Teile der Reaktoren alle sechs Jahre Pflicht werden, wie die EU-Kommission am Donnerstag vorschlug. Außerdem will die Kommission mehr Transparenz, unabhängige Aufsichtsbehörden und verpflichtende Notfallstrategien in den Unternehmen durchsetzen.

   Verbindliche Regeln für die Haftung bei Atomunfällen und Versicherungspflichten, wie sie Energiekommissar Günther Oettinger im vergangenen Jahr angekündigt hatte, sollen bis Ende des Jahres folgen. "Daran arbeiten wir derzeit intern", sagte der Kommissar. Auch Vertreter der Versicherungswirtschaft seien daran beteiligt. Das Thema sei komplex und nehme daher mehr Zeit in Anspruch, hieß es zudem in der Kommission.

   "Ich sehe meinen heutigen Vorschlag nicht als den letzten Schritt", fügte Oettinger hinzu. Aber als Realist habe er gemerkt, dass selbst diese Pläne schon einigen Mitgliedstaaten zu weit gingen. Die Mitgliedstaaten müssen der Überarbeitung der EU-Atomsicherheitsrichtlinie noch zustimmen. Das EU-Parlament erhält keine Mitsprache. Oettinger forderte Länder auch ohne Atomkraftwerke oder wie in Deutschland mit einem Ausstiegsbeschluss auf, im Rat das Gesetz zu unterstützen und so die negative Haltung Frankreichs zu überstimmen.

   Es sei zwar Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie Atomkraft nutzen wollen oder nicht. Doch "es ist eine Tatsache, dass 132 Atomreaktoren derzeit in Europa in Betrieb sind", sagte Oettinger. Die Kommission müsse daher sicherstellen, dass die Sicherheit bei jedem Kraftwerk oberste Priorität habe.

   Die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms kritisierte den Gesetzesvorschlag als "völlig unzureichend". "Wieder lässt Oettinger - wie schon bei den Stresstests - die Gefahren von Terrorangriffen und Sabotage außen vor", kritisierte Harms. Der CDU-Abgeordnete Herbert Reul plädierte dafür, neue Zuständigkeiten der EU-Ebene schrittweise einzuführen. "Die Mitgliedstaaten werden nicht sofort jubeln, wenn sie Zugeständnisse in einem energiepolitisch sensiblen Bereich machen sollen", sagte Reul. Die Kommission lässt die Sicherheitsüberprüfungen daher zwar in der Hand der Mitgliedstaaten, will aber eine stärkere Rolle einnehmen.

   Alle EU-Mitgliedstaaten sollen sich vor dem sechsjährigen Sicherheitstest auf die Methodik einigen und ein oder mehrere Themen, die überprüft werden sollen, festlegen - zum Beispiel ob der Druck im Reaktor bei einem Unfall sicher reduziert werden kann oder ob er einer Flut oder einem Erdbeben stand hält. Legen sich die Staaten nicht auf ein Thema fest, will die EU-Kommission das für sie übernehmen.

   Alle zehn Jahre soll ein Kraftwerk wie bisher vollständig von den nationalen Behörden überprüft werden. Außerdem soll ein Stresstest stattfinden, wenn die Laufzeit eines Reaktors verlängert werden soll oder wenn ein Unfall "egal welchen Ausmaßes" stattfindet, teilte Oettinger weiter mit.

   Sollte das Gesetz wie geplant verabschiedet werden, so müssen die sich aus den Tests ergebenden Empfehlungen umgesetzt werden. Andernfalls kann die Europäische Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren bis hin zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Staaten vorgehen.

   In den vergangenen 50 Jahren habe die Kommission keinerlei Informationen zur Sicherheit der AKW von den Mitgliedstaaten erhalten, hieß es in der Kommission. Das soll sich ändern. Die Stresstest-Berichte sollen der Kommission zugesandt werden. Zudem müssen sie veröffentlicht werden.

   Die Kommission will außerdem Sicherheitsziele im Gesetz festlegen. So sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass im Fall eines Atomunfalls "praktisch keine Radioaktivität" in die Umwelt gelangt. Auch sollen alle neuen Atomkraftwerke so konstruiert werden, dass eine Beschädigung des Reaktorkerns keine Folgen außerhalb des Kraftwerks hat. Konkrete technische Vorgaben nennt die Kommission aber nicht. Die Technik sei schnell überholt, begründet sie dies. Ein Ziel festzusetzen sei flexibler.

   Die Aufsichtsbehörden müssten personell und finanziell unabhängig werden, heißt es in dem Gesetzentwurf weiter. Es dürften bei der Überwachung der AKW keinerlei wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden. Der Wechsel vom Vorstand eines AKW-Betreibers in eine Aufsichtsbehörde soll nicht mehr möglich sein. Die Grünen-Abgeordnete Harms begrüßte dies. "Das ist dringend notwendig. Ein Beispiel dafür ist die Karriere des langjährigen Atomlobbyisten Gerald Hennenhöfer, der zurzeit im Bundesumweltministerium als Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit tätig ist. Kürzlich wurde er auch noch zum Vorsitzenden der Gruppe der EU-Aufsichtsbehörden (ENSREG) gewählt", kritisierte Harms.

   Die Kraftwerksbetreiber sollen mit dem Gesetz unter anderem dazu verpflichtet werden, Notfallzentren einzurichten und Leitlinien festzulegen, wie im Fall eines Unfalls reagiert werden soll. Außerdem sollen die AKW-Betreiber sowie die Regulierungsbehörden Strategien entwickeln, wie die Öffentlichkeit bei einem Unfall aber auch während des normalen Betriebs des Kraftwerks informiert werden soll.

   DJG/cla/bam

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   June 13, 2013 09:15 ET (13:15 GMT)

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