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Christoph Kanzler-Kolumne |
17.06.2013 13:45:00
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Die Kunst, loszulassen
Das mag nun ein wenig abgehoben klingen, aber es steckt doch auch eine große Lehre darin, die sich gerade die Finanzindustrie einmal näher anschauen sollte. Denn auch hier gilt: Je geschäftiger wir uns um langfristige Investitionen kümmern und je mehr wir an ihnen herumdoktern, desto seltener werden wir gute Resultate erhalten.
Fokus auf die beeinflussbaren Faktoren richten
Das soll nicht heißen, dass wir uns überhaupt nicht kümmern sollten. Aber es bedeutet auch, dass sich die Kultur der „Geschäftigkeit“ und des Rendite-Jagens, die von vielen Vertretern der Finanzdienstleistungsindustrie praktiziert wird, gegen unsere Interessen richten kann.
Investieren ist eines der Gebiete, zu denen dauernde Aktivität und Kontrollzwang einfach nicht passen. Denken Sie dabei nur an jemanden, der ständig sein Portfolio überwacht, zwanghaft die Finanzsendungen im Fernsehen verfolgt und nachts Aktientipps auf Facebook & Co sucht.
Aber nicht nur die chinesische Philosophie warnt uns vor zu viel „Geschäftigkeit“. Finanzwissenschaft und Erfahrungen zeigen, dass wir uns bei Investitionen lieber um Bereiche kümmern sollten, in denen wir etwas bewegen können - und nicht um Bereiche, die wir nicht unter Kontrolle haben. Marktbewegungen oder Nachrichten können wir nicht beeinflussen. Ebensowenig die Schlagzeilen, die uns aus dem Konzept bringen könnten.
Jeder von uns ist aber in der Lage, sein Risikoverhalten zu kontrollieren. Wir können Risiken über unterschiedliche Anlagevarianten, Firmen, Sektoren und Länder diversifizieren. Wir können auch ein Wort bei den fälligen Gebühren mitreden. Wir können Transaktionskosten beeinflussen und wir können Disziplin walten lassen, wenn uns Gefühlsimpulse vom rechten Weg abkommen lassen könnten.
Weniger ist manchmal mehr
Der Grund dafür, dass diese Prinzipien für viele so schwer zu beherzigen sind, liegt darin, dass das Bild, das die öffentliche Wahrnehmung von der Kunst des Investierens immer wieder vermittelt, sich hauptsächlich am Kurzfristigen, an der jüngsten Vergangenheit, am Flüchtigen, an verengtem Fokus und an der schnellen Lösung orientiert. Man gewinnt den Eindruck, dass man bessere Resultate erzielt, wenn man sich stärker um äußere Faktoren bemüht oder am Lärm des Tagesgeschehens orientiert.
Zudem sind wir darauf programmiert, uns auf das idiosynkratrische Risiko wie beispielsweise glamouröse Aktien zu konzentrieren anstatt auf systematische Risiken wie den Grad, in dem sich unsere Portfolios an allgemeinen Dimensionen wie Risiko und Rendite ausrichten.
Und schließlich spielt auch die Marketingmacht einer ganzen Industrie eine große Rolle. Denn letztlich werden wir dazu gedrängt, die Maschen mitzumachen, die die Finanzindustrie gerne verkaufen möchte. Der Schwerpunkt unseres Handelns liegt oft auf der ständigen Aktion, im Verfolgen bisheriger Renditen und eben nicht darauf, ein gewünschtes Endergebnis zu erreichen.
Hektisches Treiben kann Rendite belasten
Die Folge all dieser Geschäftigkeit, der fehlenden Diversifikation, des schlechten Timings und der Kurzsichtigkeit ist, dass die meisten Einzelinvestoren im Laufe der Zeit mäßige Renditen erwirtschaften. Tendenziell erreichen sie nicht einmal die Renditen, die ihnen ein einfacher Index bieten würde. Analysen des Investorenverhaltens von führenden Forschergruppen bestätigen das Jahr für Jahr. In den vergangenen 20 Jahren bis 2012 lag der durchschnittliche amerikanische Aktienfonds-Investor mit seinem Ergebnis jährlich um fast vier Prozent unter dem S&P 500.
Der Grund für diese gut dokumentierte Differenz zwischen einfachen Index-Renditen und dem, was Investoren erzielen, liegt oft im individuellen Verhalten des Investors – darin, dass man ungenügend diversifiziert ist, Renditen nachjagt, schlechte Entscheidungen zum Timing trifft oder „besser als der Markt“ sein möchte. Dieses Fehlverhalten zu ändern, wäre ein echter Quantensprung für jeden Investor.
Kürzlich tanzte einer der am häufigsten zitierten australischen Analysten einer großen US-Investmentbank aus der Reihe und verabschiedete sich aus dem Spiel dieses „geschäftigen“ Investierens. Bevor er sich auf eine Beratungstätigkeit zurückzog, schrieb der Stratege Gerard Minack im letzten Bericht an seine Klienten, dass nach seiner Feststellung Investoren oft ihre eigenen schlimmsten Feinde wären. Minack meinte: „Das größte Problem scheint zu sein, dass man – trotz aller Dementi – annimmt, bisherige Ergebnisse wären ein guter Hinweis auf zukünftige. Geld fließt konsequent in Investitionen, die gut gelaufen sind, nicht in solche, die gut laufen werden. Das Nettoresultat ist dann, dass tatsächliche Renditen für Investoren nicht nur deutlich unter den Benchmarks liegen, sondern auch unter den Renditen, die professionelle Investoren erwirtschaften. Das hält Leute wie mich in Brot und Arbeit.“
Ein freimütiges Eingeständnis, das auch die uralte chinesische Weisheit bestätigt: „Durch das Loslassen wird alles erreicht werden. Die Welt wird von denen gewonnen, die loslassen. Je mehr Du Dich aber bemühst, umso weniger kannst Du die Welt gewinnen.“
Christoph R. Kanzler ist Leiter der Niederlassung Deutschland, Österreich und Schweiz von Dimensional Fund Advisors. Die Fondspalette von Dimensional umfasst mehr als 100 Aktien- und Anleihenportfolios weltweit. Das Unternehmen ist global aktiv und hat aktuell 265 Milliarden US-Dollar Assets under Management.
Vor seiner Tätigkeit bei Dimensional war Kanzler Leiter Business Development bei der quirin Bank, zuvor besetzte er verschiedene Positionen bei der Citigroup, Credit Suisse und DAB Bank.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
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