25.08.2014 13:30:31
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Deutschlands Großstädte leiden besonders unter Armut
Von Andreas Kißler
BERLIN--Die deutschen Großstädter sind nach einer neuen Studie besonders stark von Armut bedroht. Weil die Kaufkraft in den Metropolen geringer ist als auf dem Land, finden sich dort im Vergleich auch mehr "Kaufkraftarme", ermittelte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Geht es nur nach den Einkommen, zeigen die Armutsquoten in Deutschland ein starkes West-Ost-Gefälle. Rechnet man die Kaufkraft aber mit ein, ergibt sich vielmehr ein "Land-Stadt-Gefälle", sagte IW-Direktor Michael Hüther.
In Deutschland gelten Menschen als einkommensarm, wenn ihr Einkommen nicht über 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Die unterschiedlichen Preise in den einzelnen Regionen spielten dabei aber bislang keine Rolle. Die Analyse des IW berücksichtigt nach Angaben der Ökonomen erstmals die regionalen Preisniveaus. Sie errechneten daraus anstatt der üblichen Armutsquoten so genannte Kaufkraftarmutsquoten.
Das Ergebnis: In Ostdeutschland sind die Einkommen zwar niedriger, doch man kann sich dort für sein Geld mehr leisten als in Westdeutschland. Die Unterschiede bei der Einkommensarmut zwischen Ost und West verringerten sich deutlich, wenn die unterschiedlichen Preise berücksichtigt werden.
Dagegen ist das Stadt-Land-Gefälle laut der Untersuchung der Kölner Armutsforscher Christoph Schröder und Klaus-Heiner Röhl stärker als vermutet. In den Städten sind demnach im Schnitt 22 Prozent der Bevölkerung kaufkraftarm, in ländlichen Regionen hingegen lediglich 14 Prozent. Besonders schlecht schneidet Köln ab: In der nordrhein-westfälischen Metropole leben nach der Studie mehr als 26 Prozent Kaufkraftarme. Berlin kommt im Vergleich dazu auf gut 22 Prozent.
Die geringste Kaufkraftarmut herrscht deutschlandweit erwartungsgemäß in Bayern, wo 12,5 Prozent der Bevölkerung davon betroffen sind. Das Flächenland mit der höchsten Quote ist genau so wenig überraschend das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern mit 20,7 Prozent.
Die Studie hält bei den Ergebnissen zu den einzelnen Bundesländern einige Überraschungen bereit: So liegt demnach die Armutsquote in Brandenburg mit 15,9 Prozent unter denen Sachsens, Nordrhein-Westfalens, Sachsen-Anhalts und Hamburgs. Grund dafür ist die deutlich höhere Kaufkraft in dem ostdeutschen Bundesland. Thüringen erreichte mit 13,8 Prozent nach Bayern und Baden-Württemberg preisbereinigt den drittniedrigsten Wert bundesweit.
Als Konsequenz ihrer Untersuchung forderten die Wirtschaftsforscher unter anderem, die regionalpolitische Förderung mehr auf die Großstädte zu fokussieren. Dazu sollen nach ihren Vorstellungen Investitionen, Innovations- und Gründungsförderung sowie Bildung besser verknüpft werden. "Die Regionalpolitik sollte nach dem Ende des Solidarpakts 2019 neue Schwerpunkte setzen", verlangte das IW.
Hüther bezeichnete jüngst beschlossene Maßnahmen wie einen einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und das Betreuungsgeld als "kontraproduktiv". Berücksichtige man die Kaufkraft, dürfte der Mindestlohn im Osten eigentlich nur bei 7,90 Euro liegen, sagte der IW-Direktor.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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August 25, 2014 07:23 ET (11:23 GMT)
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