Neue Schocks möglich |
22.10.2023 17:28:00
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Deutsche Bank-Experten besorgt: Neue Ära der Stagflation könnte bevorstehen
• Optimismus in Bezug auf Inflationsbekämpfung womöglich zu früh
• Einige Unterschiede zu 70ern machen Mut - dennoch keine Entwarnung
Die Inflation hat sich in den vergangenen Monaten als hartnäckig hoch erwiesen, auch wenn es zuletzt Anzeichen einer Entspannung gab. Dennoch liegt sie in allen G7-Staaten weiterhin über dem Zielwert, wie Experten der Deutschen Bank laut "MarketWatch" kürzlich in einer Notiz feststellten. Makro-Stratege Henry Allen und Research-Analystin Cassidy Ainsworth-Grace vom deutschen Finanzhaus glauben sogar, dass das Schlimmste womöglich erst noch kommen könnte. "Angesichts der Tatsache, dass die Inflation immer noch über dem Niveau von vor der Pandemie liegt, ist es wichtig, nicht selbstgefällig zu werden, was die Entwicklung angeht", so die Experten. Vor allem der überraschende Angriff der Hamas auf Israel und die Entwicklung der Ölpreise, die in der Folge zunächst kräftig anzogen, lassen bei ihnen Erinnerungen an die Situation in den 1970ern wieder aufleben und sie befürchten, dass die Weltwirtschaft - wie damals - erneut in eine Phase der Stagflation eintreten könnte.
Mehrere Parallelen zu Stagflation in 1970ern aufgedeckt
In den 1970ern war ein Ölpreis-Schock durch den Jom-Kippur-Krieg ausgelöst worden, den arabische Staaten im Oktober 1973 im Rahmen des Nahostkonflikts gegen Israel führten. Arabische Ölförderländer verhängten dabei ein Embargo gegen Länder, die Israel im Krieg unterstützen. Es folgte eine Ölkrise und eine Periode der Stagflation, bei der ein schwaches Wirtschaftswachstum mit einer rasanten Inflation einherging. Laut "Fortune" lag die Inflationsrate weltweit zwischen 1973 und 1983 im Schnitt bei 11,3 Prozent, während die BIP-Wachstumsraten in vielen Ländern einbrachen. Eine solche Situation könnte laut den Deutsche Bank-Experten auch heute wieder drohen. Denn gerade die neuen Angriffe auf Israel hätten gezeigt, wie schnell das geopolitische Risiko unerwartet zurückkehren könne.
"Wenn wir heute auf die 1970er Jahre zurückblicken, gibt es auffallend viele Parallelen zu unserer Zeit", schrieb Stratege Henry Allen laut "Fortune". Die prominenteste sei dabei "der Anstieg der Energiepreise, insbesondere der Ölpreise". Diese waren am Montag nach Beginn der Hamas-Angriffe kräftig gestiegen, da der Markt befürchtete, der Konflikt könnte sich auf weitere Regionen im Nahen Osten ausweiten, in dem zahlreiche Staaten mit großem Ölvorkommen beheimatet sind. Experten warnen, dass sich das Angebot dadurch noch weiter verknappen könnte, nachdem Saudi-Arabien und Russland bereits vor einigen Monaten mit Förderkürzungen begonnen hatten. Dennoch liegen die Ölpreise momentan unter ihren 52-Wochen-Hochs von Ende September und deutlich unter dem Niveau, das sie 2022 zu Beginn des Ukraine-Kriegs markiert hatten. Einer der Hauptgründe für die hohen Teuerungsraten sind sie dennoch. Die "Angebotsschocks [bei Öl] haben sowohl in den 1970er Jahren als auch heute zu ernsthaften Schwierigkeiten für die Wirtschaft geführt, da sie die Inflation in die Höhe treiben und gleichzeitig das Wachstum dämpfen", so die Experten der Deutschen Bank. Weitere Ähnlichkeiten zur Ära der 1970er seien außerdem die zunehmenden Arbeiterstreiks in den USA, sowie eine hohe Wahrscheinlichkeit von 73 Prozent, dass der kommende Winter wie 1971 von starken El Niño-Wettermustern beherrscht werde. Das Wetterphänomen El Niño verursacht laut "Fortune" oft einen wärmeren und trockeneren Winter in Nordamerika, was die Ernteerträge belastet und dadurch zu höheren Rohstoff- und Lebensmittelpreisen führt.
Beharrlichkeit der hohen Inflation könnte erneut unterschätzt werden
Doch auch die Entwicklung der Inflationsraten selbst und ein "sich wiederholender Optimismus", wie schnell sie wieder fallen werden, würden laut der Deutschen Bank Ähnlichkeiten zur Situation in den 70ern aufweisen. Die Inflation sei nun schon zwei Jahre lang zu hoch und die zukünftigen Inflationserwartungen womöglich zu optimistisch, so die Experten. "Ein erneuter Inflationsanstieg könnte durchaus dazu führen, dass die Erwartungen ihre Verankerung verlieren", warnten sie. Denn wenn die Teuerungsrate auch im dritten oder vierten Jahr - ausgelöst durch neue geopolitische Schocks und steigende Rohstoffpreise - über dem Zielwert bleibe, werde es immer schwieriger, sich vorzustellen, dass die langfristigen Erwartungen unter der tatsächlichen Inflation bleiben würden.
"In den 1970ern waren die Prognosen immer wieder zu optimistisch, da die Beharrlichkeit der Inflation unterschätzt wurde", warnte Allen laut "Fortune". Damals fiel die Inflation nach dem ersten Ölpreis-Schock im Jahr 1973 und der US-Rezession von 1973 bis 1975 nicht zurück, sondern stieg nach einem weiteren Ölpreis-Schock im Jahr 1979 sogar noch weiter an. Diese Gefahr einer Stagflation bestehe auch jetzt. "Schließlich liegt die Inflation in allen G7-Ländern immer noch über dem Zielwert, auch wenn sie ihren Höchststand hinter sich gelassen hat. Wir haben in den 1970er-Jahren gesehen, wie neue Schocks dazu führen können, dass Erwartungen ihre Verankerung verlieren, insbesondere wenn sie bereits auf eine Phase folgen, in der die Inflation über dem Zielwert lag. Gleichzeitig bleibt das Wachstum in mehreren Ländern schleppend und im Vergleich zu den letzten Jahren sind die politischen Entscheidungsträger bei der Ankurbelung der Wirtschaft mit größeren Einschränkungen konfrontiert", mahnte der Experte. So liegt laut "Business Insider" etwa die Verschuldung der USA im Verhältnis zum BIP weit über dem Niveau der 1970er, was den Umfang der fiskalischen Anreize begrenzt, die zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums eingesetzt werden könnten.
Zukunft laut Experten aber nicht völlig dunkel
Doch die Experten der Deutschen Bank haben nicht nur besorgniserregende Parallelen zu den 1970ern ausgemacht, sondern auch einige wichtige Unterschiede gefunden, die Grund zur Hoffnung geben. So seien etwa die langfristigen Erwartungen für die Inflation momentan "beeindruckend" gut verankert, die Störungen, die die Corona-Pandemie in den Lieferketten hinterlassen hatte, weitgehend behoben und die Rohstoffpreise insgesamt nicht so hoch wie zu Beginn des Ukraine-Kriegs. Auch seien die USA inzwischen weniger energieintensiv als noch vor 50 Jahren, wodurch Energiepreisschocks inzwischen nicht mehr so großen Schaden anrichten könnten wie damals. Auch das entschlossene Handeln der Zentralbanken weltweit, die mit einer beispiellosen Straffung der Leitzinsen gegen die hohe Inflation kämpfen, wird von den Deutsche Bank-Experten positiv gewürdigt. Es sei allerdings dennoch von entscheidender Bedeutung, Selbstzufriedenheit zu vermeiden. "Rückblickend lässt sich sagen, dass einer der Fehler der 1970er-Jahre darin bestand, dass die Geldpolitik zu früh gelockert wurde, was zu einem Wiederanstieg der Inflation beitrug", so Allen und Ainsworth-Grace laut "MarketWatch".
Es gebe also viele vielversprechende Anzeichen dafür, dass eine Rückkehr in die 1970er-Jahre und die Ära der Stagflation vermieden werden könne, so die Analysten. Der jüngste Konflikt im Nahen Osten bedeute jedoch, dass es noch zu früh sei, um Entwarnung zu geben.
Redaktion finanzen.at
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