08.09.2013 18:23:58
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"DER STANDARD"-Kommentar: "Kaum Neugier auf die Schwarzen" von Conrad Seidl
Wien (ots) - Dass vom Leben bestraft wird, wer zu spät kommt, ist zum geflügelten Wort geworden. Dass es genauso falsch sein kann, zu früh zu kommen, das wissen zumindest Wahlkampf-Planer: Eine verführerische Kampagne muss so angelegt sein, dass sie am Wahltag wirkt - und weder davor noch danach verpufft.
So hat sich das offenbar auch die ÖVP ausgedacht: Ihre Wahlkampfstrategie war darauf ausgelegt, alle Kraft (und einen beachtlichen Teil des Budgets) für die letzten Tage vor der Wahl aufzusparen. Der eigentliche Wahlkampfstart der ÖVP ist für den Dienstagabend dieser Woche angesetzt. Da wollen es die Schwarzen richtig krachen lassen.
Dass das gelingt, darf bezweifelt werden: Große Überraschungen und neue Themen sind nicht zu erwarten; neue Gesichter schon gar nicht, weil die Fristen der Listenerstellung längst verstrichen sind.
Dabei ist die Idee, spät in den Wahlkampf zu starten und dann alle
anderen zu überstrahlen, durchaus bewährt. 1995 hat die SPÖ
vorgeführt, wie das geht. Der damals neue ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel
hatte Neuwahlen vom Zaun gebrochen, und die SPÖ reagierte darauf mit
äußerster Disziplin - nämlich gar nicht. So lief der ÖVP-Wahlkampf
gegen einen unsichtbaren Gegner - und alsbald ins Leere. Alle fragten
sich besorgt, wo denn die SPÖ bleibe, wo Kanzler Franz Vranitzky
stecke. Das Timing war perfekt: Als die lange erwartete SPÖ-Kampagne
dann endlich startete, redete niemand mehr vom Herausforderer
Vranitzky zog alle Aufmerksamkeit und genügend Stimmen für einen
souveränen Wahlsieg auf sich.
Was vor 18 Jahren funktioniert hat, ist aber beileibe keine Erfolgsgarantie für heutige Wahlkämpfe. Dazu fehlt zunächst einmal die seinerzeit von der SPÖ bewiesene Disziplin: Wer ein überzeugendes Comeback gestalten will, muss erstens einmal richtig im Mittelpunkt gestanden sein (was der ÖVP trotz Erfolgen bei der Volksbefragung und in zwei der drei Landtagswahlen nur in Ansätzen gelungen ist) und dann zweitens eine "Silent Period" überstehen, in der man der Öffentlichkeit wirklich abgeht.
Aber solche Zeiten der Stille hält eine Partei wie die ÖVP nicht durch. Da sorgen sich viel zu viele, dass nach der Zeit der Stille vielleicht gar niemand mehr auf einen Auftritt der Schwarzen gespannt sein könnte. Da stehlen dann zweit- und drittwichtigste Politiker mit schrägen Auftritten und unqualifizierten Aussagen (etwa über den "abgesandelten" Standort) dem Chef die Show.
Dazu kommt, dass die Vielzahl elektronischer Medien - die es 1995 noch nicht gegeben hat - auch dem Spitzenkandidaten gar kein taktisches Zurückziehen mehr erlaubt: Michael Spindelegger muss jederzeit ins Fernsehen, ob das nun der Wahlkampfplanung entspricht oder nicht.
De facto war die ÖVP den ganzen Sommer über im Wahlkampf präsent. Sie hat dabei nur so dilettantisch gewirkt, dass man keineswegs neugierig darauf geworden ist, was die ÖVP denn noch zu bieten hat. Wenn man dieser Tage mit schwarzen Funktionären spricht, zeigen sich diese weder besonders neugierig noch besonders motiviert. Die Erfolgsstimmung, die sie im Frühjahr erlebt haben, ist über den Sommer verflogen.
Wenn die ÖVP also jetzt in den Intensivwahlkampf startet, muss sie erst ihre eigenen Funktionäre wieder erreichen - wenn es nicht zu spät ist.
Rückfragehinweis: Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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