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19.05.2017 07:42:00
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Brasilien: Politisches Beben bringt Aktienmarkt zeitweise zum Stillstand
Unter den Einzelwerten in Sao Paolo büßten die Aktien des Finanzinstituts Banco do Brasil zwischenzeitlich rund ein Viertel ihres Wertes ein. Am Ende fielen sie um rund 20 Prozent. Die Papiere des Energiekonzerns Petrobas sackten etwas weniger deutlich ab.
Staatsanleihen des Landes, die in US-Dollar begeben wurden, brachen ebenfalls ein. Im Gegenzug stiegen die Risikoaufschläge, die Investoren für eine Anlage verlangen. Die Rendite zehnjähriger auf Dollar lautender Anleihen stieg um 0,57 Prozentpunkte auf 5,07 Prozent. Auch Staatsanleihen Argentiniens verloren deutlich an Wert. Kreditausfallversicherungen auf brasilianische Staatspapiere wurden spürbar teurer.
REAL STÜRZT AB - NOTENBANK ALARMIERT
Die Landeswährung Real verlor im Vergleich zum US-Dollar so deutlich an Wert wie seit Monaten nicht mehr, der Kurs lag bei bis zu 3,41 Real für einen Dollar. Der Dollar legte um mehr als 7 Prozent zum Real zu. Sowohl die Notenbank als auch das Finanzministerium teilten mit, die Lage genau zu beobachten und gegebenenfalls stabilisierende Maßnahmen einzuleiten. Die Zentralbank bot den Banken des Landes sogenannte Swapgeschäfte zur Liquiditätsversorgung an.
Nach einem Pressebericht soll Präsident Michel Temer aktiv dabei geholfen haben, mit Hilfe von Geldzahlungen einen Mitwisser in einem Korruptionsskandal zum Schweigen zu bringen. In Brasilia war nach dem Auftauchen von angeblich belastenden Tonaufnahmen von einer "Bombe" die Rede. Von allen Seiten kamen Forderungen nach Rücktritt und Neuwahlen. Die brasilianische Regierung hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
WACHSTUMSABSCHWÄCHUNG BEFÜRCHTET
Sollten die Anschuldigungen stimmen, dürfte die politische Unterstützung für Temer deutlich schwinden und die Fortschritte der Reform-Agenda beeinträchtigen, kommentierten Ökonomen von der Bank of America Merrill Lynch.
Skeptisch äußerte sich auch Anna Stupnytska, Volkswirtin beim Vermögensverwalter Fidelity: "In diesem Klima tendieren die Chancen, die für die Märkte dringend notwendigen - jedoch schmerzhaften - Reformen, umzusetzen, gegen null." Parlamentswahlen seien vor 2018 wegen konstitutioneller Zwänge und Partikularinteressen eher unwahrscheinlich. Das bedeute Stillstand im Kongress. Diese Entwicklung würde das Wachstum abschwächen, die lockere Geldpolitik der Zentralbank beschränken und sich negativ auf brasilianische Vermögenswerte auswirken.
BRASILIEN LEIDET SEIT JAHREN
Brasilien leidet seit Jahren unter großen wirtschaftlichen Problemen und Korruptionsaffären. Mit der neuen Regierung unter dem seit 2016 amtierenden Präsidenten Temer verbanden Anleger aber die Hoffnung auf stabilere politische und ökonomische Verhältnisse. An den Märkten genoss er weit mehr Vertrauen als seine 2016 des Amtes enthobene linke Vorgängerin Dilma Rousseff. Diese Hoffnungen wurden mit den jüngsten Nachrichten enttäuscht.
Brasilien, bis 2015 noch siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt, befindet sich immer noch in einer tiefen Rezession. 2015 sank das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent, 2016 um 3,6 Prozent.
13,5 Millionen Menschen sind arbeitslos, die Arbeitslosenquote liegt nach offiziellen Angaben bei rund 12 Prozent. Zuletzt gab es aber Anzeichen einer leichten Besserung, und die Märkte begrüßten Temers Privatisierungspläne etwa bei großen Flughäfen sowie einschneidende Arbeitsmarktreformen, die Unternehmen mehr Freiheiten geben sollen.
AUSGANGSPUNKT DES SKANDALS
Ausgangspunkt des Skandals ist ein Treffen Temers mit Joesley Batista
- ihm gehört der größte Fleischkonzern der Welt, JBS. Temer soll
dabei grünes Licht gegeben haben, den inhaftierten Ex-Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha mit einer Geldzahlung zum Schweigen zu bringen. Cunha gilt als einer der bestinformierten Politiker, wenn es um all die Verwicklungen des Lava-Jato-Skandals geht - führende Unternehmen zahlten jahrelang Schmiergelder, um an Aufträge zu kommen.
Anschließend soll der Abgeordnete Rodrigo Rocha Loures, ein Vertrauter Temers, dabei gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit 500 000 Real (146 000 Euro) entgegennahm - das Geld soll von Joesley Batista stammen, hieß es. Dieser wiederum hatte die Gespräche mit Temer den Berichten zufolge mitgeschnitten und sich - um womöglich von einer Kronzeugenregelung zu profitieren - an einen Richter des Obersten Gerichtshofs gewandt. Nach Angaben des Portals "Folha de S. Paulo" soll Staatspräsident Temer zudem Joesley Batista über eine bevorstehende Zinssenkung der Zentralbank informiert haben.
BOVESPA JAHRELANG UNTER DRUCK
Für den Bovespa-Index in Sao Paolo war es seit 2010 über mehrere Jahre schrittweise bergab gegangen bis auf einen Stand von unter 40 000 Punkten Anfang 2016. Anschließend ging es dann wieder rasant aufwärts bis auf mehr als 69 000 Punkte im Februar 2017.
SAO PAOLO (dpa-AFX)
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