19.03.2010 13:54:14

BÖRSENAUSBLICK/DAX klettert die "Wall of Worry" hinauf

Von Herbert Rude Dow Jones NEWSWIRES FRANKFURT (Dow Jones)--Trotz der höchsten DAX-Stände seit Mitte Januar und neuer Jahreshochs an vielen Börsen in den vergangenen Tagen: Von Euphorie gibt es am Aktienmarkt keine Spur. Viele Marktteilnehmer gehen für die kommende Woche eher von Gewinnmitnahmen aus, verweisen auf überkaufte Strukturen und erwarten fallende Kurse. "Nach dem Verfall geht es runter", so ein Händler, und solche Kommentare gab es nicht wenige in den vergangenen Tagen.

   Thematisiert werden im Handel die positiven Nachrichten kaum. Und deren gab es in der abgelaufenen Woche mit ZEW in Deutschland oder dem ABC-Verbrauchervertrauen in den USA einige; thematisiert werden stattdessen überkaufte Strukturen und die Griechenlandkrise, die über einen schwächeren Euro auch die Aktienmärkte belasten könnte.

   Auch die Zeitungsberichterstattung wird nach wie vor eher von Warnungen vor Aktien-Engagements geprägt: "An Wall Street wächst die Angst vor Rückschlag", titelte die FAZ im Finanzteil am Dienstag. "Für Anleger gilt es jetzt vor allem, Verluste zu vermeiden", so das Parkett-Gespräch in der gleichen Zeitung am Freitag. Und in den USA ist der Optimismus der Anleger sogar wieder zurückgegangen, wie die letzte Umfrage von AAII zeigt.

   In einem solchen Umfeld gilt ein Ende eines Aufwärtstrends aber eher als unwahrscheinlich. "Die Hausse stirbt gewöhnlich in der Euphorie", heißt ein alter Leitsatz der Aktienmärkte. Die verbliebenen Optimisten am Aktienmarkt sehen deshalb gute Chancen, dass der Dax zunächst weiter die "Wall of Worry" nach oben steigt.

   Die Rahmenbedingungen stimmen: Die Zinsen bleiben voraussichtlich noch lange niedrig und der Aufschwung könnte im zweiten Quartal deutlich an Dynamik gewinnen. Die Analysten von Silvia Quandt Research rechen mit einem akkumulierten DAX-Gewinn von 634 Punkten im kommenden Jahr, das ergäbe ein Kursgewinn-Verhältnis von 9,5, womit der DAX billig wäre.

   Petra von Kerssenbrock, technische Analystin der Commerzbank, rechnet so auch eher mit einem ersten Test des Jahreshochs bei 6.094 Punkten in der kommenden Woche als mit einem Rückschlag. "Natürlich ist der Markt überkauft", so die Analystin. Das sei aber für einen Aufwärtstrend nicht ungewöhnlich. Viele Indizes wie S&P, Dow, Nasdaq oder SMI und FTSE seien bereits auf Jahreshoch, die Marktbreite sei "exzellent" und die technische Situation europäischer Schwergewichte wie Nokia, Siemens, Allianz und Royal Dutch habe sich gerade erst deutlich verbessert oder beginne sich gerade erst zu verbessern.

   Am kommenden Mittwoch wird der ifo-Geschäftsklima-Index veröffentlicht. "Das Umfeld für die deutsche Wirtschaft ist eigentlich paradiesisch", so ein Marktteilnehmer mit Blick auf die Euro-Schwäche, die den exportorientierten Unternehmen hilft. Unter Händlern überwiegt allerdings eher die Skepsis, die Euro-Schwäche könnte zu Kapitalabzug führen. Am Montag beginnen vor dem EU-Parlament Anhörungen zur Griechenland-Krise.

   Anlage-Experte Jens Erhard meint dazu, ein Ausschluss Griechenlands wegen der Bilanzfälschungen im Umfeld des Beitritts und des Verfehlens der Kriterien würde den Euro vermutlich stärken (und die Aktienbörsen zunächst drücken), wahrscheinlicher sei aber eine dauerhaft laxe Geldpolitik, sie sei derzeit der "Weg des geringsten Widerstands".

   Am Freitag muss der Michigan-Index zeigen, ob sich das Verbrauchervertrauen tatsächlich so stark verbessert, wie es das ABC-Verbrauchervertrauen mit einem der elf stärksten wöchentlichen Anstiege in den vergangenen 25 Jahren gezeigt hat. Bereits am Mittwoch wird in den USA der Auftragseingang langlebiger Wirtschaftsgüter veröffentlicht und in Europa der Einkaufsmanager-Indizes.

   Anlässe für Rückschläge könnten laut Händlern von einer Diskonterhöhung in den USA ausgehen, wobei der erste Schritt vor vier Wochen die Börsen nicht nachhaltig belastet hatte. Auch eine straffere Geldpolitik in China muss immer wieder als Argument für die Vorsicht der "Bären" herhalten, auch wenn Analysten wie Heino Ruland von Ruland Research meinen, ein inflationsfreies Wachstum von 8%, wie es China anstrebt, wäre ein "traumhaftes Szenario" und kein Grund für einen Kurseinbruch an den Märkten. Und auf der Unternehmensseite warten Händler, ob VW mit weiteren Details zur Kapitalerhöhung kommt. "Vor den verkürzten Osterwochen wäre die nächste Woche die letzte Gelegenheit", meint ein Händler.

-Von Herbert Rude, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 29725 217, herbert.rude@dowjones.com DJG/hru/mod/flf Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de (END) Dow Jones Newswires

   March 19, 2010 08:19 ET (12:19 GMT)

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