Experten zwiegespalten |
18.07.2021 16:42:00
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Besser als US-Titel? Europas Aktien in der Analystengunst vorn
• Starke Wirtschaftserholung und unterbewertete Value-Aktien
• Abhängigkeit von Konjunktur kann auch gefährlich sein
Für den US-Leitindex Dow Jones ging es seit Januar um rund 14 Prozent aufwärts, der US-Techwerteindex NASDAQ Composite hat im gleichen Zeitraum rund 13 Prozent gewonnen. Beide haben dabei neue Rekordhöhen erreicht. Auch an den europäischen Börsen ist die bisherige Performance 2021 positiv: Der deutsche Leitindex DAX hat ca. 14 Prozent zugelegt, für den EURONEXT 100-Index ging es ebenfalls um rund 14 Prozent nach oben. Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Aktienmärkten in Europa und in Übersee könnte in der zweiten Jahreshälfte allerdings zugunsten der europäischen Aktien ausgehen, glauben Marktbeobachter.
Europäische Konjunktur erholt sich
Wirtschaftsdaten aus der Eurozone malten zuletzt ein freundliches Bild für die Konjunkturentwicklung auf dem Kontinent: Die Einkaufsmanagerindizes aus Deutschland und Frankreich etwa zeigten eine deutliche Erholung auf hohem Niveau. Experten der Helaba kommentierten diese Entwicklung mit den Worten, dass sich die Schere zwischen Industrie und Dienstleistungen weiter schließe, sodass das gesamtwirtschaftliche Wachstum an Breite gewinne.
Viele Analysten sehen europäische Aktien vorn
Anleger hatten daraufhin reagiert und ihr Geld zunehmend in den europäischen Aktienmarkt umgeschichtet: Die Zuflüsse von Investmentfonds in europäische Aktien waren auf einem Sechsjahreshoch, wobei US- und asiatische Anleger laut einer Analyse von Goldman Sachs die jüngsten Trends umkehrten und Nettokäufer europäischer Aktien wurden, berichtete jüngst "MarketWatch".
Eine Outperformance gegenüber allen wichtigen Regionen trauen auch Experten der Credit Suisse und Europa-Analysten von Morgan Stanley dem europäischen Aktienmarkt zu. "Da globale Anleger Europa strukturell untergewichtet haben, gibt es viel Spielraum, dass die jüngsten Zuflüsse, die eher in Wochen als in Monaten gezählt werden sollten, erheblich länger andauern, wenn das Anlagenarrativ attraktiv bleibt", zitiert das Portal Graham Secker, den Chefstrategen für europäische Aktien bei Morgan Stanley.
Auch die Citigroup hatte sich jüngst positiv zu den Aussichten für den europäischen Aktienmarkt geäußert und ihrerseits eine Verlagerung des Anlegerinteresses erkannt: "Europa ist der bevorzugte Aktienmarkt geworden", schreibt die US-Bank in ihrem Research-Bericht. Europäische Aktien hätten noch vor Rohstoffen und US-Aktien die besten Aussichten, den globalen Aktienmarkt zu übertreffen, so die Experten weiter.
Fokus auf Value-Aktien
Dabei kommt dem europäischen Aktienmarkt möglicherweise der Fokus auf Value-Aktien zugute. Denn in den vergangenen Monaten hatten Value-Titel, die während der Pandemie-Phase eine schwächere Performance als Wachstumsaktien hingelegt hatten, Boden gutmachen können. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen, glauben etwa Experten der BNP Paribas: "Anzeichen von Inflationsdruck, expansive Fiskal- und Geldpolitik und relativ attraktive Bewertungen unterstützen eine Fortsetzung der erholungsgetriebenen Rotation zum Faktor Value", hieß es in einem Ausblick der Analysten auf das dritte Quartal.
In Europa ist der Anteil von Zyklikern und Value-Titeln höher als etwa am US-amerikanischen Aktienmarkt. Diese Aktiengattungen profitieren überdurchschnittlich von wirtschaftlichen Erholungseffekten und könnten den europäischen Aktienmarkt daher auf die Überholspur bringen. Dass die Zuflüsse in europäische Aktien vor diesem Hintergrund anhalten dürften, glauben auch die Experten von Goldman Sachs: "Europäische Aktien haben sich langfristig als Underperformer erwiesen und daher haben die meisten Anleger in der Region viel niedrigere Gewichtungen als in der Vergangenheit", hieß es in einem Research-Bericht.
Nicht alle Experten sehen Europa auf der Überholspur
Während viele Marktbeobachter angesichts der Konjunkturerholung, unterbewerteten Value-Titeln und damit verbundenem Nachholpotenzial europäischen Aktien eine Outperformance zutrauen, sehen andere Experten insbesondere die Abhängigkeit der europäischen Börsen von der Wirtschaftsentwicklung kritisch.
So erklärte etwa Peter Toogood, Chief Investment Officer des Finanzdienstleistungsunternehmens Embark Group, gegenüber CNBC, dass die Erholung der europäischen Wirtschaft zu langsam erfolge und COVID wohl auch im Winter noch nicht ad acta gelegt werden könne. Dies dürfte dazu führen, dass die Gewinne gebremst bleiben. Vor diesem Hintergrund glaubt er zwar daran, dass der europäische Aktienmarkt mit dem US-Markt mithalten könne, eine mögliche Outperformance sieht er aber nicht.
Auch Robert Rethfeld, Marktexperte von Wellenreiter-Invest, äußerte sich - insbesonderen im Hinblick auf den deutschen Leitindex DAX - gegenüber tagesschau.de unlängst kritisch: "Wir korrelieren hier deutlich stärker mit dem Wirtschaftswachstum als die Amerikaner mit ihren Tech-Werten", unterstreicht Rethfeld. "Wenn das Wirtschaftswachstum das starke Momentum des ersten Halbjahres nicht aufrecht halten kann, dann betrifft das den DAX ganz besonders. Von daher ist vom DAX keine Outperformance zu erwarten."
Redaktion finanzen.at
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