12.06.2014 18:23:30

Banken und Verbraucherschützer greift Graumarkt-Aktionsplan zu kurz

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Die Regierung will die Anleger in Deutschland mit einem Aktionsplan besser vor den Risiken des sogenannten "Grauen Kapitalmarktes" schützen. Mit dem Mitte Mai vorgestellten Vorhaben ziehen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der für den Verbraucherschutz zuständige Justizminister Heiko Maas (SPD) vor allem die Lehren aus dem Pleitefall Prokon. Doch weder Banken noch Verbraucherschützern gehen die Pläne weit genug. Sie fordern ein entschiedeneres Vorgehen.

   Die Bundesregierung plant unter anderem zusätzliche Publikationspflichten und stärkere Durchgriffsrechte der Finanzaufsicht BaFin. Wird der Aktionsplan Wirklichkeit, könnte ein Fall wie der des Windkraftfinanzierers Prokon "so nicht mehr passieren", ist Schäuble überzeugt.

   Aber besonders die Verbraucherschützer fordern weitere Maßnahmen. "Aktionsplan ist Fortschritt, aber Lücken bleiben", twitterte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Klaus Müller. Pikanterweise hat Müllers Amtsvorgänger Gerd Billen, inzwischen für Verbraucherschutz zuständiger Staatssekretär im Justizministerium, den Aktionsplan entscheidend mitverhandelt.

   Ein Dorn im Auge sind den Verbraucherschützern insbesondere der Vertrieb und die Bewerbung von Graumarktprodukten. Nach den Plänen von Schäuble und Maas soll es wirksame Dauerwerbeaktionen in der U-Bahn, wie Prokon sie veranstaltet hatte, künftig nicht mehr geben. Das Unternehmen hatte geschickt einen Appell an das "grüne Gewissen" mit einer Kapitalanlage in erneuerbare Energien verbunden und dabei 6 Prozent Zinsen bei monatlicher Kündigungsfrist versprochen.

   Die Regierung will die Zulässigkeit von Werbung für Vermögensanlagen künftig grundsätzlich auf Medien beschränken, deren Schwerpunkt auf der Darstellung wirtschaftlicher Sachverhalte liegt. Das sei sinnvoll, um den Kreis der Umworbenen einzuschränken, sagt vzbv-Finanzanlageexpertin Dorothea Mohn zwar. Aber "wir sind der Überzeugung, dass Graumarktprodukte nicht für Altersvorsorge und Vermögensaufbau geeignet sind und gar nicht aktiv an Verbraucher verkauft werden sollten". Sie fordere daher ein Verbot des aktiven Vertriebs, denn die betreffenden Produkte hätten bei den meisten Bundesbürgern als Anlageform schlicht nichts zu suchen. Deshalb enthalte das Maßnahmenpaket nur Schritte in die richtige Richtung, die aber "zu kurz und zu wenige" seien, so Mohn.

   Das geht weit über die Vorstellungen von Schäuble und Maas hinaus. Sie wollen mit ihrem Aktionsplan, der nach der Sommerpause vom Kabinett auf den Weg gebracht werden soll, unter anderem vorschreiben, dass in den Verkaufsprospekten die Fälligkeit bereits begebener, noch laufender Vermögensanlagen angegeben werden muss. So wollen sie der "Vorspiegelung einer nicht vorhandenen wirtschaftlichen Produktivität und unzulässigen Schneeballsystemen" entgegentreten.

   Anbieter sollen schon bei der Entwicklung eines Finanzproduktes den Kreis der Endkunden benennen, auf die das Produkt abzielt, und sie müssen ähnlich wie Aktiengesellschaften in Ad-hoc-Mitteilungen Tatsachen veröffentlichen, die "ihre Fähigkeit zur Leistung von Zahlungen beeinträchtigen können". Als Lehre aus dem Fall Prokon sollen zudem für sämtliche Vermögensanlagen eine Mindestlaufzeit und eine ausreichende Kündigungsfrist eingeführt werden. Denn viele Prokon-Anleger hatten kurzfristig ihre Genussscheine abgestoßen, als sich die Schieflage abzeichnete.

   Der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kommt nach den Regierungsplänen künftig eine stärkere Rolle bei der Beaufsichtigung des Graumarkts zu. Für bestimmte Produkte soll die Finanzaufsicht künftig Werbebeschränkungen und sogar Vertriebsverbote verhängen können. "Der kollektive Verbraucherschutz wird als Aufsichtsziel der BaFin gesetzlich verankert und soll alle Aufsichtsbereiche umfassen", heißt es in dem Aktionsplan.

   Doch das wiederum geht der Finanzbranche nicht weit genug. Die fordert eine generelle Beaufsichtigung des Grauen Kapitalmarktes durch die BaFin. Bisher wird er in bestimmten Teilen nur durch die Gewerbeaufsichtsämter kontrolliert. Das kritisieren die deutschen Banken seit langem. Deshalb reagierten sie auch äußerst zurückhaltend auf den Aktionsplan der Regierung.

   "Aus Sicht der Kreditwirtschaft ist die Chance, die Akteure des Grauen Kapitalmarkts unter eine sachgerechte Aufsicht zu stellen, leider ungenutzt geblieben", moniert der Dachverband der Branche, dem unter anderem die Großbanken, die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken angehören. Nur die BaFin könne "ein einheitliches, qualitativ hohes Schutzniveau für alle Verbraucher" sicherstellen.

   Das könne "nur durch eine bundesweit konzentrierte Aufsicht mit laufenden Kontrollen durch die BaFin" gewährleistet werden, die sich auch auf den Grauen Kapitalmarkt erstrecken, betonte Cornelia Schulz vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, dem Federführer der Dachorganisation. "Der Gesetzgeber ist hier aufgefordert, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren". Die Institute pochen darauf, "dass vergleichbare Kapitalanlagemöglichkeiten auch gleich reguliert werden".

   Banken und Verbraucherschützer sitzen hier offenbar in einem Boot. Denn Verbraucherschützerin Mohn unterstützte die Forderung der Kreditwirtschaft, den Graumarkt komplett der Aufsicht der BaFin zu unterstellen. "Damit würde man den Grauen Kapitalmarkt aushöhlen." Allerdings würde dies bedeuten, dass die angebotenen Unternehmensbeteiligungen auch materiell geprüft würden, und das sehe der Entwurf nicht vor. Sie wünscht sich daher "eine so starke Produktregulierung und Kontrolle, dass man letztendlich ganz vom grauen Kapitalmarkt wegkommt".

   Doch die Koalition will keinesfalls so weit gehen, gleich den ganzen Graumarktbereich einzuebnen. Im Finanz- wie im Verbraucherschutzministerium wird betont, die dort bestehenden Angebote könnten für Unternehmen wie für Anleger eine wichtige Funktion haben - etwa in der Mittelstandsfinanzierung. "Wir wollen nicht den Verbraucher entmündigen", versprach Maas deswegen bei der Präsentation der Pläne ausdrücklich.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/smh

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   June 12, 2014 11:54 ET (15:54 GMT)

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