22.01.2015 17:19:00

Aiginger: EZB-Entschluss "spät, aber richtig" - mehr ist notwendig

Für den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Karl Aiginger, war der heutige EZB-Beschluss über das Anleihenkaufprogramm ein "später, aber richtiger Schritt". Der neue EZB-Kurs sei aber nur eine von drei Säulen einer "Politik der Erholung in Europa". Auch die Investitionen und die Reallöhne müssten steigen, um wieder Wachstum zu erhalten.

Das EZB-Anleihenkaufprogramm sei ein positiver Schritt, weil dadurch die Kreditklemme kleiner werde, der Euro sinke und die Exporte steigen. Wenn Staatshaushalte von Zinsen entlastet würden, hätten sie mehr Geld für Investitionen. Außerdem mindere der Schritt die Deflationsgefahr.

Die EZB-Maßnahme sei aber nicht ausreichend, weil auch die Investitionen und die Reallöhne wieder steigen müssten. Jetzt sei es Aufgabe der nationalen Politik und der europäischen Kommission, die anderen Schritte zu machen, damit die Maßnahme der EZB ihre maximale Wirkung entfalte. Für mehr Investitionen wären einerseits Anreize durch europäische Programme notwendig, als auch nationale Signale, damit Unternehmen wieder optimistischer würden. Als Beispiele nennt Aiginger den Breitbandausbau und die energetische Sanierung von Gebäuden.

Die Steigerung der Reallöhne müsste laut Aiginger durch steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit erfolgen, weiters durch Umschulungen und Erfolgsprämien sowie eine bessere Nutzung des Potenzials von Migranten. In Österreich habe es nun sieben Jahre lang keine Reallohnsteigerung gegeben. Steigender Konsum und steigende Exporte würden zu mehr Wachstum führen. "Europa könnte sich erholen", so der Ökonom.

Zufrieden zeigt sich Aiginger mit dem Ausmaß des heute verkündeten Anleihenankaufprogramms von monatlich 60 Mrd. Euro. Die zuvor kolportierten 50 Mrd. Euro wären zu wenig gewesen, nun habe die EZB ein deutliches Signal gesetzt. Auch die Ankündigung, das Programm solange fortzuführen bis die Inflation die Zwei-Prozent-Marke erreicht habe, sei ein gutes Signal. Als Zeichen der Unsicherheit wertet Aiginger, dass ein Teil der zu kaufenden Papiere den Bilanzen der nationalen Notenbanken zugeordnet werde. Damit sei die EZB den Deutschen entgegengekommen wegen innenpolitischer Bedenken in Deutschland. Den internationalen Märkten habe die EZB damit allerdings signalisiert, dass es noch immer Kräfte gebe, die keine gemeinsame europäische Politik wollten.

Die Befürchtungen der Kritiker, dass durch das Programm die Reformbemühungen in Europa zum Stillstand kämen, kann Aiginger nicht nachvollziehen. Zur Einforderung von Reformen gebe es viele Möglichkeiten, etwa den Fiskalpakt, Beschlüsse der Europäischen Kommission oder das Europäische Semester. Es sei "zynisch", wenn man nur durch hohe Arbeitslosenraten den Reformdruck gewahrt sehe, kritisierte Aiginger. Außerdem seien die durch die Troika von Griechenland geforderten Reformen nicht unbedingt immer die richtigen. Zu den notwendigen und wichtigen Reformen zählt der Wirtschaftsforscher auch eine Bildungsreform.

(Schluss) gru/pro

WEB http://www.ecb.int

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